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Drei Fragen an den Minister


Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, stellte drei Fragen an der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, auf die sich die Krankenhäuser konkrete Antworten erhoffen. Erstens: Wie kann es gelingen, die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in den kommenden Monaten zu stabilisieren? Wie wird es 2022/23 weitergehen? Zweitens: Wie und wann will man die Kliniken in den Reformprozess einbeziehen? Und drittens: Was will der Bund tun, um gemeinsam mit den Ländern die Investitionsfinanzierung sicherzustellen?

Der Sommerempfang der Deutschen Krankenhausgesellschaft

Was sollen wir tun? Was dürfen wir hoffen? Dies sind nicht nur zwei der drei Grundfragen der Philosophie der „Kritik der reinen Vernunft“ Immanuel Kants. Um diese existenziellen Fragen der eigenen Existenz geht es derzeit im Kern auch für die Krankenhäuser. Wie soll es weitergehen für die Kliniken in Deutschland?

Die rund 150 Gäste genossen den ersten Empfang der DKG am 13. Juni 2022 nach der pandemiebedingten Pause. Dennoch lag über den angeregten Gesprächen – verhalten, aber deutlich spürbar – eine leicht resignative Stimmung. Grund für die Frustration in der Krankenhausbranche: Auch nach einem halben Jahr Ampelregierung sind die großen Fragen zu einer Reform der Gesundheitsversorgung unbeantwortet.

Der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß begrüßte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Vertreter der Länder, aus den Gremien der Selbstverwaltung, des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und der Verbände des Gesundheitswesens. Auch Mitglieder der erst im Mai berufenen Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung waren unter den Gästen des Sommerempfangs der DKG.

Drei existenzielle Fragen richtete der DKG-Chef an den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach   (SPD) Drei große Fragen, auf deren Beantwortung die Kliniken in Deutschland dringend warten, denn sie sind entscheidend für eine funktionierende, stabile Gesundheitsversorgung. Erstens: Wie kann es gelingen, die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in den kommenden Monaten zu stabilisieren, wie wird es 2022/23 weitergehen? Zweitens: Wie und wann will man die Kliniken in den Reformprozess einbeziehen? Und drittens: Was will der Bund tun, um gemeinsam mit den Ländern die Investitionsfinanzierung sicherzustellen?

Die Krankenhäuser seien in den vergangenen Jahren, vor allem während der Coronapandemie, immer stärker in Bedrängnis geraten, so Gaß. Die Kliniken hätten ein großes Interesse an einer planvollen Reform. Der anstehende Reformprozess müsse aber schnell angestoßen werden: Die Krankenhäuser bräuchten eine klare Perspektive. „Um als Wirtschaftsbetriebe handeln und planen zu können, müssen sie wissen: In welche Bereiche sollen wir investieren? Wo soll es hingehen mit der Reform?“ Die große Unsicherheit in Hinblick auf eine Krankenhausstrukturreform und die seit Jahren mangelnde Investitionsfinanzierung setzten den Kliniken weiter zu.

Frustrierend für die Kliniken und Ihre Interessenvertreter bleibe auch, dass mit viel Sachkenntnis und Engagement erarbeitete Konzepte, etwa für eine moderne Strukturreform oder für eine umsetzbare Personalbemessung, weitgehend ignoriert werden, so Gaß. Im Rahmen der Präsidiumssitzung unmittelbar vor dem DKG-Empfang in den Ministergärten wurde unter anderem über Konzepte der Ambulantisierung diskutiert, berichtete der Vorstandsvorsitzende. Die Krankenhäuser sehen hier großes Potenzial: „Wir haben konkrete Vorschläge erarbeitet. Sie wurden nicht abgerufen.“ Das gleiche gelte in Bezug auf ein Konzept zur Bemessung des Pflegepersonalbedarfs. Mit dem Konzept PPR 2.0, dem Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument, das die DKG gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat und der Gewerkschaft ver.di entwickelt hat, sei eine echte, konsensfähige Lösung zur Bewältigung der Personalkrise in der Krankenpflege gelungen. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Umsetzung lasse jedoch auf sich warten.

Die Vertreter des Gesundheitswesens, der Krankenhäuser, aber auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und des GKV-Spitzenverbandes, hätten ein hohes Maß an Gemeinschaft entwickelt und, bei allen Interessensunterschieden, Vorschläge gemeinsam durchdacht: „Wir haben festgestellt, dass wir gemeinsam ein großes Interesse daran haben, dass unser Gesundheitssystem, insbesondere das Krankenhaussystem, planvoll reformiert wird und wir uns konstruktiv einbringen wollen“, so Gaß. Es gebe große Schnittmengen zwischen den Vertretern der Selbstverwaltung, mit der KBV, aber auch mit dem GKV-Spitzenverband, unterstrich Gaß.

„Wir stehen vor einem schwierigen Herbst und vor einem schwierigen Jahr 2023“, mahnte Der DKG-Vorstandsvorsitzende. Träger würden ernsthaft darüber nachdenken, Versorgungsangebote einzuschränken, weil sie keine Perspektive dafür sehen.

Reform braucht Konsens

Persönlich angesprochen in der Begrüßung des DKG-Vorstandsvorsitzenden wie auch in der Rede des Bundesgesundheitsministers wurde Prof. Dr. Tom Bschor, der Koordinator der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ und langjähriger Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin. Die Kommission aus 15 Expertinnen und Experten soll Stellungnahmen und Empfehlungen zu einzelnen Fragen der Krankenhausversorgung erarbeiten, die Grundlagen für Krankenhausreformen ab dem Jahr 2023 werden sollen. Prof. Bschor war einer der begehrtesten Gesprächspartner des Empfangs.

Doch auch in den Gesprächen der Gäste wurde Kritik an der Besetzung der Kommission laut: Zu wissenschaftlich, zu viele Theoretiker, es fehlten unter anderem Praktiker aus den Krankenhäusern, so der Tenor. Die Sorge der Krankenhäuser sei, dass kreative Lösungen der Wissenschaft auf harte konkrete Realität der Kliniken treffen, sagte Gaß.

Er wolle nicht verhehlen, dass die Kliniken sich das anders vorgestellt haben, so der DKG-Chef: „Bund und Länder sollten sich am Anfang eines solchen Reformprozesses zunächst auf ein konkretes Zielbild einigen, das dann Experten aus Wissenschaft und Praxis mit Vorschlägen füllen. Am Ende sollte eine gemeinsame Agenda stehen, die schrittweise und planvoll umgesetzt wird.“

Entscheidend für das Gelingen seien nicht nur klug ausgearbeitete wissenschaftliche Vorschläge. Notwendig sei ein umfassender Konsens derjenigen, die diese Vorschläge umsetzen müssen und derjenigen, die in den Ländern und im Bund Verantwortung tragen.

Der DKG-Vorstandsvorsitzende erinnerte einmal mehr an die großen Herausforderungen und den immensen Einsatz der Kliniken während der Coronapandemie und an die erfolgreiche Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche des Gesundheitswesens: „Diesen Geist der Kooperation sollten wir in die Zeit nach der Pandemie hinüberretten“, forderte Gaß.

Er erinnerte aber auch „To-dos“, die sich in der Pandemie besonders deutlich zeigten: Als Stichworte nannte er das Lieferkettenproblem, die Digitalisierung, und den Fachkräftemangel. Vor allem Digitalisierung und Personal seien eng verknüpft mit Investitionen: „Wenn wir es nicht bald schaffen, unser Investitionsproblem zu lösen, werden wir das Thema der Digitalisierung in den Krankenhäusern nicht in den Griff bekommen, da wird auch das KHZG nicht ausreichen. Und wenn wir weiterhin von knappen Betriebsmitteln für Personal abzweigen müssen, dann werden wir es auch nicht schaffen, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen“, mahnte der DKG-Chef: „Deshalb muss vor allem eine Antwort gefunden werden für das Investitionsdilemma, das uns seit vielen Jahren und Jahrzehnten belastet.“

Hinter vorgehaltener Hand sei von Seiten der Politik zu hören, man kenne das Problem der mangelnden Investitionen, wolle aber erstmal geordnete Strukturen schaffen und dann das Investitionsproblem lösen, um nicht in Strukturen zu investieren, die wir vielleicht in Zukunft so gar nicht mehr haben werden. „Wir wissen aber: Ein planvoller Strukturprozess braucht zehn Jahre, bis er volle Wirkung entfaltet. Und wir haben definitiv keine zehn Jahre mehr, um unsere Investitionsfinanzierung so auf die Beine zu stellen, dass unser Personal und auch unsere Patienten nicht unter diesem Defizit leiden“, warnte Gaß. Der kalte Strukturwandel dürfe nicht auf diese Weise weiter befördert werden. Die Krankenhäuser bräuchten stattdessen dringend Stabilisierung: „Angesichts der galoppierenden Inflation und gleichzeitig zurückgehender und konsequent niedriger Fallzahlen innerhalb eines leistungsabhängigen Finanzierungssystems werden wir das nicht mehr stemmen können in den kommenden Wochen und Monaten.“ Inzwischen schreiben 60 % der Häuser rote Zahlen: „Das duldet keinen Aufschub!“, so Gaß weiter.

Auch die Krankenhäuser hätten die „Zeitenwende“ durch den Krieg in der Ukraine wahrgenommen und die daraus sich ergebenden Prioritäten. Auch die Jahrhundertherausforderung des Klimawandels verlange höchste Priorität in der Politik und in der Gesellschaft.

Das dürfe nicht dazu führen, dass noch größere Versorgungslücken entstehen, dass die soziale Infrastruktur und die Daseinsvorsorge erodieren. „Wir haben große Sorge, dass wir Regionen nicht mehr so versorgen können, wie die Menschen sich das wünschen und auch erwarten können in einem Land wie Deutschland. Wir riskieren sonst, dass unsere Demokratie großen Schaden nimmt.“

Lauterbach: Krankenhäuser „entfesseln“

Auf die drei großen Fragen der Krankenhäuser antwortete der Bundesgesundheitsminister in seiner Begrüßungsrede mit dem Hinweis auf ein Dreieck von Defiziten und Mehrausgaben, gedeckelten Sozialbeiträgen und der Schuldenbremse, das die Möglichkeiten politischen Handelns begrenze.
Aber: „Die Krankenhausreform wird ein Schwerpunkt dieser Legislaturperiode sein“, versprach Karl Lauterbach. Der Minister, der bereits viele Krankenhausreformen begleitet und mitgestaltet hat, bezeichnete sich als „Veteran der Krankenhauspolitik“.
Lauterbach verteidigte die Expertenkommission gegen die Kritik mangelnder Präsenz der Praxis: „Die Mitglieder sind keine Wissenschaftler als bloße Theoretiker, die die Praxis nicht kennen. In der Kommission sind gestandene Experten, die gleichzeitig aktiv sind in den Kliniken.“
Wissenschaftler gegen Praktiker – mit der Betonung dieses Gegensatzes werde ein Pseudokonflikt heraufbeschworen, den es in der Realität gar nicht gebe, so Lauterbach. Auch der Koordinator der Kommission, Prof. Bschor, sei Praktiker und blicke auf 30 Jahre Berufserfahrung, 15 Jahre als leitender Arzt. Auch eine Nachbesetzung schloss der Minister nicht aus.
Über Vorschläge der Krankenhäuser und anderer Partner der Selbstverwaltung habe er lange nachgedacht, beteuerte Lauterbach. Er halte jedoch daran fest, zunächst Experten ein Konzept entwickeln zu lassen und dann die Selbstverwaltung zu hören, bevor es an die Umsetzung gehe gemeinsam mit Bund und Ländern.
Karl Lauterbach lobte einmal mehr die Krankenhäuser für Ihren Beitrag zur Bewältigung der großen Krisen der Gegenwart: „Sie hatten einen wesentlichen Anteil daran, dass wir gut durch die Pandemie gekommen sind.“ Das gelte auch für Krankenhäuser, die nicht unmittelbar an der Versorgung der Covid- Patienten beteiligt waren, betonte der Minister.
Die Krankenhäuser hätten auch eine zentrale Bedeutung bei der Versorgung der Menschen aus der Ukraine. Derzeit würden 200 Schwerstverletzte in deutschen Kliniken versorgt.
Er sehe die von Dr. Gerald Gaß zuvor beschriebenen Probleme der Krankenhäuser: finanzielle Unterdeckung durch Inflation und Preissteigerungen, sinkende Nachfrage nach planbaren Leistungen in der stationären Versorgung als Folge der Coronapandemie, sinkende Einnahmen. „Gleichzeitig bewegen wir uns in der Koalition in allen Bereichen in einem Dreieck. Wir haben Defizite und Mehrausgaben in vielen Bereichen, nicht zuletzt etwa das strukturelle Defizit der GKV“, so Lauterbach. Zudem dürften die Sozialbeiträge nicht über 40 % steigen. Derzeit beträgt der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz 39,95%. Als dritten limitierenden Schenkel des Dreiecks nannte Lauterbach die Schuldenbremse. „Jeder Vorschlag muss innerhalb dieses Dreiecks diskutiert werden. Gehen wir über die 40 % Sozialbeiträge hinaus? Lassen wir die Schuldenbremse hinter uns, oder sparen wir an anderer Stelle?“
Er erkenne die Ansprüche der Kliniken, könne aber das Dreieck nicht allein aushebeln. Vor allem aber müssten die Länder Ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen: „Bei den Investitionen sind die Länder in der Pflicht. Sie wollen ja auch auf die Planungshoheit nicht verzichten. Aber dass wir im Bund die Investitionsfinanzierung übernehmen, ohne zusätzliche Rechte bei der Krankenhausplanung zu gewinnen, kommt nicht in Frage“, stellte der Bundesgesundheitsminister klar.
„Wir werden über Hybrid-DRGs, über Weiterentwicklung des DRG-Systems, über Vorhaltepauschalen und auch über Investitionskosten und Krankenhausplanung nachdenken“, versprach Lauterbach: „Ich bin überzeugt, dass wir gemeinsam gute Lösungen entwickeln.“
Krankenhäuser seien eine zu wenig genutzte Ressource innerhalb des Gesundheitswesens, sagte der Minister. Es gelte, die Krankenhäuser zu „entfesseln“ und ihnen mehr Möglichkeiten für die ambulante Versorgung einzuräumen.

Katrin Rüter