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Bundestag beschließt Krankenhauspflegeentlastungsgesetz: PPR 2.0, Unterstützung für Geburtshilfe, Pädiatrie und Hebammen


Foto: Deutscher Bundestag/Arndt Oehmichen

Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 2022 in zweiter und dritter Lesung das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) verabschiedet. Mit dem Gesetz wird ein Instrument zur Personalbedarfsbemessung für alle bundesdeutschen Krankenhäuser schrittweise bis 2025 eingeführt, das im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege entwickelt wurde. Damit sollen Pflegekräfte im Krankenhaus deutlich entlastet werden. Auch sind Maßnahmen und Fristen zu den Budgetverhandlungen von Krankenhäusern sowie weitreichende Änderungen zur Krankenhausfinanzierung im Gesetz enthalten.

Die Einführung der PPR 2.0 in drei Stufen

Am 1. Januar 2023 startet die Erprobungsphase des an PPR 2.0 orientierten Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrumentes für die Pflege im Krankenhaus mit einer Testphase in einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern. Auf dieser Basis werden in einer Rechtsverordnung den Krankenhäusern Vorgaben für die Personalbemessung gemacht. Ab 2025 wird die Personalbemessung dann scharf gestellt und sanktioniert.

Neue Frist für solide Vorbereitung von Budgetverhandlungen

Die Fristen für die Einreichung der Budgetunterlagen – insbesondere für die Altjahre bis 2021 – würden auf den letzten Metern der parlamentarischen Beratungen verlängert. Ursprünglich war sie für die Jahre bis 2021 bis sechs Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen. Die neue Frist wird nun für die Haushaltsjahre bis 2021 auf den 31. Oktober 2023 verlängert. Damit wird den Krankenhäusern Luft verschafft, die komplexen Verhandlungen mit den Krankenkassen solide vorzubereiten.

Nach einer ganzen Reihe von Anpassungen, wie sie auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) gefordert wurden, könnten in den kommenden Jahren eine positive Entwicklung in der Pflege eingeleitet werden, heißt es in einer Stellungnahme der DKG. Dennoch blieben zentrale Kritikpunkte. So dürfe es keinesfalls eine Pflege nach Kassenlage geben. Pflege kann sich nur nach dem Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten richten. Das Vetorecht des Finanzministers konterkariert die Zielsetzung und das politische Versprechen, dass mit den Pflegebudgets verbunden war, nämlich die vollständige Refinanzierung der Pflege am Bett. „Keine Bundesregierung wird es sich zukünftig leisten können einen objektiv gemessenen Personalbedarf in der Pflege zu ignorieren“, erklärt Dr. Gerald Gaß, der Vorstandsvorsitzende der DKG.

Ausdrücklich positiv bewertet die DKG die Entscheidung des Bundesgesundheitsministeriums, den Pflegeentgeltwert ab dem 1. Januar 2023 auf 230 Euro anzuheben und damit eine angemessene Refinanzierung der Pflegepersonalkosten für die Krankenhäuser bereitzustellen, die noch kein vereinbartes Pflegebudget haben. „Die Kliniken mussten bisher Pflegepersonalkosten in Milliardenhöhe vorfinanzieren, das wird nun endlich sachgerecht korrigiert“, betont Dr. Gaß zu dieser Änderung im Gesetz.

Krankenhaustagesbehandlung und spezielle sektorengleiche Vergütung

Um Krankenhauspersonal stärker zu entlasten und Patienten, die dies wollen, die Übernachtung in vertrauter Umgebung zu ermöglichen, wird daher eine Krankenhaustagesbehandlung eingeführt. Die Entscheidung hierüber treffen Ärzte und Patienten im gegenseitigen Einvernehmen. Um diese Ziele zu erreichen, sollen die Dokumentationsanforderungen bei der tagesstationären Behandlung auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt werden.

Um nicht notwendige Übernachtungen im Krankenhaus zu vermeiden, wird für bestimmte Behandlungen eine sektorengleiche Vergütung eingeführt. Diese Vergütung liegt zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG). Bis zum 31. März 2023 sollen Krankenkassen und Krankenhäuser gemeinsam einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen sowie eine entsprechende Vergütung festlegen.

Förderung für Geburtshilfe und Pädiatrie

Um Geburtshilfeabteilungen in Krankenhäusern zu unterstützen, erhalten die Bundesländer zusätzliche finanzielle Mittel nach Königsteiner Schlüssel. Bei der Festlegung der konkreten Höhe je Krankenhausstandort sind die Vorhaltung einer Fachabteilung für Pädiatrie, einer Fachabteilung für Neonatologie ein bestimmter Anteil vaginaler Geburten, die Geburtenzahl sowie die Möglichkeit der Durchführung des berufspraktischen Teils des Hebammenstudiums zu berücksichtigen. Damit soll eine flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfestandorten aufrechterhalten werden. Hierfür stehen für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 120 Mio. € zur Verfügung.

Für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird das vor der Pandemie im Jahr 2019 erbrachte Erlösvolumen weitgehend unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen garantiert. Zur Vermeidung von Fehlanreizen muss aber ein Krankenhaus Abschläge hinnehmen, wenn es für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen weniger als 80 Prozent des Erlösvolumens von 2019 erzielt. Das Erlösvolumen von 2019 wird zudem bis in die Gegenwart fortgeschrieben und jeweils für das Jahr 2023 und 2024 zusätzlich um 300 Mio. € aufgestockt - insgesamt also um 600 Mio. Euro. Durch die Garantie des Erlösvolumens wird erreicht, dass die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gegenüber der leistungsorientierten Logik des Fallpauschalensystems abgesichert ist. Besondere Einrichtungen können für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen einen Zuschlag abrechnen. Die Mittel sind zweckgebunden für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen.

Zur Finanzierung der zusätzlichen Mittel für die Geburtshilfe und die Pädiatrie werden für die Jahre 2023 und 2024 jeweils rund 380 Mio. € aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen. Darüber hinaus beteiligt sich u.a. auch die Private Krankenversicherung an der Finanzierung.

Sichere Hebammenversorgung

Ab dem Jahr 2025 werden die Personalkosten von Hebammen vollständig im Pflegebudget berücksichtigt. Damit werden die anfallenden Personalkosten von Hebammen für Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen vollständig refinanziert und die Beschäftigung von Hebammen in den Kreißsälen einer unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen gleichgestellt.

Weitere Regelungen

·              Die Budgetverhandlungen für Krankenhäuser werden beschleunigt. So werden Fristen für verschiedene Verfahrensschritte und ein automatisches Tätigwerden der Schiedsstelle vorgegeben.

·              Weiterentwickelt werden auch die Strukturprüfung bei Krankenhäusern durch die Medizinischen Dienste, das Verfahren zur Übermittlung von Daten der Krankenhäuser an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) sowie das Antragsverfahren für den Krankenhauszukunftsfonds.

·              Die Liquiditätssituation der Krankenhäuser wird verbessert, indem der vorläufige Pflegeentgeltwert angehoben wird.

·              Telemedizinische Leistungen werden gefördert, indem Entgelte für eine sachgerechte Vergütung vereinbart werden.

·              Das Hygieneförderprogramm wird als Infektiologieförderprogramm weitergeführt und um drei Jahre verlängert, sodass die personelle Ausstattung in der Infektiologie finanziell unterstützt wird.

·              Es wird gewährleistet, dass die Kosten von Ausbildungen in der Pflegehilfe und -assistenz am Krankenhaus rechtssicher finanziert werden.

Digitale Gesundheitsversorgung

Das Gesetz enthält zudem Regelungen zur Verbesserung der digitalen Anwendungen im Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Dabei geht es insbesondere darum, die Nutzerfreundlichkeit zu stärken und die Verbreitung zu erhöhen. So werden Verordnungsdaten im Versorgungsprozess nutzbar gemacht oder einfache Identifizierungsverfahren in den Apotheken ermöglicht. Zugleich werden Hürden abgebaut, die derzeit aufgrund von Beschränkungen durch Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme im Rahmen der Telematikinfrastruktur bestehen.

Gesetzgeberische Schnellschüsse

Die Regelungen, die das KHPflEG neben der Pflegepersonalbemessung trifft, nennt die DKG „ein Sammelwerk gesetzgeberischer Schnellschüsse“.

Hektisch wird in dem Gesetz nun versucht, Einzelaspekte des Koalitionsvertrages umzusetzen, die vernünftigerweise im großen Finanzierungsreformvorhaben integriert sein sollten. „Die Einführung von Hybrid-DRGs und tagesklinischer Behandlung sind echte Paradigmenwechsel. Es bleibt abzuwarten, ob diese Reformstücke am Ende zum großen Ganzen passen, was aus der Regierungskommission angekündigt wurde“, erklärt Gaß.

Die Stärkung von Pädiatrie und Geburtshilfe ist auf jeden Fall richtig. Problematisch ist aber, dass die vorgesehenen 400 Mio. €, die die Krankenhäuser zusätzlich bekommen sollen, den Kliniken an anderer Stelle schon längst weggenommen wurden. „Wir bezahlen also diese Verbesserung selber, denn 425 Mio. € hat uns das BMG per Rechtsverordnung über den DRG-Katalog gestrichen“, so Gaß.

Im Gesetz verstecke sich nicht zuletzt eine extreme Belastung für die Krankenhäuser. Scheinbar geht es nur um eine technische Veränderung, wenn im Krankenhausentgeltgesetz eine mögliche Berücksichtigung von Leistungsrückgang im Landesbasisfallwert aufgehoben wird. Aber hinter dieser scheinbar harmlosen Veränderung steckt eine immense, finanzielle Wucht für die Kliniken. „Gerade jetzt wo die Krankenhäuser mit sinkenden Erlösen und extrem steigenden Kosten zu kämpfen haben, streicht der Bundesgesundheitsminister die letzte Möglichkeit, die verbleibenden Fixkosten bei deutlichem Leistungsrückgang über den Landesbasisfallwert zu refinanzieren. Sehenden Auges werden hier Krankenhäuser in wirtschaftliche Nöte geschickt. Mit dieser faktischen Budgetkürzung wird die Versorgungssicherheit der Bevölkerung weiter gefährdet. Am Ende muss die Politik dann wieder mit Hilfspaketen, oder vielleicht sogar Insolvenzgeldern einspringen“, sagt der DKG-Vorstandsvorsitzende.

Für den Deutschen Evangelischen Krankenhausverband e.V. (DEKV) bleibt die Forderung des DEKV und der Diakonie Deutschland, dass bei einer bedarfsgerechten personellen Zusammensetzung des Pflegepersonals neben dem Pflegequalifikationsmix auch die weiteren Gesundheitsfachberufe für pflegerische Teilaufgaben regelhaft erfasst und berücksichtigt werden. „Denn alle professionell qualifizierten Hände und Köpfe der Gesundheitsfachberufe werden für die Wege raus aus dem akuten Fachkräftemangel heute, morgen und perspektivisch benötigt“, mahnt DEKV-Vorsitzender Christoph Radbruch.