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Das HOPE-Austauschprogramm 2022


„Wir haben den Jackpot geknackt“, sagte meine britische Kollegin nach der ersten Woche unseres Austauschprogramms der European Hospital and Healthcare Federation (HOPE). Die Clínic Barcelona, eine große Universitätsklinik im Herzen der Hauptstadt Kataloniens, war der ideale Ort, um das spanische Gesundheitssystem kennenzulernen. Interessante Medizin, hervorragende Betreuung, inspirierende mehrsprachige Diskussionsrunden, traumhafte Stadt. Nach einer weiteren Woche in Barcelona sollte es für uns zwei Wochen nach Madrid an das Hospital Universitario de Fuenlabrada gehen. Sehr gute Aussichten! Die Teilnahme am HOPE-Austauschprogramm lohnt sich.

European Hospital and Healthcare Federation (HOPE)

HOPE vertritt 36 Gesundheitsorganisationen aus 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), dem Vereinigten Königreich, der Schweiz und der Republik Serbien. Die Non-Profit-Organisation wurde im Jahre 1966 gegründet. Die Mission von HOPE ist die Verbesserung der Gesundheit der EU-Bürger. HOPE unterstützt die EU bei der Gesetzgebung und in Projekten. Darüber hinaus erstellt HOPE vergleichende Informationen über die Organisation und Finanzierung europäischer Gesundheitssysteme. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) koordiniert als Mitglied von HOPE die Beteiligung deutscher Gesundheitseinrichtungen. 

Eines der wichtigsten Ziele von HOPE ist der Wissens- und Erfahrungsaustausch im europäischen Gesundheitswesen. HOPE hat dafür im Jahre 1981 ein Austauschprogramm für Gesundheitsfachkräfte eingerichtet. Dies soll das Verständnis der Funktionsweise von Gesundheits- und Krankenhaussystemen in der EU und den Nachbarländern fördern. Besonders wichtig ist der Austausch von Best-Practice-Beispielen. Das Motto des diesjährigen HOPE-Austauschprogramms lautete: „Using Evidence in Healthcare Management“.

Die Teilnahme am HOPE-Austauschprogramm erfordert eine intensive Vorbereitung. Dazu zählen Literaturrecherchen und Vorträge. Das Programm dauert vier Wochen. In dieser Zeit besuchen die Teilnehmer Krankenhäuser des Gastlandes. DasEnde des Programms bildet die Ergebniskonferenz HOPE Agora.

Um am HOPE-Austauschprogramm teilnehmen zu können, muss ein geregeltes Bewerbungsverfahren bei der DKG durchlaufen werden. Neben beruflichen werden auch sprachliche Qualifikationen gefordert. Die DKG informiert alle deutschen Teilnehmer im Voraus sehr gut über den Ablauf des HOPE-Austauschprogramms und die nationalen Gesundheitssysteme des Gastlandes. Es gibt außerdem Informationsveranstaltungen mit den Koordinatoren der Gastkrankenhäuser. An diese stellt HOPE klare Anforderungen: Die Unterkunft wird von den Krankenhäusern gestellt. Transport und Lebenshaltungskosten übernehmen die Teilnehmer selbst. Die Geschäftssprache ist Englisch.

Kenntnisse der Landessprache werden bei den Teilnehmern vorausgesetzt. In den Krankenhäusern kümmern sich Koordinatoren um die Teilnehmer. Alle Teilnehmer erstellen für die Gastkrankenhäuser Präsentationen über ihren Arbeitsplatz und das heimische Gesundheitssystem. Nach Abschluss des Programms muss ein standardisierter Ergebnisbericht an HOPE geliefert werden.

HOPE-Austauschprogramm 2022 in Spanien Die Präsenzphase des HOPE-Austauschprogramms wurde auf den Zeitraum vom 9. Mai 2022 bis zum 6. Juni 2022 festgelegt. Ich hatte die Gelegenheit, zusammen mit einer britischen Kollegin, für jeweils zwei Wochen Kliniken in Barcelona und Fuenlabrada (Madrid) zu besuchen, um die Kliniken und das spanische Gesundheitssystem kennenzulernen. Darüber hinaus sollten wir im Austausch mit Kollegen und Kolleginnen auf der

abschließenden HOPE Agora einen Einblick in die Gesundheitssysteme anderer Länder der EU bekommen. Es sollten, neben Kontextwissen über die EU-Gesundheitssysteme, vor allem Best-Practice-Beispiele gesammelt werden, die für die Implementierung in der eigenen Klinik geeignet sind. Insgesamt waren in Spanien sieben junge Ärzte und Ärztinnen aus fünf Ländern am Programm beteiligt. Diese waren in sieben Krankenhäusern und sechs Regionen Spaniens aktiv.

Die Programme der Gastkrankenhäuser waren ganztägig angelegt. In beiden Kliniken konnten wir uns einen hervorragenden Überblick über die Krankenhausorganisation und die regionale Gesundheitsversorgung verschaffen. Die Clínic Barcelona (CB) ist Teil der integrierten Gesundheitsversorgung Barcelona Esquerra (Ais-Be). Diese besteht aus zwei Akutkrankenhäusern, einem Kinderkrankenhaus, 15 Primärversorgungszentren, vier Pflegeheimen, fünf psychiatrischen Einrichtungen (Gesundheits- und Suchtzentren). Die CB hat einen dualen Auftrag. Sie fungiert als kommunales und tertiäres Krankenhaus, das ein Umfeld von 540 000 Menschen versorgt. Die CB ist genauso ein öffentliches Universitätsklinikum, das sich der Gesundheitsversorgung, Forschung und Lehre verschrieben hat.Es strebt in allen diesen Bereichen Exzellenz an. Das Krankenhaus hat, wie Spanien insgesamt, einen hohen Digitalisierungsgrad.

Das Hospital Universitario de Fuenlabrada (HUF) versorgt mit anderen Kliniken die Region Madrid mit einer Gesamtbevölkerung von 6 736 407 Einwohnern. Bevölkerungsdichte: 839 Einwohner pro Quadratkilometer. Das HUF hat wie die CB einen dualen Auftrag. Es fungiert als öffentliches und als universitäres Lehrkrankenhaus für Studierende der Medizin und Pflege. Das HUF ist ein hochdigitalisiertes Krankenhaus, das neben der Krankenversorgung klinische Studien und wissenschaftliche Projekte durchführt.

Wichtige Erfahrungen aus dem Austauschprogramm

Die Erfahrungen, die ich in den beiden Kliniken machen konnte, waren sehr vielfältig. Einige davon möchte ich exemplarisch darstellen. Das spanische Gesundheitssystem ist ein steuerfinanzierter „Nationaler Gesundheitsdienst“. Es unterscheidet sich wesentlich vom deutschen Sozialversicherungssystem. Der öffentliche Dienst in Spanien hat einen hohen Digitalisierungsgrad.

Dies gilt vor allem für die Krankenhäuser und Primärversorger des spanischen nationalen Gesundheitsdienstes. Die Telemedizin hat einen sehr hohen Stellenwert. Sie verbessert die medizinische Versorgung und entlastet die Krankenhäuser. Die Gesundheitsversorgung findet sehr ganzheitlich statt, weil ambulante und stationäre Patientenversorgung sehr gut verknüpft sind. Dabei hat die Primärversorgung der Bevölkerung in Spanien eine sehr große Bedeutung. In allen spanischen Kliniken, die am HOPE-Austauschprogramm 2022 beteiligt waren, standen die Patienten- und Familienorientierung im Vordergrund.

Der Besuch der CB brachte eine ganze Reihe interessanter Erkenntnisse. Innovation spielt eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der CB. Eine eigene Entwicklungsabteilung erarbeitet Prototypen und Patente. Im Forschungssektor wird dies durch selbständige Health Technology Assessments (HTAs) erreicht. Die Unternehmenskommunikation versorgt die Patienten mit seiner Portal Clínic mit hochwertigen Gesundheitsinformationen. Das OP-Management wird mit dem Softwaretool Estimtrack unterstützt. Dies erlaubt eine Prozesssteuerung in Echtzeit und versorgt gleichzeitig Angehörige über mobile Endgeräte mit Informationen über den Prozessstatus (OP, Aufwachraum, Station etc.). Die Heimhospitalisierung hat vor allem während der SARS-CoV-2-Pandemie dafür gesorgt, dass über 500 Patienten in ihrem Zuhause und über 500 Patienten im Hotel behandelt werden konnten. Das Thema „Patient Experience“ wird in der CB sehr intensiv beforscht. Die Grundlage für die Arbeit bildet das PIEEX-Modell. Für die Arbeit mit Fokusgruppen und die patientenorientierte Technologieentwicklung wurde ein sogenanntes Living Lab eingerichtet. Dort werden Versorgungsprozesse, Geräte und andere Produkte getestet.

Das Kinderkrankenhaus Sant Joan de Déu (SJD) arbeitet eng mit der CB zusammen. Das SJD ist ein hervorragendes Beispiel für Patienten- und Familienorientierung. Im SJD muss das Projekt CORTEX hervorgehoben werden, dass die Entscheidungsfindung mit Echtzeitdaten möglich macht. Das Projekt verarbeitet Informationen, die vom Krankenhaus, von den Patienten, Familien und ihrem Umfeld generiert werden. Die Integration mehrerer Datenquellen verbessert die Entscheidungsqualität.

Der CORTEX besteht aus drei Teilen, die räumlich eng zusammenliegen. Im Command Center werden Kennzahlen, Scores und Indikatoren erhoben. Im Contact Center erden diese Informationen genutzt, um Patienten und Angehörigen zuverlässig Auskunft zu geben. Im Bereich eCare werden neue Wege der medizinischen Versorgung erprobt, die keine physische Anwesenheit der Patienten in der Klinik erfordern (Telemedizin). Hier arbeitet das SJD eng mit der Firma Teladoc zusammen. Darüber hinaus werden Verfahren der zentralen Überwachung von Patienten getestet. Beispielsweise wird der Early Warning Score erfasst und zentral überwacht. So können klinische Veränderungen bei den Patienten sehr schnell erkannt werden.

Das Projekt CORTEX hat, wie interne Datenerhebungen zeigen, die Liegezeiten im SJD verkürzt und die operativen Kosten gesenkt. Das HUF zeichnet sich durch eine großzügige und durchdachte Architektur aus. Dies fördert eine effiziente Prozessorganisation.

Ein Direktor für Versorgungskontinuität koordiniert, als Teil des Vorstands, den gesamten Prozess der Krankenversorgung (ambulant und stationär). Das Qualitätsmanagement setzt sehr auf Zertifizierungen und Akkreditierungen. Das HUF ist nach Standards der European Foundation of Quality Management(EFQM) zertifiziert. Es hat in diesem Jahr die Stufe „Recognized for Excellence: **** > 400 Punkte“ erreicht. Die hervorragende Informationstechnologie sichert eine zuverlässige Kommunikation zwischen Patienten, Primärversorgern und Krankenhaus.

Ergebniskonferenz HOPE Agora

Auf der Konferenz sind alle Teilnehmer des HOPE-Austauschprogramms vertreten. Dazu kommen Gastgeber und Experten der HOPE-Mitglieder. Die 77 Teilnehmer des Programms kamen aus 22 Ländern und besuchten insgesamt 17 europäische Länder.

In den vergangenen Jahren war die Zahl der Teilnehmer deutlich höher (zwischen 130 und 150). Dies gilt auch für die Anzahl der Herkunftsländer (27) und die der besuchten Länder (25). Die Unterschiede werden auf die Folgen der SARS-CoV-2-Pandemie zurückgeführt. Diese hatte zum vorübergehenden Pausieren des Programms geführt. Die meisten Teilnehmer kamen aus Österreich (9), Portugal (9) und Großbritannien (8). Deutschland stellte drei Teilnehmer, die in Irland (1) und Spanien (2) Erfahrungen sammeln konnten. Deutschland war als Gastgeber mit zwei Kliniken vertreten: die Marienhaus GmbH Mainz und die St. Elisabeth Gruppe (Katholische Klinken Rhein Ruhr Herne). Die Teilnehmer präsentierten gemeinsam für ihr Gastland die Ergebnisse. Alle Präsentationen können auf der HOPE-Webseite eingesehen werden. Hilfreiche Informationen über die Veranstaltung sind auch auf Twitter zu finden. Das Team Spanien präsentierte drei Projekte. Als Auswahlkriterien dienten: Evidenz, Innovation, Implementierung, Wirksamkeit.

Die Projekte wurden in einem strukturierten Entscheidungsprozess von allen Teammitgliedern ausgewählt. Dieser beinhaltete ein unabhängiges Scoring der insgesamt 15 vorgeschlagenen Projekte, Bildung einer Rangliste und der Auswahl in einer Abschlussbesprechung. Diese Methode der Entscheidungsfindung hat sich als sehr einfach und wirksam herausgestellt. Es wurden drei Projekte von der Gruppe ausgewählt. Projekt 1: CORTEX: Entscheidungsfindung mit Echtzeitdaten. Projekt 2: Virtuelles Schlafapnoe-Labor. Projekt 3: Augenuntersuchung durch Smartphone-Technologie.

Fazit

Das HOPE-Austauschprogramm trägt dazu bei, die Idee der Europäischen Union als eine Staatengemeinschaft mit gemeinsamen Werten zu fördern. Dabei verbessert das Programm in erster Linie den Wissensaustausch zwischen Gesundheitseinrichtungen der EU. Die Teilnehmer des Programms können die neuen Erfahrungen zur kritischen Reflexion der eigenen Arbeit nutzen. Dies geschieht vor allem durch den Transfer von Best-Practice-Beispielen. Das Format der Ergebniskonferenz HOPE Agora unterstützt den Wissensaustausch dabei in idealer Weise.

Das Programm ist sowohl für die teilnehmenden Personen als auch für die Gastkrankenhäuser sehr gewinnbringend. Best-Practice-Beispiele können sowohl von den Teilnehmern als auch von den Gastkrankenhäusern für eigene Verbesserungsprojekte genutzt werden. Die Vorbereitung auf eine derartige Veranstaltung ist auch immer eine Bestandsaufnahme der eigenen Leistungen und Prozesse.

Hinzu kommt, dass die Geschäftssprache im HOPE-Austauschprogramm Englisch ist. Bei der Übersetzung der Präsentationen ins Englische müssen Inhalte überprüft, aktualisiert und „neu gedacht“ werden. Dies fördert ebenfalls den fortlaufenden Verbesserungsprozess.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) möchte im kommenden Jahr als Gastkrankenhaus am HOPE-Austauschprogramm teilnehmen. Der Wissenstransfer innerhalb des Programms kann den fortlaufenden Verbesserungsprozess am UKE wirksam unterstützen. Die Ergebnispräsentation auf der HOPE Agora soll die internationale Sichtbarkeit des UKE im Managementbereich verbessern. Nicht zuletzt will das UKE mit seiner Teilnahme natürlich auch die Idee der EU als eine europäische

Staatengemeinschaft mit gemeinsamen Zielen und

Werten fördern.

Anschrift des Verfassers

Dr. med. Hans-Jürgen Bartz, MBA, Leitung GB QM und klinisches Prozessmanagement,  Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

Literatur

1             HOPE. Hope Hospital Healthcare Europe.  Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

2             HOPE. HOPE (@euhospitals) / Twitter. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

3             DKG. Hope-Austauschprogramm | (dkgev.de). Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

4             Clínic Barcelona. Driven by your health. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

5             Clínic Barcelona. Integrated Health Care Barcelona Esquerra (Ais-Be). pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27616964/. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

6             Europäische Kommission. The Digital Economy and Society Index (DESI) | Shaping Europe’s digital future (europa.eu). Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

7             Hospital Universitario de Fuenlabrada. Hospital Universitario de Fuenlabrada (comunidad.madrid). Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

8             Busse et al. (2017) Statutory health insurance in Germany: a health system shaped by 135 years of solidarity, self-governance, and competition. The Lancet. 390:882-897.

9             Europäische Kommisson. Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

10          Deutschlandfunk. Spanien - Ein Vorreiter der Digitalisierung. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

11          Estimtrack. Gestión de flujo de pacientes dentro del Bloque Quirúrgico. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

12          Sant Joan de Déu. SJD Barcelona Children's Hospital for maternal and child health. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

13          Teladoc. Virtual Care & Telehealth Solutions. Zuletzt eingesehen am 09.08.2022.

14          Kahneman D (2019) A Structured Approach to Strategic Decisions (mit.edu). Zuletzt eingesehen 09.08.2022.