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44. Deutscher Krankenhaustag


Foto: Messe Düsseldorf/Constanze Tillmann

Ambulante Potenziale der Krankenhäuser im Fokus

Am zweiten Kongresstag des 44. Deutschen Krankenhaustages stand beim Forum der DKT-Trägerverbände die Ambulantisierung im Mittelpunkt der Diskussionen. „Die Ambulantisierung der Medizin ist für uns in den Krankenhäusern ein Top-Thema der nächsten Jahre und wird wesentlicher Teil der Strukturveränderungen in der Gesundheitsversorgung sein. Es ist Fakt, dass diese Ambulantisierung künftig immer stärker am Krankenhaus stattfinden wird – und muss. Dafür spricht nicht nur der stetige Rückzug niedergelassener Ärzte aus den ländlichen Regionen und der Wunsch junger Ärzte, angestellt zu arbeiten.

Die bereits bestehenden Versorgungslücken werden noch größer werden, weil viele niedergelassene Ärzte in den kommenden Jahren das Rentenalter erreichen“, erklärte Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD).

Wesentlich sei aber auch, dass mit dem technischen und medizinischen Fortschritt mehr bisher stationär behandelte Patienten ambulant versorgt werden können. Dieses Potenzial ambulant möglicher Leistungen werde sich stetig vergrößern.

„Hier sehen wir uns auch nicht in Konkurrenz zu den Kassenärzten, die diese Leistungen mangels Kapazitäten, Kompetenzen und Infrastruktur nicht übernehmen können. Aufgabe der Politik ist es, den Krankenhäusern zu ermöglichen, dieses ambulante Potenzial tatsächlich auszuschöpfen. In Fachgebieten, in denen die Kassenärzte die Versorgung nicht mehr zeitnah sicherstellen können, muss auch eine Zulassung der Kliniken für diese Leistungen per Gesetz erfolgen“, betonte Düllings. Dazu gehöre auch eine entsprechende Finanzierung.

„Zu einer nachhaltigen, zukunftssicheren Gesundheitsversorgung gehört eine Stärkung der Krankenhäuser als Anker dieser Versorgung“, betonte Dr. Josef Düllings bereits am Tag der Eröffnung des Kongresses. Dafür brauche es ein „Zukunftskonzept Deutsches Krankenhaus“, das die Praktiker vor Ort unbedingt einbeziehen müsse, damit Gesetze und Regelungen nicht, wie so oft in der Vergangenheit, mit einem „Bürokratiebooster“, etwa mit unrealistischen Umsetzungsfristen und Sanktionen, einhergehen, so der VKD-Präsident. „Die ambulant-stationär integrierte Versorgung ist nur von den Krankenhäusern zu leisten. Der Gesetzgeber sollte daher die ambulante Behandlung am Krankenhaus in die Selbstverwaltungskompetenz der Kliniken überführen.“

Die Politik müsse den Krankenhäusern im Hinblick auf eine gesicherte Versorgung ermöglichen, dieses ambulante Potenzial tatsächlich auszuschöpfen. Eine gerechte Finanzierung hierfür gebe es bisher nicht. Stattdessen werde weiter auf das zersplitterte System aus Kassenärzten und Rettungsdiensten gesetzt Das sei das teuerste System, so Düllings: „Der für die Kassen preiswerteste und für die Patienten beste Weg ist der direkte Zugang zur Klinik.“

„So lange die Sicherstellung für die ambulanten Leistungen exklusiv bei den Kassenärzten bleibt, ist das Ambulantisierungspotenzial kaum zu heben“. Das aber sei nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Alterung auch der niedergelassenen Ärzte zwingend notwendig, um die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft zu sichern. 79 % der ambulant tätigen Ärzte seien bereits älter als 50 Jahre und würden in den kommenden 15 Jahren aus dem Beruf ausscheiden.

Michael Mruck, stellvertretender Leiter der Landesvertretung NRW des vdek, erläuterte die Sicht der Kassen auf die ärztliche Bedarfsplanung und die Krankenhausplanung. Beide böten wenig Steuerungswirkung und Eingriffsmöglichkeiten im Hinblick auf die sektorenübergreifende Versorgung. Ambulantisierung gebe es nur punktuell, habe kaum spürbare Versorgungseffekte.

Das Kernproblem sei, dass es bis heute keine schlüssige Methodik für eine gemeinsame Angebotsplanung gebe. Die Versorgungssektoren der niedergelassenen Ärzte auf der einen und der Krankenhäuser auf der anderen Seite seien rechtlich und ökonomisch abgeschottet und arbeiteten oftmals nicht im Rahmen einer strukturierten Versorgungskette miteinander, sondern nebeneinander her – zum Schaden der Patienten, so Mruck. Konzepte wie MVZ, ASV, AOP und Portalpraxen gehen in die richtige Richtung und würden von Krankenhäusern auch aktiv genutzt. Die wichtigen Struktur- und Finanzierungsfragen zur Ambulantisierung seien jedoch bisher allenfalls punktuell gelöst, konstatierte Mruck und gab abschließend zu bedenken: „Ambulantisierung bedeutet nicht automatisch vertragsärztliche Versorgung. Stellen sich Krankenhäuser politisch möglicherweise zu defensiv auf?“

Auch für Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands (VLK), geht Ambulantisierung „nur mit und an den Krankenhäusern. Und dies gerne im Schulterschluss mit den niedergelassenen Kollegen. Klar ist aber auch, dass wir Verlässlichkeit und damit Strukturvorgaben und Schweregradeinteilungen brauchen, die auch Bestand haben“, so Weber in der Session „§ 115b Ambulantes Operieren im Krankenhaus“.

Gleiches gelte für die Einschätzung der Ärzte vor und nach dem Eingriff und nicht bei einer Fallprüfung Wochen später. Sonst drohe eine erneute Prüfwelle des Medizinischen Dienstes. Die Vergütung für ambulantes Operieren müsse angepasst werden: Sie müsse den erbrachten Leistungen entsprechen und einen Anreiz bieten. Es zeichne sich jedoch noch kein konsentiertes Konzept unter den Selbstverwaltungspartnern ab. Im Gegenteil, so Weber: „Die Kassen verweigern sich, die Krankenhäuser einzubinden.“

Prof. Dr. Thomas Frieling macht zudem deutlich, dass die Gastroenterologen das Thema ebenfalls aktiv mitgestalten wollen. „Klar ist, dass Qualität gesichert sein muss und wir eine adäquate Vergütung zukünftig ambulant zu erbringender Leistungen im Krankenhaus benötigen“, so der Chefarzt an der Helios Klinik Krefeld und Vorsitzender der ALGK – Arbeitsgemeinschaft Leitender Gastroenterologischer Krankenhausärzte.

PPP-RL

Darüber hinaus stand die psychiatrische und psychosomatische Versorgung in Deutschland auf dem Kongressprogramm. Die bestehenden Rahmenbedingungen in Deutschland, insbesondere die „Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), die Fragmentierung der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung sowie die Komplexität des Vergütungssystems gefährden die am individuellen Patientenbedarf orientierte Versorgung psychisch erkrankter Menschen. Vor diesem Hintergrund diskutierten die Teilnehmer der Session „PPP-RL: Wie ist die Praxis? Wie geht es weiter?“ die Situation in der psychiatrischen und psychosomatischen Versorgung.

Wie geht es weiter? „Nur mit wesentlichem Personalzuwachs“, stellte Ramon Krüger klar, Leiter des Medizincontrolling des LVR-Klinikums Düsseldorf. 2021 sei bundesweit noch kein geeinigter Budgetabschluss bekannt, der den PPP-RL-Mehrbedarf umfänglich berücksichtige. Der systemische Umsetzungsstand sein unzureichend, eine Evaluation sowie eine systematische Datenerhebung stehe noch aus.

„Die kleinstteilige Überregulierung durch die PPP-RL muss beendet werden. Ihr stetig wachsende Bürokratieaufwand macht Berufe im psychiatrisch-klinischen Kontext unattraktiver“, sagt Reinhard Belling, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer und psychosomatischer Krankenhäuser in Deutschland (BAG Psychiatrie) sowie Geschäftsführer von Vitos. Auch Dr. Iris Hauth befürchtet einen Rückschritt zur Zentralisierung auf Kosten der gemeindeintegrierten psychiatrischen Versorgung. „Innovative medizinische Behandlungskonzepte werden durch den starren Stationsbezug der Richtlinie nicht abgebildet und behindert. Von der Psychiatriereform empfohlene, gut eingeführte Satellitenstationen in somatischen Krankenhäusern, besonders aber dezentrale Tageskliniken, werden durch die starren, kleinteiligen stationsbezogenen Nachweise in ihrer Existenz gefährdet“, so die Regionalgeschäftsführerin im Zentrum für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee. 

Qualität versus Mindestmengen

Am Nachmittag hinterfragte im Forum „Qualität versus Mindestmengen und Strukturprüfung“ Prof. Dr. Volker Schächinger, ob die Verknüpfung von Mindestmengen mit dem Begriff der Qualität tatsächlich plausibel ist. Dies sei nur vordergründig der Fall, konstatierte der Direktor der Medizinischen Klinik am Klinikum Fulda. Wegen mangelnder Trennschärfe seien Mindestmengen wissenschaftlich und methodisch fragwürdig. Er forderte: „Keine Festlegung hoher Zahlen bei nur wahrscheinlichem Zusammenhang. Mindestmengen sind auf die Vermeidung von Gelegenheitseingriffen zu beschränken – bei niedriger Schwelle.“ Sein Grundtenor ist, dass eine politisch gewollte Versorgungsstörung tatsächlich politisch gelöst werden muss. Eine politisch motivierte Zweckentfremdung der Qualitätssicherung lehnt Schächinger grundsätzlich ab: „Eine Erhöhung des wirtschaftlichen Drucks mit dem Etikettenschwindel ,Qualität‘ ist kontraproduktiv!“

Prof. Dr. Reimer Riessen, Leitender Oberarzt der Internistischen Intensivstation am Universitätsklinikum Tübingen, referierte zur Strukturprüfungsrichtlinie Intensivmedizin. Dabei ging es Riessen auch darum, zu erörtern, ob eine generelle Umwandlung von Rufbereitschaft für Bereitschaftsdienste möglich und sinnvoll ist. Personal ist nicht vorhanden, es würde zudem am nächsten Tag im Tagdienst fehlen. Für viele Ärztinnen und Ärzte sei ein solches Modell schlicht unattraktiv, was dazu führt, dass diese Ärzte sich andere Tätigkeitsfelder suchten. Für die Patientensicherheit, und das ist sicherlich die wichtigste Botschaft seines Vortrages, würde es, wenn überhaupt, nur einen minimalen Zusatznutzen geben. Abgerundet wurde die Session um die Qualitätssicherung durch den Chef des IQTIG, Prof. Dr. Claus-Dieter Heidecke, der die Qualitätssicherung der Zukunft thematisierte. Dabei nahm er Bezug auf bisherige Qualitätssicherungsmaßnahmen wie beispielsweise den PlanQI. Das vielfach kritisch betrachtete Instrument wird derzeit in den drei Bundesländern Hamburg, Hessen und Saarland vollumfänglich umgesetzt. Hingegen wird die unmittelbare Wirksamkeit in fünf Bundesländern durch eigene Gesetzgebung aufgehoben.

Nach zwei Verfahrensjahren zog Heidecke ein eher positives Resümee: Er sieht einen insgesamt positiven Trend mit Blick auf die Entwicklung statistischer Auffälligkeiten und Ergebnisse mit der Bewertung „unzureichend“. Statistische Auffälligkeiten seien in nahezu allen QI gesunken. Bei „unzureichender Qualität sei ein deutlicher Rückgang in fast allen QI zu verzeichnen, außer in der Mammachirurgie. Deutliche Mängel sieht der IQTIG-Chef bei der QS-Dokumentation: Die Zahl der statistisch auffälligen Ergebnisse im Erfassungsjahr 2017 und in 2018 musste stark herunterkorrigiert werden auf 37 % bzw. 46 %.

Der G-BA wolle die gesetzliche Grundlage ändern und habe sich in diesem Zusammenhang an das Bundesgesundheitsministerium gewandt, um planungsrelevante Qualitätsindikatoren in der Fläche zu bringen und das System breiter aufzustellen.

Im Rahmen einer Neukonzeption stünden dann Herausforderungen und Limitationen der PlanQI, etwa die Definition der Qualitätsbewertung „in erheblichem Maß unzureichende Qualität“, der Automatismus zur Herausnahme aus dem Krankenhausplan und der Rechtsbegriff „nicht nur vorübergehend“ zur Disposition. „Eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist erforderlich, damit eine sinnvolle Verknüpfung zwischen Qualitätssicherung und Krankenhausplanung ermöglicht wird“, so Heidecke.

Heidecke fokussierte in seinem Vortrag auf die Patientenzentrierung der Qualitätssicherung und die Messbarkeit von Qualität. Hier soll künftig auch die Perspektive der Patienten – etwa durch Befragungen – stärker Gewicht bekommen.