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„Die Zeit ist reif für eine grundlegende Krankenhausreform“


45. Deutscher Krankenhaustag eröffnet

Eine große Reform der Krankenhausfinanzierung kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in seiner Rede im Rahmen der Eröffnung des 45. Deutschen Krankenhaustages an. Noch im November werde die Regierungskommission einen Vorschlag für eine große Krankenhaus-Finanzierungsreform vorlegen. „Das DRG-System als Vollansatz des Finanzierungssystems werden wir abschaffen. Die Zeit ist reif für eine grundlegende Krankenhausreform“, sagte der Minister.

Die Basisfinanzierung der Kliniken werde „auf einen neuen Sockel gestellt“. Dabei sollen Vorhalteleistungen eine wesentlich größere Bedeutung bekommen. Der Anreiz, möglichst hohe Fallzahlen zu erreichen, soll verringert werden. Es gelte, die Kliniken aus dem „Hamsterrad der Fehlanreize“ zu befreien, die Entbürokratisierung voranzutreiben und die Behandlungsqualität zu verbessern.

Auch die Spezialisierung einzelner Fachrichtungen soll besser honoriert werden. Als Beispiel nannte Lauterbach spezialisierte Krebszentren. In der Krankenhausplanung müssten bundesweit Leistungskomplexe zum wichtigen Faktor erhoben werden. Abteilungen als Maßstab der Krankenhausplanung seien nicht mehr zeitgemäß.

Reformpolitik – quo vadis?

Der 45. Deutsche Krankenhaustag 2022 steht unter dem Generalthema „Reformpolitik quo vadis – was wird aus dem Koalitionsvertrag?“ Die Erwartungen an den Gesundheitsminister und seine Rede waren hoch.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, kritisierte in seiner Zwischenbilanz zum Koalitionsvertrag einmal mehr die fehlende Einbeziehung der Kliniken bei der Entwicklung einer Krankenhausstrukturreform scharf: „Der Koalitionsvertrag hat uns große Hoffnung gemacht. Nun müssen wir aber erleben, dass eine Regierungskommission hinter verschlossenen Türen Konzeptvorschläge erarbeitet, ohne die Kliniken, die Partner der Selbstverwaltung und die Bundesländer einzubeziehen, die diese Reform umsetzen müssen.“

Lauterbach verteidigte die Entwicklung von Vorschlägen durch die Regierungskommission im ersten Schritt, danach würden Verbände einbezogen, dann die Länder, bevor ein Gesetzesvorschlag entstehe. Er wolle das „Durcheinander, das entsteht, wenn alle wie auf einem Basar verhandeln, vermeiden“, so der Minister. Es gehe bei der anstehenden Reform nicht darum, das Gesundheitssystem billiger zu machen“, so der Minister.

Multiple Krisen, drohende Insolvenzen

„Die Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer multiplen Krisenlage, die tagtäglich bewältigt werden muss. Es wird darum gehen, wie trotz Energiekrise, Teuerung und Personalknappheit die Versorgung der Patientinnen und Patienten möglichst flächendeckend gewährleistet werden kann. Dass die Politik – wenn auch sehr spät - entschieden hat, die Krankenhäuser mit einem 8 Mrd. € starken Hilfspaket zu unterstützen, führt dazu, dass drohende Insolvenzen wegen der galoppierenden Inflation gebannt werden. Wir bauen alle darauf, dass sie ihr Versprechen, kein Krankenhaus soll aus Gründen der Inflation und der Energiekostenteuerung schließen muss, einhalten wird, denn hier geht es um den Erhalt einer Infrastruktur, die für die Bürger mit zu den wichtigsten gehört“, erklärte Dr. Josef Düllings, Kongresspräsident des 45. Deutschen Krankenhaustags, bei der Eröffnungspressekonferenz in Düsseldorf. Der VKD-Präsident begrüßte das Vorhaben der Bundesregierung einer finanziellen Unterstützung für die Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe. „Sie muss angesichts der Situation in diesem wichtigen Bereich zügig erfolgen. Hier wurden bereits zu viele Lücken gerissen. Inzwischen ist man in Berlin aber offenbar von der Höhe der zugesagten Finanzhilfe schon wieder abgerückt. Sicherheit vermittelt so ein Prozedere leider nicht. Inzwischen werden weiter Geburtshilfen geschlossen“, warnte Düllings.

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), machte deutlich, dass weitreichende und grundsätzliche Reformen im Krankenhausbereich und darüber hinaus notwendig seien. „Diese Reformen müssen aber, wenn sie am Ende auch erfolgreich in der Umsetzung sein sollen, einem Leitbild folgen, wie die Patientenversorgung in Zukunft ausgestaltet sein soll. Das muss am Anfang stehen und dazu braucht es einen Konsens zwischen den politisch verantwortlichen Ebenen also Bundesregierung und Bundesländer. Dann können Expertenkommissionen sich ans Werk machen, die richtigen Instrumente zu entwickeln, um dieses gemeinsame Leitbild zu erreichen“, so der DKG-Vorstandsvorsitzende. Darüber hinaus unterstrich Gaß, die Corona-Pandemie belaste weiterhin die Krankenhäuser. „Tagtäglich spüren die Krankenhäuser weiterhin teils massive Auswirkungen. Die Kliniken leiden vor allem unter starken Personalausfällen durch Isolation und Quarantäne. Und noch immer meiden zu viele Patientinnen und Patienten aus Ansteckungsangst die Krankenhäuser. Das hat nicht nur wirtschaftliche Folgen für die Kliniken, vor allem werden weiterhin viele Erkrankungen so nicht erkannt und behandelt“, so Gaß.

„No nurses, no Future“

Dr. Sabine Berninger, Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland (ADS) sowie des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), zeigte sich enttäuscht von der Bundespolitik. „Wir brauchen dringend einen Master-Plan für die Pflege, an dem wir gemeinsam arbeiten können“, forderte die Pflegedirektorin des KJF Klinik Josefinum. Gleichzeitig kritisierte Berninger, dass die Pflegeverbände nicht in die Gestaltung des Corona-Pflegebonus einbezogen wurden. „Wären das passiert, dann wäre vielleicht eine Bonuszahlung gekommen, die nicht für Unruhe sorgt und ein großes Ungerechtigkeitsempfinden in der Pflege auslöst“, so Berninger. Lediglich die Steuerfreiheit des Pflegebonus bis 3 000 € sei positiv hervorzuheben. Zudem forderte sie die kurzfristige Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangsinstrument. „Was aber gerade im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz geregelt werden soll, ist keineswegs die PPR 2.0 wie sie von DPR, DKG und ver.di entwickelt wurde. Deshalb sei es dringend notwendig, die PPR 2.0 im Sinne ihrer Entwickler und mit ambitionierten Zielsetzungen des Personalaufbaus verbindlich einzuführen. „No nurses, no Future“, mahnte Berninger mit Bezug auf die Inschrift auf einem Florence-Nightingale-Denkmal in London.

„Bürokratieabbau zwingend notwendig“

Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK), verdeutlichte, dass die weiter bestehende Pandemie, Inflation und Energiekosten einen immensen finanziellen Druck auf die Kliniken bewirken. „Personalmangel- und ausfälle führen zu Überlastung und Engpässen trotz rückläufiger Patientenzahlen“,  so der VLK-Präsident. Gleichzeitig versucht die Regierungskommission das Rad in Sachen Krankenhausreform und Planung gerade neu zu erfinden. „Sie redet aber nicht mit den Ländern, die qua Gesetz zuständig sind und ohne die nichts gehen wird“, so Weber. Zudem werden die zahlreichen konstruktiven Vorschläge der Verbände einfach ignoriert. Viele Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflege seien auf dem Tisch. „Aber es schleicht sich die Furcht ein, es könnte zu Lasten der überforderten Ärzteschaft gehen. Ein zwingend notwendiger Bürokratieabbau würde viel Zeit zur besseren Patientenversorgung freisetzen“, machte der VLK-Präsident deutlich. Katrin Rüter