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Eine Chance für die Pflege


Dr. Sabine Berninger (li.), Vorsitzende des DBfK Südost e.V. und Pflegedirektorin im Dialog mit PD Dr. Michael A. Weber, Kongresspräsident und Präsident VLK, Sandra Postel (zweite von re.), Präsidentin der Pflegekammer NRW und Prof. Dr. Henriette Neumeyer (re.), Stelv. Vorstandfsvorsitzende DKG. Foto: Kotlorz

Die Hoffnungen waren groß bei der Profession Pflege, als in den ersten Eckpunkten zur Krankenhausstrukturreform der Regierungskommission sogenannte Level 1i Kliniken unter pflegerischer Leitung in Aussicht gestellt wurden. Das wäre ein echter Paradigmenwechsel und eine Strukturreform im stationären Gesundheitswesen gewesen, sagen Pflegefachvertreter. Mehr Verantwortung und Kompetenz für die Pflegeberufe. Doch was ist derzeit übrig von diesen Plänen? Im Rahmen des 46. Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf stand der zweite Kongresstag am heutigen Dienstag ganz im Zeichen der Pflege. „Zeitenwende für die Krankenhäuser – eine Chance für die Pflege?“

Prof. Dr. Martina Hasseler, von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und einziges Mitglied aus dem Bereich Pflege in der Regierungskommission hatte gleich einen Dämpfer parat. Nicht nur, dass sie die einzige Pflegestimme in der Regierungskommission ist und dort die immerhin größte Berufsgruppe im Klinikbereich, die Pflege, alleine vertritt. Selbst die Regierungskommission, so Prof. Hasseler, erlange nur über Umwege die aktuellen Referenten- und Arbeitsentwürfe des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur Klinikreform. Auch für sie seien die Planungen igrendwie eine große Black Box.

Für die Krankenhausfinanzierung und die Krankenhausreform werde der Mehrwert der Pflegefachberufe und dessen Evidenz bisher nicht zu Grunde gelegt. „Pflegerische Leistungen sind im Krankenhaus relevant und keine Last“, stellte Prof. Hasseler klar und wandte sich deutlich gegen die aktuelle Formulierung der „Pflegelast“.

 Internationale Studien belegten, dass eine höhere Personalausstattung mit Pflegeberufen das Sterberisiko von Patienten in der Akutversorgung verringere. Eine Erhöhung des Pflegefachpersonals - zum Beispiel in der Allgemeinchirurgie und der Chirurgie - führe zudem zur Senkung der Gesamtkosten. Auch auf die Verkürzung der Verweildauer der Patienten habe die Personalausstattung mit Pflegefachpersonal relevante Auswirkungen. Hasseler betonte, die Relevanz der Pflegefachberufe für Qualität und Outcomes in der Krankenhausversorgung sei hoch und eine Krankenhausversorgung und Ambulantisierung werde ohne Integration der Pflegefachberufe nicht bedarfsangemessen funktionieren. Wirkliche Reformen scheiterten derzeit jedoch am Mindset.

Auch an anderer Stelle sieht sich die Pflege nicht ausreichend berücksichtigt bei den aktuellen Planungen zur Krankenhausstrukturreform. Beispiel Leistungsgruppen. Franziska Berghoff, Referentin für die pflegerische Versorgung im Krankenhaus, Deutscher Pflegerat e.V., stellte klar, dass die nun geplanten 65 Leistungsgruppen sich nur an OPS und ICD orientierten und keine pflegefachlichen Leistungen hinterlegt würden. „Pflege ist nur vereinzelt in den Struktur- und Prozesskriterien vorhanden.“ Berghoff fürchtet zudem, dass durch die geplante Vorhaltefinanzierung von 60 % der stationären Leistungen im Rahmen der Klinikreform die Pflegebudgets am Ende miteingerechnet würden und zusammenschrumpfen könnten. Sogar Pflegefachpersonal in den Kliniken könnte schlimmstenfalls abgebaut werden. Eine zentrale Forderung lautet daher: Pflege muss in den entscheidenden Gesetzen fest verankert werden.

Ingo Böing, Referent für Pflege im Krankenhaus DBfK Bundesverband e.V. skizzierte, wie eine pflegeleitete Klinik aussehen könnte. Einen solche Innovation in der deutschen Krankenhauslandschaft bezeichnete er als echten „Game-Changer“. Wenn Heilkunst von Pflegenden ausgeübt werde, müsse Pflege mehr Verantwortung übernehmen dürfen. „Der Arztvorbehalt muss abgeschafft werden.“ Eine solche Klinik in pflegerischer Hand sei zum Beispiel denkbar bei Patienten nach komplexen Operationen, bei akutmedizinischen-pflegerischen Problemen oder auch bei Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Krebsleiden.

Sei Fazit: „Pflegerisch geleitete Kliniken sind innovativ und schließen eine Versorgungslücke.“ Doch ist das politisch gewollt? Aus den ursprünglich angedachten Level 1i Kliniken in pflegerischer Hand seien nun sektorenübergreifende Versorger geworden. Wie diese aussehen werden sei noch unklar.

Bei der Podiumsdiskussion, welche pflegerischen Kompetenzen das Krankenhaus der Zukunft braucht, sagte Prof. Dr. Henriette Neumeyer, Stelv. Vorsitzende der DKG, es fehle der Pflege im  politischen Berlin immer noch an Repräsentanz. Zudem engagierten sich Pflegefachpersonen auf der politischen Bühne oftmals ehrenamtlich und in ihrer Freizeit für die Ausgestaltung des Berufs. „Das muss professionalisiert und besser abgestützt sein.“ Anstatt sich gegen den Arztvorbehalt zu wenden, sieht Prof. Neumeyer eher Überschneidungen bei den Verantwortlichkeiten von Pflegefachkräften und Ärzten. Dies müsse jedoch noch rechtssicher ausgearbeitet werden. „Wir brauchen eine Weiterentwicklung des Berufsrahmens der Pflege.“

PD Dr. Michael A. Weber, Kongresspräsident und Präsident VLK, sieht vor allem im Bereich der Ambulantisierung einen steigenden Bedarf bei der pflegerischen Nachsorge.

Sandra Postel, Präsidentin der Pflegekammer NRW, verlangt „ein klares Berufsrecht für die Pflege“. Wenn die Pflege bei der Krankenhausstrukturreform jedoch nicht mitsprechen dürfe, dann sei die künftige Versorgung nicht sicher.

Tanja Kotlorz