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Endlich Planungssicherheit schaffen


Ist es ein gutes Zeichen, dass Bund und Länder nun gemeinsam einen Entwurf für eine Krankenhausreform erarbeiten wollen?

Ja, das ist ein positives Signal. Wir hatten in der Tat die Sorge, dass der Bund seine Vorstellungen, die ja im Wesentlichen auf den am 6. Dezember 2022 vorgestellten Vorschlägen der Regierungskommission beruhen, im Zweifel auch gegen den Widerstand der Länder durchsetzen will. Deshalb ist es ein gutes Zeichen, dass die Länder sich aktiv einbringen und Verantwortung übernehmen wollen und auch der Bund diesen gemeinsamen Entwurf wünscht. Gegen den Widerstand der Länder kann eine Krankenhausreform auch nicht gelingen. Das hätte auch für die Krankenhäuser nichts Gutes gebracht.

Offenbar wird es eine Art Länderöffnungsklausel geben. Was bedeutet das für die Kliniken?

Die Vorschläge der Regierungskommission sind von der Überzeugung geprägt, dass man mit bundesweiten Maßstäben die ganze Bundesrepublik sowohl in der Fläche als auch in den Ballungsgebieten strukturieren kann. Zunächst war in dem Konzept der Kommission nur sehr wenig Spielraum für die Länder vorgesehen. Das Konzept „One Size Fits All“ ist aus unserer Sicht nicht realistisch. Wir haben in den Bundesländern in weiten Teilen sehr gut funktionierende Strukturen der Arbeitsteilung. Dieses Miteinander müsste komplett neu organisiert werden. Ein Gesetzesentwurf muss deutliche Gestaltungsräume für die Länder vorsehen, in denen regionale Besonderheiten und Notwendigkeiten der Versorgung abgebildet werden können. Dies haben die Länder klar zum Ausdruck gebracht. 

Karl Lauterbach betont, die Verbesserung der Behandlungsqualität sei Motivation und Ziel der geplanten Reform. Wird das gelingen?

Es gibt eine Reihe von Aussagen, die im Zusammenhang mir den Vorschlägen der Kommission gefallen sind. Zum Beispiel die Botschaft, jeder würde in der Krankenhauslandschaft alles machen, es gebe keine Zuordnung von komplexeren Aufgaben zu den Krankenhäusern, die auch über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, diese Patienten auch mit hoher Qualität entsprechend zu behandeln. Das entspricht nicht der Realität. Wir haben eine Vielzahl von Strukturvorgaben, die sich auf konkrete Behandlungen beziehen, wir haben Strukturprüfungen im Zusammenhang mit komplexen Behandlungsprozessen, die der MDK prüft, es gibt die die Vorgaben des G-BA, Mindestmengen etc. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass heute völlig unstrukturiert jedes Krankenhaus einfach „drauflosarbeiten“ könnte.  Trotzdem kann eine noch strukturiertere Zuordnung von Leistungen, insbesondere mit der entsprechenden Refinanzierung in der Tat die Qualität der Patientenbehandlung positiv beeinflusst. Qualität ist aber auch dadurch gekennzeichnet, dass es eine gute Erreichbarkeit geben muss. Es nutzt die beste Qualität nichts, wenn sie für eine Vielzahl von Patienten, die diese Behandlung benötigen, nicht erreichbar ist oder eine übertriebene Zentralisierung zu extrem knappen Kapazitäten führt. Insofern ist es immer ein Kompromiss zwischen optimaler Behandlungsqualität und vernünftigen Kriterien wie etwa die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit, die man bei solchen Konzepten in Einklang bringen muss. Und das wird jetzt die Aufgabe der Bund-Länder-Kommission sein, hier Wirtschaftlichkeit, Qualität und Zugang zu den Behandlungsmöglichkeiten in eine gute Balance zu bringen.

Wie kann eine Strukturreform aus Sicht der Kliniken gelingen?

Minister Lauterbach betont als großen Beweggrund für die Reform, der Medizin in Bezug auf die Behandlung im Krankenhaus wieder Vorrang vor der Ökonomie einräumen zu wollen. Für dieses Ziel müssen dann aber auch die zu erbringenden Leistungen sachgerecht und auskömmlich finanziert werden.  Bei den Betriebsmitteln müssen Sachkosten und Personal adäquat refinanziert werden, sodass zukünftig die durchschnittlichen Kostensteigerungen wirklich erstattet werden und wir nicht mehr in jedem Jahr gezwungen sind, mit weniger Personal und weiteren Einsparungen bei den Sachkosten die Patientenbehandlung zu erbringen. Auch die im Rahmen der Krankenhausreform angestrebten neuen Strukturen selbst müssen refinanziert werden. Es muss im Rahmen eines Strukturfonds möglich sein, Fusionen, Erweiterungen und bauliche Veränderungen an den Standorten zu realisieren. Aber auch vorhandene Standorte müssen endlich in die Lage zu versetzt werden, Behandlungsprozesse zu optimieren, um so ressourcenschonend wie möglich zu arbeiten und die Patienten zu behandeln.

Der Kommission zufolge soll es drei Vorhaltelevel geben. Wie viele Kliniken fallen unter das Level 1? Sind 1i-Häuser überhaupt noch Kliniken?

Wir haben heute eine Grundgesamtheit von rund 1700 relevanten Krankenhäusern in Deutschland. Davon fallen heute etwa 1300 Häuser unter die Basis-Notfallstufe oder haben keine Basisnotfallstufe, das wären jeweils 650 Krankenhäuser der Stufe „1n“ und „1i“. Für diese Häuser gibt es nach den Vorschlägen der Regierungskommission zunächst einmal keinen Bestandsschutz. Das heißt: Diese Häuser werden sich verändern müssen. Es wird in der Diskussion zwischen Bund und Ländern sicher sehr stark um die Frage gehen, wie deutlich die Krankenhauslandschaft tatsächlich reduziert werden soll. Will man wirklich fast 40 % der Häuser, die ohne Basis-Notfallstufe sind, in regionale Gesundheitszentren umwandeln und sie nicht mehr als Krankenhäuser weiterführen und weitere 30 % der Standorte in die Level II Kliniken integrieren? Mal ganz abgesehen von den Versorgungsfragen und den Finanzierungsfragen, die sich dann stellen, wäre eine so massive Reduktion von Krankenhausstandorten politisch schlicht nicht vermittelbar. Sie ist auch inhaltlich nicht zu begründen.

Sind Vorhaltepauschalen der richtige Weg, um die stationäre Versorgung auch „in der Fläche“ abzusichern?

Vorhaltefinanzierung kann einen Beitrag leisten.  Die Sicherstellung der stationären Versorgung in der Fläche wird aber nicht allein über die Vorhaltefinanzierung gelingen. Wir brauchen darüber hinaus weitere Maßnahmen, etwa die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Leistungen. Und es müssen konsequent Rahmenbedingungen geschaffen werden für eine gute digitale Vernetzung kleinerer Standorte, etwa mit Schwerpunkt und Maximalversorgern. Außerhalb der Ballungsräume brauchen wir zudem besondere Strategien zur Fachkräftesicherung an diesen Standorten.

Welche Rolle hat die Selbstverwaltung bei dieser „Revolution“?

Wenn man dem Bundesgesundheitsminister folgt, dann sind wir Selbstverwaltungspartner nur Mitspieler, die nach den Regeln der Politik zu spielen haben, die aber nicht mitdiskutieren sollen. Aber wir haben es mit einem extrem komplexen Geflecht an Regelungen zu tun, die in hohem Maße durch die Selbstverwaltung entwickelt wurden. Ich bin überzeugt, es wäre klug, die Kompetenz der Selbstverwaltungspartner für die Umsetzung der Reform zu nutzen, wenn man Lösungen finden will, die sich am Ende auch in der Praxis bewähren. Lösungen jenseits der Selbstverwaltung könnten sich schnell als gut gemeint erweisen. Deshalb appellieren wir an den Minister und an die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, aber auch den GKV-Spitzenverband mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung bei der Entwicklung tragfähiger Lösungen einzubeziehen. Dass die Rahmenbedingungen von der Politik gesetzt werden, ist unstrittig. Wir haben wiederholt bewiesen, dass wir verlässliche und konstruktive Partner sind, wenn es um die konkrete Umsetzung der von der Politik gesetzten Eckpfeiler geht.

Erwarten Sie eine Verringerung des bürokratischen Aufwands durch die Reform?

Wir haben uns in den letzten 20 Jahren einen ungeheuren Aufwuchs an Bürokratie zugemutet. Mit dieser großen revolutionären Reform verbinden wir auf jeden Fall auch eine Kehrtwende beim Thema Bürokratie und Überregulierung. Neue Regeln und Vorgaben müssen in jedem Fall bestehende Vorgaben ersetzen. So dürfen beispielsweise bei der Definition der Leistungsgruppen keinesfalls Mindeststrukturanforderungen und -vorgaben neu erfunden werden, zusätzlich zu dem, was heute schon über den G-BA und die OPS Definitionen Dienst festgelegt ist. Wir brauchen einen radikalen Schnitt: Neue Vorgaben müssen alte ersetzen. Weitere Vorgaben parallel zu bestehenden sind nicht  zu begründen. Wenn das nicht angepackt wird, ist zum Beispiel der Vorschlag, das Versorgungsgeschehen in verschiedenen Leistungsgruppen zu organisieren, ein weiterer Auswuchs an Bürokratie und dann auch nicht mehr handhabbar. Wer glaubt, dass Bürokratieabbau sich darin erschöpft, einfach nur weniger Einzelfallprüfungen vorzusehen, der hat nicht verstanden, was wir heute im Krankenhaus an Bürokratie zu bewältigen haben, bevor wir auch nur eine einzige Leistung am Patienten erbringen dürfen.

Bringt das KHPflEG Entlastung für die Pflege?

Das Gesetz hat in seiner Entwicklung ungeahnte Facetten bekommen. Das geht ja bei Weitem nicht mehr nur um Pflege. Grundsätzlich gilt aber: am Ende ist es gelungen, die Bundesregierung und den Minister davon zu überzeugen, eine Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus einzuführen, die sich am Konzept ´PPR 2.0.´ orientiert, das die DKG zusammen mit dem Deutschen Pflegerat und ver.di entwickelt hat. Es ist ein positives Signal für die Pflege, dass eine angemessene Personalausstattung in allen Krankenhäusern realisiert werden soll. Das wird nicht allein durch die Einführung von PPR 2.0. gelingen. Sie ist aber ein wichtiger erster Schritt, den Pflegekräften zu signalisieren, dass die Krankenhäuser in die Lage versetzt werden, mehr Personal dem konkreten Pflegebedarf entsprechend zu beschäftigen und auszubilden. Die Kliniken müssen sich auch selbst nach Kräften bemühen, Pflegekräfte auszubilden und auch zu halten. 

Und für die Kliniken?

Wir haben lange um einen adäquaten Pflegeentgeltwert für Krankenhäuser, die noch kein vereinbartes Pflegebudget haben, gekämpft. Sehr viele Häuser mussten mit einem Pflegeentgeltwert zurechtkommen, der die tatsächlichen Pflegekosten nicht abgedeckt hat. Vom ersten Januar 2023 an werden 230 € pro Tag von den Kassen vergütet. Das ist auf jeden Fall ein Beitrag zur Liquiditätssicherung in den Krankenhäusern.

Ist die Tagesbehandlung im Krankenhaus ein guter Ansatz?

Die Effekte der Option Tagesbehandlung werden überschätzt. Dass man auf diese Weise in nennenswertem Umfang Nachtschichten vermeiden kann und damit umfänglich Pflegepersonal frei bekommt - da bin ich skeptisch. Es stellt sich zudem die Frage der Risikoabwägung im Zusammenhang mit der Tagesbehandlung: Immerhin handelt es sich um akut behandlungsbedürftige Patienten, die vielleicht doch besser zur Überwachung im Krankenhaus bleiben. Außerdem sind mit der Tagesbehandlung auch finanzielle Einbußen für die Krankenhäuser verbunden, die möglicherweise sogar das Einsparpotenzial übersteigen. Nicht zuletzt fürchten die Krankenhäuser, dass der Medizinische Dienst mit neue Prüfaspekte in die Kliniken tragen wird: etwa die Frage, ob die Patienten in Tagesbehandlung sechs Stunden behandelt worden sind. Deshalb sind wir etwas zurückhaltend, was unsere Erwartungen an die Tagesbehandlung betrifft.

Was tun gegen den Fach- und Pflegekräftemangel?

Die Kliniken, die erfolgreicher als andere Pflegepersonal gewinnen und halten können, sind meistens diejenigen, die auch ausbilden. Es sollten deshalb auch an peripheren Standorten Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Wir müssen in den Kliniken Dienstzeiten verlässlicher gestalten und insgesamt gute Arbeitsbedingungen schaffen.  Und die Politik muss hierfür geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Wir brauchen unternehmerischen und personalwirtschaftlichen Spielraum, also das Zutrauen, dass die Kliniken ihre Ressourcen klug und verantwortungsbewusst einsetzen. Es muss nicht alles über Exceltabellen aus Berlin haarklein vorgegeben werden. Ohne Handlungsspielraum geht die Kreativität verloren, Chancen über innovative Prozesse zu nutzen.

Auch die Finanzierung ist ein wichtiger Punkt: Die Regierung entwickelt jetzt Vorschläge, das Pflegebudget irgendwie mit dem Vorhaltebudget zu kombinieren. Für uns ist aber von zentraler Bedeutung, dass die Krankenhäuser künftig über die Weiterentwicklung der Landesbasisfallwerte und der Psychiatriebudgets die durchschnittlichen Personalkostensteigerungen auch refinanziert bekommen. Es kann nicht sein, dass wie bisher diese Steigerungen immer etwas unter den eigentlichen Personal- und Sachkostensteigerungen liegen und Krankenhäuser permanent gezwungen sind, mit weniger Personal und Sachkosten ihre Leistungen zu erbringen. Diese Abwärtsspirale hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Unzufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus gewachsen ist.

Das aktuelle DKI-Barometer zeigt eine steigende Insolvenzgefahr unter den Kliniken auf. Wie kann sie gestoppt werden?

Die Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise werden wahrscheinlich im zweiten Halbjahr 2023 dramatisch sichtbar werden. Wenn die Jahresabschlüsse 2022 von den Wirtschaftsprüfern bestätigt werden und die Aufsichtsgremien diese Jahresabschlüsse zur Kenntnis nehmen, wird es an vielen Standorten wohl keine positive Fortführungsprognose geben. Die Politik hat bisher nicht signalisiert, die inflationsbedingten Kostensteigerungen refinanzieren zu wollen. Und Investitionsmittel sind bekanntlich nur sehr beschränkt vorhanden, sodass viele Häuser schon heute rote Zahlen schreiben. Im gerade beginnenden Jahr 2023 werden es wahrscheinlich bis zu 20 % Standorte sein, die bisher keine Aussicht auf Verbesserung ihrer Situation haben. Und irgendwann sind die Rücklagen aufgebraucht, und auch Banken geben in derart prekärer Lage keine Kredite. Wir bewegen uns auf eine Situation im Krankenhausbereich zu, die die flächendeckende stationäre Versorgung in Deutschland wirklich gefährdet.

Wie ist Ihr Resümee insgesamt zur Gesundheitspolitik nach gut einem Jahr Ampelkoalition?

Wir hatten wohl alle die Erwartung, dass wir nach der Coronazeit die Dinge mit großem Engagement anpacken werden. Wir mussten aber feststellen, dass der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach sehr viel hinter verschlossenen Türen entscheidet - ohne Einbeziehung der verschiedenen Akteure. Viele Probleme der Krankenhäuser sind im ersten Jahr der Ampelregierung angesprochen worden. Lösungen, die uns nachhaltig weiterbringen, hat es nur wenige gegeben. Unsere Erwartung an die große Krankenhausreform ist jetzt sehr hoch. Wir erwarten nun umfassende Entscheidungen, die auch einen mittelfristigen und langfristigen Zeithorizont haben und den Kliniken eine sinnvolle Planung für die Zukunft erlauben.

Wie wird die Kliniklandschaft in einem Jahr aussehen?

Wir werden uns in zwölf Monaten an vielen Standorten mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir mit Krankenhäusern umgehen, die in wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Dort werden Kommunen zunehmend vor der Frage stehen, ob sie den Sicherstellungsauftrag übernehmen. Denn für viele Häuser wird es sicher schwierig, Träger jenseits der öffentlichen zu finden, die bereit sind, das Risiko der Weiterführung zu übernehmen. Ich fürchte, es wird an vielen Orten diskutiert werden müssen, wie retten wir unser Krankenhaus? Das sind keine guten Perspektiven für eine große Krankenhausreform.

Eine große Baustelle, die jetzt untergeht in den Debatten um Leistungsgruppen und Details der Kommissionsvorschläge, ist das Thema Investitionsfinanzierung. Ohne auskömmliche, verlässliche Investitionsfinanzierung wird es keinen Ausweg aus dem ökonomischen Dilemma geben, dem die Krankenhäuser seit vielen Jahren ausgesetzt sind. Die Chancen einer guten Infrastruktur für gute Patientenbehandlung, aber auch für personalsparende Prozesse und moderne Arbeitsplätze und damit einhergehender gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit, können so nicht ausgeschöpft werden. Das ist eine große Herausforderung, die jetzt auch von der Bund-Länder-Gruppe beantwortet werden muss.

Das Interview führte Katrin Rüter