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Politik

Krankenhäuser in Not


„Dass sich in einem 500 Mrd. € umfassenden Bundeshaushalt keine 10 Mrd. € zum Erhalt der flächendeckenden Krankenhausversorgung finden, wir uns aber milliardenschwere Subventionen wie Dienstwagenprivileg und steuerfreies Flugbenzin leisten, ist inakzeptabel“, sagt DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß. Foto: Philipp Boegle

„Gute Patientenversorgung braucht starke Krankenhäuser“, „Inflationsausgleich – jetzt sofort“: Die mehr als 700 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus den Krankenhäusern Berlins und Brandenburgs auf dem Washingtonplatz am Berliner Hauptbahnhof gaben sich kämpferisch. Ihre Zukunft und die ihrer Häuser steht auf dem Spiel.

Mit einem bundesweiten Protesttag und einer zentralen Kundgebung in Berlin machen die Krankenhäuser am Dienstag, 20. Juni 2023, auf ihre angespannte wirtschaftliche Situation und steigende Insolvenzgefahr aufmerksam.

„Noch nie standen die deutschen Krankenhäuser unter einem so großen wirtschaftlichen Druck wie in der jetzigen Zeit“, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß: „Die Inflation sorgt für massive Kostenerhöhungen, die anstehenden und notwendigen Tarifsteigerungen werden diese Situation weiter verschärfen.“ Da Krankenhäuser aber nicht ihre Preise anpassen können, würden die Kliniken bis Jahresende ein Defizit von 10 Mrd. € ansammeln, 2024 werde die Entwicklung so dramatisch weitergehen. „Wir fordern daher umgehend ein aktives Handeln der Politik, das den Krankenhäusern noch vor der großen Reform die Existenz sichert, damit sie diese Reform überhaupt noch erleben können.“

„Wir wollen keine Almosen und auch keine Rettungspakete, sondern die faire Anpassung der Krankenhauserlöse an die gestiegenen Kosten“, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende. „Wenn die Politik weiter tatenlos zusieht, werden wir viele Krankenhäuser verlieren, die für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dringend gebraucht werden.“ Das bedeute Versorgungslücken und Wartelisten vor allem dort, wo die Gesundheitsversorgung ohnehin schon immer schwieriger wird und Krankenhäuser oft die Aufgaben übernehmen müssen, die wegen wegbrechender Arztpraxen nicht mehr geleistet werden können.

„Wir verlieren wertvolle Strukturen, die man nicht ohne Weiteres wieder aufbauen kann. Denn wo eine Klinik schließen muss, suchen sich vor allem die auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrten Pflegekräfte andere Stellen“, so Gaß weiter: „Sie werden nicht Jahre später in ein möglicherweise neu eröffnetes Krankenhaus zurückkehren, sie werden auch nicht viele kilometerweit ins nächste Krankenhaus fahren.“ In Zeiten des massiven Fachkräftemangels verschärfe der kalte Strukturwandel mit seinen unkontrollierten Krankenhausschließungen die Situation noch einmal. Die Politik müsse jetzt handeln und den Menschen erklären, welchen Stellenwert die Gesundheitsversorgung auf der politischen Agenda hat. „Dass sich in einem 500 Mrd. € umfassenden Bundeshaushalt keine 10 Mrd. Erhalt der flächendeckenden Krankenhausversorgung finden, wir uns aber milliardenschwere Subventionen wie Dienstwagenprivileg und steuerfreies Flugbenzin leisten, ist inakzeptabel“, sagte Gaß. Immer häufiger müssten Städte und Landkreise die Defizite der Krankenhäuser ausgleichen. „Es darf aber nicht sein, dass die Finanzkraft der Kommunen über die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung entscheidet. Gleichwertige Lebensbedingungen sind ein verfassungsrechtlich definiertes Recht, an das sich die Bundesregierung halten muss.“ Nicht nur der Gesundheitsminister, das gesamte Kabinett müsse jetzt die Frage beantworten, was ihnen die Gesundheitsversorgung wert sei. „Wenn diese Bundesregierung insgesamt nicht die Kraft hat, das von Karl Lauterbach prognostizierte Krankenhausterben abzuwenden, hat diese Bundesregierung schlichtweg versagt“, so der DKG-Vorstandschef.

„Während Bund und Länder noch um den richtigen Weg einer Krankenhausreform ringen, stehen viele Kliniken wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand. Es braucht jetzt einen schnellen Schutz vor Insolvenzen“, forderte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler bei der Kundgebung vor dem Berliner Hauptbahnhof, die Bundesregierung müsse den Krankenhäusern mit einem kurzfristigen Zuschuss von mindestens 10 Mrd. € unter die Arme greifen, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. „Die Entscheidung über die Zukunft des Gesundheitswesens darf nicht dem Bundesfinanzminister überlassen werden. Krankenhäuser sind ein elementar wichtiger Teil der Daseinsvorsorge, diese darf nicht zur Debatte stehen, weil Herr Lindner andere fiskalische Prioritäten setzen will.“

Jana Luntz vom Deutschen Pflegerat (DPR) warnte vor der Fehleinschätzung, nach Schließungen und Zentralisierung der Krankenhäuser ließen sich die Pflegenden einfach auf die bleibenden Kliniken umverteilen: „Wir sind kein Wanderzirkus! Die Pflegenden haben sich sehr wohl überlegt, wo sie arbeiten wollen.“ Das Problem des Pflegekräftemangels werde nicht gelöst, es werde sich noch verschärfen, warnte Luntz. Behandlungsqualität ist auch pflegerische Versorgungsqualität, so die DPR-Vertreterin. Sie forderte eine spürbare Entbürokratisierung der Pflege und ein Mitgestaltungsrecht in Bezug auf die Reform. Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, forderte die Teilnehmer aus den Berliner und Brandenburger Kliniken auf, in Ruf- und Sichtweite des Bundeskanzleramtes und des Bundestags ein lautes Signal an die Politik zu senden: „Wir brauchen Eure Hilfe, wir brauchen eine verlässliche Perspektive.“ Es darf nicht sein, so Schreiner weiter, „dass sich der Bundesgesundheitsminister hinter dem Finanzminister versteckt.“ Er appellierte an den Bundeskanzler: „Werden wenigstens Sie Ihrer Verantwortung gerecht! Machen Sie von Ihrer Leitlinienkompetenz im Kabinett Gebrauch für eine verlässliche, auskömmliche Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser. Gute Krankenhausversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!“

„Es darf nicht vom Zufall abhängig sein, ob es in einem Landkreis noch ein Krankenhaus gibt oder nicht“, mahnte Sven Ambrosy, Vizepräsident des Deutschen Landkreistages und Landrat im Landkreis Friesland: Die Länder müssten ihrer Pflicht endlich nachkommen, für eine auskömmliche Krankenhausfinanzierung zu sorgen: „Wir brauchen Gewissheit! Es kann nicht sein, dass Kommunen mittlerweile jedes Jahr 10 Mrd. € zur Stützung der Kliniken aufbringen müssen.“ Würden die Kliniken nicht durch ein Vorschaltgesetz gesichert, komme auf die Gesellschaft ein unkalkulierbares Risiko zu: Die Klinikreform greife erst in drei bis fünf Jahren. Vielen Kliniken würden das nicht mehr erleben. „Bei 80 % insolvenzgefährdeter Häuser kann man nicht mehr von individuellem Managementversagen sprechen. Das ist ein Versagen des Systems der Krankenhausfinanzierung“, so Ambrosy.

Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, gab mit seiner Gitarre einen selbstkomponierten Protestsong zum Besten: „Save our Hospitals“ und weckte Begeisterung auf dem Washingtonplatz. Er hat jetzt wohl den Spitznamen „Bob Düllings“.

Prof. Dr. Ulrike Kostkas betonte den Einsatz und die Leistungen der Krankenhäuser und ihrer Beschäftigten: „Und jetzt lässt die Politik uns hängen. Wir wollen faire Vergütung, keine Almosen“, so die Caritas-Direktorin. Sie machte sich für kleinere Krankenhäuser stark und betonte: „Das sind keine Dorfklitschen, auch dort geben die Beschäftigten ihr Bestes für die Patienten. Sie sind wichtig für die Versorgung.“ „Gesundheit ist kein normales Konsumgut“, sagte Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV). Kranke könnten nicht auf eine Behandlung verzichten wie auf einen Kinobesuch, wenn das Geld fehlt. Ein Umbau der Krankenhauslandschaft sei unvermeidbar, erklärte Radbruch und stellt zugleich klar: „Aber Insolvenzrecht ist das falsche Instrument, um die Krankenhauslandschaft zukunftssicher aufzustellen.“

Bundesweite Aktionen in Ländern und Kliniken

Auch viele Kliniken in Nordrhein-Westfalen beteiligen sich mit eigenen Aktionen. „Die unaufhörlich wachsenden Defizite der NRW-Krankenhäuser türmen sich zu einer erdrückenden Last auf, die viele Krankenhausträger nicht mehr lange schultern können“, sagt Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW). „Allein für die Kliniken im bevölkerungsreichsten Bundesland zeigt die seit Anfang 2022 zählende Defizit-Uhr schon ein angesammeltes Minus von rund 1,6 Mrd. € an. Und es steigt Monat für Monat um weitere 140 Mio. €. Wenn die Bundesregierung nicht schnell und wirksam eingreift, beschleunigt sie die sich bereits drehende Abwärtsspirale für die Krankenhäuser. Doch statt zu handeln und ein unkontrolliertes Kliniksterben zu verhindern, beklagt der Bundesgesundheitsminister das durch sein Nichtstun selbst verursachte Desaster. Er könnte es aufhalten, er müsste es aber wollen. Diese Bundesregierung hat es in der Hand, die Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger zu erhalten oder in eine unkontrollierbare Krise abstürzen zu lassen.“

Der KGNW-Präsident verweist auf die jetzt in den Krankenhäusern laufenden Wirtschaftsplanungen für das kommende Jahr, für das die meisten Geschäftsleitungen hohe Verluste einkalkulieren müssen: „Viele Krankenhausträger müssen sich inzwischen mit dem Insolvenzrecht befassen, weil sie das erwartete Minus nicht mehr schultern können“, warnt Morell. „Seit Anfang des vergangenen Jahres haben wir die Bundesregierung und insbesondere den Bundesgesundheitsminister vor dem jetzt erkennbaren kalten Strukturwandel gewarnt. Der Handlungsbedarf ist klar, die Handlungsmöglichkeit ist klar. Die Erzählung des Bundesgesundheitsministers, nur seine Krankenhausreform könne die Kliniken vor der drohenden Insolvenz retten, gaukelt den Bürgerinnen und Bürgern ein Trugbild vor. Bis eine Reform in einigen Jahren greifen könnte, dürften sehr viele Krankenhäuser – und zwar auch große Standorte – vom Netz gegangen sein.“ Zugleich weist Morell darauf hin, dass bei einem drohenden Rückzug freier Träger die Städte und Gemeinden in der Pflicht seien, die Daseinsvorsorge aufrechtzuerhalten. „Die Prognose des neuen Krankenhaus Rating Reports, dass vier von fünf Kliniken im kommenden Jahr ein negatives Finanzergebnis erzielen werden, unterstreicht die Notwendigkeit für ein Vorschaltgesetz: Es muss kurzfristig eine angemessene Refinanzierung für die Krankenhäuser bereitstellen. Diese zu gewährleisten, ist die gesetzliche Pflicht der Bundesregierung. Nur darum geht es. Die zugelassenen Plankrankenhäuser sind nach Maßgabe des Landes aktuell bedarfsnotwendig. Das darf der Bund nicht über einen eiskalten Strukturwandel ausdünnen“, erklärt der KGNW-Präsident.

Überall in Bayern gab es rot angeleuchtete Klinikgebäude. Bei aktiven Mittagspausen solidarisierten sich Klinikbeschäftigte für die „Alarmstufe Rot“. Mit Infoständen in Kliniken und auf Marktplätzen, bei lokalen Pressegesprächen und mit unzähligen Posts und Videos auf den Social-Media-Kanälen informierten die Krankenhäuser in Bayern über ihre prekäre Lage und die fehlende Handlungsbereitschaft der Bundesregierung. Zum bundesweiten Protesttag riefen in Bayern die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG), die Ärztegewerkschaft Marburger Bund Bayern, ver.di Bayern und die Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) gemeinsam auf. „Wir sind dankbar für den großen Schulterschluss der bayerischen Kliniken, Gewerkschaften und Berufsgruppenvertretungen“, so die erste BKG-Vorsitzende, die Kitzinger Landrätin Tamara Bischof. „Die vielen Mitarbeitenden haben eindrucksvoll Flagge gezeigt. Auch Verantwortliche der Krankenhausträger aus dem kommunalen, freigemeinnützigen und privaten Bereich haben sich an den Protesten beteiligt und den Tag gleichzeitig zum Dialog mit den Belegschaften genutzt. Allen Krankenhäusern steht das Wasser längst bis zum Hals. Überall in Deutschland droht eine nie dagewesene Pleitewelle.“ Daher ist aus Sicht von Landrätin Tamara Bischof die enorme Beteiligung am bundesweiten Protesttag auch in Bayern keine Überraschung. „Wir haben Protestaktionen in über 200 Kliniken in Bayern gezählt“, fasst sie zusammen.

„Unfassbar, wenn Bundesgesundheitsminister Lauterbach trotz unstrittiger Faktenlage derart verantwortungslos das Aus vieler Krankenhäuser in Kauf nimmt, noch bevor seine angekündigte Krankenhausreform wirken könnte. Er ist jetzt persönlich dafür verantwortlich, wenn Wartezeiten und Fahrtwege aufgrund willkürlicher Krankenhausschließungen zunehmen“, zeigt sich BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen enttäuscht. „Immerhin hat unsere Landespolitik die Zeichen erkannt“, zeigt sich die BKG-Vorsitzende Tamara Bischof erleichtert. „Der Freistaat stellt den bayerischen Krankenhäusern die Erhöhung des jährlichen Volumens für Investitionen auf eine Milliarde in Aussicht.“

BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen macht deutlich: „Wir nehmen Staatsminister Klaus Holetschek nach seiner Ankündigung mit Hinweis auf das CSU-Programm für die kommende Landtagswahl beim Wort und ein erster Schritt muss aus unserer Sicht bereits für 2024 erfolgen.“

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hatte vor dem Protesttag in München Verständnis für die Krankenhäuser geäußert: „Die massive Verärgerung der Klinikverantwortlichen zeigt, wie unausgegoren das bisherige Reformkonzept der Bundesregierung war und teilweise immer noch ist. Auch bei den weiteren Bund-Länder-Gesprächen zur Krankenhausreform werde ich mich dafür einsetzen, dass die Interessen der bayerischen Kliniken in angemessener Form berücksichtigt werden.“ Neben drohenden Insolvenzen von Krankenhäusern sehe Holetschek noch weitere Gefahren. Eine Verdichtung der Kliniklandschaft lehne er entschieden ab. Bayern habe von Anfang an davor gewarnt, dass die Reformpläne des Bundes auf Kosten von Krankenhäusern insbesondere auf dem Land gehen könnten.

Die BKG erwartet, dass die Krankenhausmilliarde jährlich für Investitionen als Zielmarke auf einen breiten Konsens der Politik im Freistaat trifft, denn dieser Wert würde der Investitionsquote von rund 7 % entsprechen, mit der die gute Krankenhausstruktur in Bayern auch zukunftsfest gemacht werden kann. „Das Bekenntnis zu einer deutlichen Erhöhung der Investitionsausstattung ist ein starkes Zeichen nach Berlin, wo nun auch bei der Betriebskostenfinanzierung gehandelt werden muss“, sagt der BKG-Geschäftsführer und betont mit Blick auf den erheblichen Bedarf an strukturellen Veränderungen, großen Baumaßnahmen und Klimamaßnahmen in den Kliniken: „Versorgungssicherheit und zukunftsorientierte Veränderungen im Sinne des medizinisch-pflegerischen Fortschritts funktionieren nicht, wenn die Taschen der Krankenhäuser leer sind. Solange eine ausreichende Betriebskostenfinanzierung als Basis nicht vom Bund sichergestellt wird, wird es von den Kliniken weitere Proteste geben müssen, die sich an die Bundesregierung richten.“

Die Hessische Krankenhausgesellschaft positionierte sich auf einer Pressekonferenz im Hessischen Landtag deutlich und wies auf die bedrohliche Situation für deutsche Kliniken hin. Die Gründe hierfür seien vielschichtig: Insbesondere die jahrelange strukturelle Unterfinanzierung der Krankenhäuser habe zur aktuellen Lage beigetragen. Die landeseigene Investitionsförderung sei, trotz erheblicher Erhöhungen des Doppelhaushalts durch die Hessische Landesregierung für die Jahre 2023 und 2024, seit Jahrzehnten nicht mehr geeignet, den tatsächlichen Investitionsbedarf zu decken. Aber auch die Behandlungserlöse reichen aufgrund inflationsbedingter Preisanpassungen und unzureichender Refinanzierung von vereinbarten Tarifsteigerungen bei Weitem nicht mehr aus, um die gestiegenen Ausgaben der Krankenhäuser auch nur annähernd zu decken.

„Eine zusätzliche Soforthilfe in Millionenhöhe ist notwendig, um ein akutes Krankenhaussterben in den nächsten Monaten zu verhindern“, sagt Dr. Christian Höftberger, Präsident der HKG. „Vor der richtigen und wichtigen Krankenhausreform geht es um das akute Überleben der Gesundheitsanbieter. Eine Reform kann nur erfolgreich durchgeführt werden, wenn zum Reformieren noch Leistungsanbieter übriggeblieben sind. Diese brauchen eben jetzt akut eine entsprechende Unterstützung.“ Der Anteil der insolvenzgefährdeten Kliniken erreiche ein noch nie dagewesenes Hoch und hat das Potenzial, die klinische Infrastruktur in die Knie zu zwingen.

Prof. Dr. Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der HKG, sagt: „Die Situation ist derart kritisch, dass ich die flächendeckende Gesundheitsversorgung in unserem Land in naher Zukunft ernsthaft gefährdet sehe. Ich bin fassungslos ob der Gleichgültigkeit, die die Bundesregierung und der Bundesgesundheitsminister der drohenden Insolvenzwelle entgegenbringen. Damit gefährden sie die Patientenversorgung in Deutschland ernsthaft und ohne wirksame Gegenmaßnahmen zu treffen.”

„Kurzfristige Hilfsprogramme zur Überbrückung von Engpässen allein werden die Krankenhäuser nicht retten. Vielmehr brauchen wir nachhaltige Sicherheit für Krankenhausträger, Beschäftigte aber auch für Patientinnen und Patienten. Diese können wir nur gewinnen, wenn wir ein verlässliches und auf lange Sicht ausgelegtes Finanzierungssystem haben. Das wird dauern, weil es ein riesiges Projekt ist. Die vom Bundesgesundheitsminister eingeleiteten Reformen werden an der aktuellen Situation, wie wir sie jetzt erleben, in nächster Zeit nichts ändern”, so Dr. Christian Höftberger weiter.

Sozial- und Integrationsminister Kai Klose betonte die Notwendigkeit einer grundlegenden Krankenhausreform: Die Impulse der Regierungskommission weisen die Richtung, auch wenn klar ist, dass sie so nicht 1:1 umgesetzt werden kann. „Bund und Länder ringen intensiv um den besten Weg zu einer Reform, die die qualitativ hochwertige, bedarfs- und patientengerechte Krankenhausversorgung sichert.“ Er betont, dass die Krankenhausplanung Sache der Länder sei und appelliert an den Bund, die Betriebskostenfinanzierung zu verbessern. „Ein so umfassender Transformationsprozess lässt sich ohne zusätzliches Geld während der Konvergenzphase nicht bewerkstelligen“, ist der Minister überzeugt. Hessen habe in den letzten Jahren seinen Investitionskostenanteil fast verdoppelt und liege an der Spitze der Länder.

BDPK: Stufenplan gegen drohende Pleitewelle

Zum bundesweiten Aktionstag zur Rettung der Krankenhäuser schlägt der BDPK den Gesundheitspolitikern in Bund und Ländern einen Stufenplan für die Umsetzung der vorgesehenen Krankenhausreform vor. Erster Schritt müsse die sofortige wirtschaftliche Sicherung der Kliniken sein, darauf aufbauend sollte ein Instrument zur regionalen Versorgungsplanung installiert und ein wissenschaftlich begleiteter „radikaler Bürokratieabbau“ geregelt werden.

„Wir schließen uns dem Protest der deutschen Kliniken an und fordern die Politik auf, für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen. Diese Sicherheit brauchen die Krankenhausträger und ihre Beschäftigten, vor allem aber die Patientinnen und Patienten,“ erklärte BDPK-Hauptgeschäftsführer Thomas Bublitz bei der Kundgebung vor dem Berliner Hauptbahnhof. Da die geplanten Reformen erst in einigen Jahren wirksam würden, seien sie keine Lösung für die aktuell bestehende Notsituation der Krankenhäuser. Zum Ausgleich der bestehenden Unterfinanzierung durch Erlösverluste, die Inflationsbelastung und steigende Gehälter bräuchten die Kliniken deshalb eine Soforthilfe. Diese Soforthilfe müsse der erste Teil eines Stufenplans für die vorgesehene Krankenhausreform sein. Die Einigung zwischen Bund und Ländern auf die Inhalte der notwendigen Reform könnte nach Auffassung des BDPK durch den Stufenplan vereinfacht werden. Nach dem Soforthilfeprogramm sollten in der zweiten Stufe die vorliegenden Reformvorschläge auf die bestehenden und erforderlichen Versorgungsangebote in den Regionen ausgerichtet werden. Dazu sollte ein regionales Planungsinstrument entwickelt und installiert werden, das nicht nur isoliert die Krankenhäuser betrachtet, sondern alle Versorgungsbereiche im Ganzen und in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt. Ausgehend von einem regional zu ermittelnden Versorgungsbedarf könnten damit Unter- und Überversorgung identifiziert und entsprechende Planungsentscheidungen getroffen werden. Weiter schlägt der BDPK eine testweise Aussetzung bestehender bürokratischer Regulierungen vor, um die Mitarbeitenden in den Kliniken zu entlasten. Für einen begrenzten Zeitraum sollten unnötige Kontrollvorschriften entfallen und gleichzeitig Anreize geschaffen werden, die Öffnung von Krankenhäusern für ambulante Leistungen voranzubringen. Dazu gehöre es auch, die Grenzverweildauer für Krankenhausbehandlungen zu hinterfragen und die Fehlbelegungsprüfungen durch den Medizinischen Dienst deutlich zurückzufahren. Die Wirkung dieses „radikalen Bürokratieabbaus“ sollte wissenschaftlich untersucht und danach entschieden werden, welche Vorschriften noch erforderlich sind.

Die „Niedersächsische Allianz für die Krankenhäuser“ schlägt Alarm. Unter dem Titel „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ haben in Hannover 19 Verbände gemeinsam auf die wirtschaftlich angespannte Lage der Kliniken aufmerksam gemacht. „Von der verbändeübergreifenden Allianz sowie dem Schulterschluss von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern geht heute ein klares Signal in Richtung Berlin aus: Bundesgesundheitsminister Lauterbach darf nicht länger tatenlos zusehen, wie die Krankenhäuser einschließlich ihrer Mitarbeitenden schrittweise in die Insolvenz rutschen. Um eine geordnete Anpassung der stationären Versorgung im Interesse der Patientinnen und Patienten zu ermöglichen, muss das Überleben der Krankenhäuser gesichert werden. Die Alternative ist ein eiskalter Strukturwandel mit Insolvenzen, Schließungen und verheerenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit“, so Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) Helge Engelke.

Von der Landesregierung fordert die Allianz eine deutliche Anhebung der regulären Investitionsmittel für den Erhalt und die Modernisierung der bedarfsgerechten Krankenhäuser sowie die Einrichtung eines Sondervermögens, um den bereits bestehenden Investitionsstau in Höhe von rund 3 Milliarden Euro möglichst schnell abzubauen. „Wir benötigen jetzt ein Vorschaltgesetz, um drohende Insolvenzen zu vermeiden. In diesem Gesetz müssen kurzfristige und unbürokratische Hilfen für die Krankenhäuser geregelt werden“, sagt auch Dr. Hartmut Münzel, Vorstandsvorsitzender der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz (KGRP).

„Wie ernst die finanzielle Situation der Krankenhäuser im Land ist, hat der Krankenhaus Rating Report erst in der vergangenen Woche erneut deutlich gemacht. Danach sind 29 % der baden-württembergischen Krankenhäuser von einer Insolvenz bedroht“, macht der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, deutlich. Dass so viele Krankenhäuser von Insolvenz bedroht sind, ist eine direkte Folge der jahrelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Krankenhäuser. „Die Einnahmen steigen durchschnittlich, die Kosten weit überdurchschnittlich. Dass sich das nicht rechnen kann, ist schlicht logisch“, so Scheffold weiter. „Wir brauchen den Druck aus der Bevölkerung – sonst träumt der Bundesgesundheitsminister weiter von seiner Reform, während die Kliniken schon längst Insolvenz anmelden“ so Uwe Borchmann, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. „Wir fordern die Politik auf, endlich verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen“, so die saarländische Krankenhausgesellschaft (SKG), Dr. Thomas Jakobs. „Für uns ist auch nicht nachvollziehbar, dass Gesundheitsminister Dr. Magnus Jung keine Möglichkeit der Unterstützung unserer Krankenhäuser durch das Land sieht.“, so Jakobs. „Auf eine Reform zu warten, die in zwei oder drei Jahren wirkt, ist fahrlässig und kann dazu führen, dass auch bedarfsnotwendige Krankenhäuser die Reform nicht mehr erleben werden“, befürchtet Michael Jacob, Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Brandenburg (LKB). Und weiter: „Die Politik muss handeln und zwar jetzt. Es braucht ein Vorschaltgesetz, welches die Krankenhäuser wirtschaftlich stabilisiert und ihnen die Chance gibt, sich dem Reformprozess zu stellen.“ „Die Thüringer Krankenhäuser benötigen vom Gesetzgeber Verlässlichkeit und Planungssicherheit bei der Ausgestaltung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in der Krankenhausfinanzierung. Deshalb muss der Gesetzgeber noch vor Inkrafttreten der Krankenhausreform, mithilfe eines Vorschaltgesetzes, in diesem Jahr die gesetzlichen Grundlagen in der Krankenhausfinanzierung verbessern, sodass die dann folgende Krankenhausreform auf einem finanziell soliden Fundament steht“, so das Resümee der Vorstandsvorsitzenden des Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e. V., Dr. Gundula Werner, anlässlich des bundesweiten Aktionstages. Im vergangenen Herbst haben die Krankenhäuser bundesweit mit einer Rettungsfahrt durch Deutschland, so auch am 14. September 2022 in Erfurt, auf die Missstände aufmerksam gemacht. Es gab danach auch politische Hilfe, aber zum einen nicht genug und vor allen Dingen nicht nachhaltig. Die Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen fordert eine Abkehr von immer neuen Hilfspaketen. Die Krankenhäuser benötigen verlässliche Sicherheit: Sicherheit für Krankenhausträger, Beschäftigte, aber auch und vor allem für Patientinnen und Patienten. „Wenn politisch nicht gehandelt wird, befürchten wir einen eiskalten Strukturwandel mit wirtschaftlichen Schieflagen bedarfsnotwendiger Krankenhäuser, Schließungen und gravierenden Auswirkungen für die Versorgungssicherheit“, so der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen, Rainer Poniewaß.

Auch in Bremen und Bremerhaven gibt es mehrere lokale Aktionen in den Krankenhäusern. Uwe Zimmer, Geschäftsführer der HBKG: „Es hilft nichts, der Bund muss sich deutlich stärker finanziell engagieren. Wir fordern dies schon seit Monaten, ja seit Jahren, und stoßen immer auf taube Ohren. Eine Krankenhausstrukturreform in ferner Zukunft wird es nicht richten – schon gar nicht jetzt, wo es schon überall brennt. Karl Lauterbach muss mit uns sprechen und nicht nur in TV-Talkrunden.“

Der Bund habe sich im Krankenhausfinanzierungsgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser verpflichtet, „um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen digital ausgestatteten, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten“. Diese Verpflichtung dürfe er nicht länger mithilfe von Einzelaktionen und Trostpflastern umgehen, sondern müsse ihr nachhaltig und dauerhaft nachkommen. Ein eiskalter Strukturwandel durch Insolvenzen der deutschen Krankenhäuser könne nicht das politische Ziel sein.

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland (kkvd): „Karl Lauterbach sprach in der vergangenen Woche von einem Krankenhaussterben, das er vorgeblich nicht mehr aufhalten könne. Das darf nicht das letzte Wort eines Bundesgesundheitsministers zur dramatisch zugespitzten wirtschaftlichen Lage der Kliniken sein! Die Zahlen des aktuellen Krankenhaus Rating Reports sagen voraus, dass 2024 knapp 80 % der Kliniken rote Zahlen schreiben könnten. Bereits Ende dieses Jahres müssen die Krankenhäuser bundesweit ein Defizit von 10 Mrd. € schultern. Die von der Bundesregierung bereits zur Verfügung gestellten Hilfen fangen das nicht auf. Daher muss Minister Lauterbach jetzt alles tun, um ein unkontrolliertes Krankenhaussterben aufzuhalten.“

Banner, rote Abendbeleuchtung und großes SOS

Große Banner über den Klinikeingängen, mit LED-Lichtern rot angestrahlte Gebäude, Mitarbeitende, die sich an jedem Standort der vier GRN-Kliniken zu einem großen SOS formieren: Die GRN Gesundheitszentren Rhein-Neckar gGmbH haben mit großer Beteiligung am Aktionstag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf ihre missliche Lage aufmerksam gemacht. In der Nacht vor und nach dem von der DKG ausgerufenen Aktionstag am 20. Juni wurden die Kliniken in Schwetzingen, Sinsheim und Eberbach von außen und in Weinheim wurde der Eingangsbereich im Innern der Klinik rot angestrahlt. Ein Banner mit der Aufschrift „Inflationsausgleich für die Krankenhäuser – jetzt sofort“ weist auf die finanzielle Notlage hin.

Auch die GRN-Gesundheitszentren haben bereits das Jahr 2021 mit einem Minus von 3,8 Mio. € abgeschlossen, verzeichneten im darauffolgenden Jahr einen Verlust im niedrigen zweistelligen Millionenbereich und rechnen in der Zukunft mit weiteren Verlusten, wenn die Politik nicht einlenkt. Zwei GRN-Kliniken stehen auf der Kippe: Weil sowohl von Schwetzingen als auch von Weinheim aus in knapp 30 Minuten Fahrtzeit mit dem Auto ein Maximalversorger, nämlich die Uniklinik Heidelberg, erreichbar ist, wackeln die beiden Standorte, außer, das Land sieht hier einen besonderen Versorgungsauftrag. „Darauf hoffen wir und setzen darauf, dass die Regierung den Ländern das notwendige Mitspracherecht einräumt und die Standorte in Schwetzingen und Weinheim erhalten bleiben“, sagt GRN-Geschäftsführerin Katharina Elbs. „Wir gehen davon aus und hoffen, dass die Regierungskommission hier noch mal nachbessert! Unsere Kliniken bieten eine wohnortnahe Versorgung auf höchstem medizinischen Niveau an. Das Patientenaufkommen kann die Uniklinik in Heidelberg allein unmöglich abfangen“, so Katharina Elbs weiter, die sich über die starke Beteiligung der GRN-Belegschaft am Aktionstag freut. „Ich bin begeistert über die große Solidarität unserer Mitarbeitenden für ihre Klinik. Die Beteiligung so vieler Berufsgruppen gibt mir Mut und Zuversicht und das Gefühl, dass die GRN-Mitarbeitenden zu ihrer Klinik und ihren Herausforderungen stehen.“

In den GRN-Kliniken wurden Patienten heute bei der Anmeldung an der Info darum gebeten, ihre Stimme für die Gesundheitsversorgung und eine bessere Finanzierung der Krankenhäuser abzugeben. Ein Patient an der Info in Eberbach kommentierte das mit den Worten: „Ich gebe gerne meine Stimme ab. Ich brauche das Krankenhaus hier am Standort Eberbach.“ Ein Mitarbeitender der Pflege in Eberbach bangt: „Ich habe Angst um meinen Arbeitsplatz und möchte hier auf dem Land weiterhin für andere Menschen da sein können.“

„Mir ist wichtig, dass unser Krankenhaus, das es in Schwetzingen schon ewig gibt, auch bleibt“, begründet Petra Klefenz aus der Notaufnahme in Schwetzingen, warum sie sich an der Aktion beteiligt. Gerade ist sie Teil des großen SOS vor der Klinik in Schwetzingen, als sie sagt: „Wir sind hier in Schwetzingen im Mittelpunkt für die umliegenden Ortschaften. Menschen wählen die Klinik Schwetzingen bewusst, weil sie die familiäre Atmosphäre schätzen. Es wäre schlimm, wenn das wegfallen würde!“ Peter Geiss, Oberarzt in der Allgemeinchirurgie der GRN-Klinik Schwetzingen und ebenfalls Teil der SOS-Formation, stellt bitter fest: „Kliniken können kein Geld drucken und ächzen unter der Inflation. Das führt zu Verlusten unter den Mitarbeitenden, die überlastet sind bis hin zum Burnout. Die deutlich höheren Sach- und Lohnkosten können nicht durch das Mehr an Leistung kompensiert werden.“ Der Mediziner vergleicht das mit dem Hase-und-Igel-Prinzip: „Man läuft immer schneller und schafft es doch nicht. Die Daseinsvorsorge für Kliniken ist eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit. Ohne Inflationsausgleich ist es nicht möglich, allein nur den Status quo zu halten.“ „Ich freue mich, dass so viele mitgemacht haben“, resümiert Tobias Schneider, Klinikleiter in der vielfach zertifizierten GRN-Klinik Schwetzingen. „Wir haben ein Zeichen gesetzt für die Menschen, die hier jeden Tag gute Medizin anbieten, und für Patienten, die diese wohnortnah benötigen.“ Anne-Kathrin Dorn, Klinikleiterin der GRN-Klinik Weinheim, pflichtet ihrem Amtskollegen bei: „Uns ist wichtig zu zeigen, dass wir hier weiterhin für die Versorgung der Patienten im Umkreis da sein wollen und alle Mitarbeiter dafür einstehen.“ „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand und brauchen Sofort-Hilfen“, fordert Thorsten Großstück, Klinikleiter der GRN-KlinikSinsheim. „Die liquiden Mittel sind aufgebraucht. Wir müssen aber Tarifsteigerungen und weitere gestiegene Kosten ausgleichen.“

Georg Baum: Ohne kurzfristige Finanzhilfen verlieren alle Krankenhäuser

Auch der Aufsichtsrat der DRK Kliniken Berlin formuliert Forderungen an die Politik für zügige, wirksame und nachhaltige Unterstützung angesichts historischer Krisensituation. Der Vorsitzende Georg Baum erklärt dazu: „Es hilft den Krankenhäusern überhaupt nicht, wenn Lauterbach zwar die existenzielle Gefährdung hunderter Krankenhäuser in Deutschland sieht, aber nicht die Ursachen abstellt. Massive Erlösausfälle während der Corona-Hochphasen infolge von Belegungsbegrenzungen und erkrankungsbedingter Personalausfälle zusammen mit einem nie dagewesenen inflationsbedingten Kostenanstieg haben in den Jahren 2021 und 2022 allein in unseren Kliniken ein Defizit von 8 Mio. € verursacht.“ Der DRK-Schwesternschaft Berlin e. V. als gemeinnütziger Träger der vier Häuser der DRK Kliniken Berlin mit 4 000 Mitarbeitern und jährlich 200 000 medizinisch versorgten Patienten stehen keinerlei öffentliche Ausgleichsmittel für die Bereitstellung der medizinischen Daseinsvorsorge zur Verfügung. Als zentrale Ursache für die hohen Defizite sieht Georg Baum die gesetzlichen Vorgaben zur Deckelung der Vergütung, die eine Anpassung der Fallpauschalen und Pflegesätze an die tatsächliche, inflationsbedingt enorme Steigerung der Personal- und Sachkosten verhindere. „Die Krankenhäuser in Deutschland brauchen in dieser historischen Krisensituation eine ursachengerechte und schnelle Reaktion von der Politik“, betont der ehemalige Hauptgeschäftsführer der DKG. „Es kann nicht hingenommen werden, dass freigemeinnützige Krankenhausträger, die im Rahmen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Trägervielfalt die medizinische Daseinsvorsorge in der Stadt sicherstellen, mit der pandemie- und inflationsbedingten Kostenproblematik alleine gelassen werden“, erklärt Oberin Doreen Fuhr, Vorstandsvorsitzende der DRK-Schwesternschaft Berlin – des alleinigen Gesellschafters der DRK Kliniken Berlin. Zwar solle die laufende medizinische Versorgung eigentlich nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz vergütet werden. „Aber“, führt Oberin Doreen Fuhr aus, „wenn die überwiegende Zahl der Krankenhäuser in Deutschland ihre Kosten infolge der festgesetzten Vergütungen nicht gedeckt bekommen, darf das der Bundesgesetzgeber nicht länger ignorieren. Es ist ein Verstoß gegen das Krankenhausfinanzierungsgesetz – wie es ein Gutachten der Deutschen Krankenhausgesellschaft jüngst feststellte.“

Der Aufsichtsrat empfiehlt der Politik:  

  • Das gesamte im Bundeshaushalt bereits eingestellte Volumen von 4,5 Mrd. € für Energiehilfen muss noch in diesem Jahr an die Krankenhäuser pauschal ausgezahlt werden. Die vorgesehene Begrenzung der pauschalen Auszahlungen auf 2,5 Mrd. € und die Splittung auf die Jahre 2023 und 2024 ist nicht ausreichend. Für die DRK Kliniken Berlin könnte dadurch das auch für 2023 zu erwartende Defizit spürbar abgesenkt werden.
  • Die einmalig gezahlten Hilfen müssen zudem basiswirksam in die Vergütungssätze überführt werden. Ohne eine Übernahme der bestehenden Kosten in die Preise bleiben die Defizite langfristig bestehen.
  • Die absehbar hohen Tarifabschlüsse mit entsprechend massiven Personalkostensteigerungen müssen zu entsprechenden Erhöhungen der Pflegesätze führen. Die gesetzliche Begrenzung der Budget- und Vergütungsanpassungen auf die niedrigere allgemeine Lohnzuwachsrate der Vorjahre (Grundlohnrate) führt unter den derzeitigen Inflationsbedingungen zu weiter steigenden Defiziten und muss beendet werden.

Mit Blick auf die derzeit diskutierten Pläne zur Reform der Krankenhausfinanzierung mit geringeren Anteilen der Fallpauschalen und höherer Vorhaltefinanzierung erklärt Georg Baum: „So wie die Umsetzung geplant ist, findet zunächst über Jahre lediglich eine Umverteilung der Unterfinanzierung statt, bei der alle nur verlieren können. Nur wenn die tatsächlichen Vorhaltekosten zu 100 % und ohne Deckelung erstattet werden, macht die Finanzierungsreform Sinn. Die Krankenhäuser benötigen jetzt sofort finanzielle Unterstützung.“

Auch die Franziskus Stiftung und die Alexianer Gruppe als freigemeinnützige Träger mit Hauptsitz in Münster sind mit ihren Krankenhäusern durch die finanziellen und regulatorischen Rahmenbedingungen herausgefordert. „Aus Solidarität zu den betroffenen Krankenhäusern schließen wir uns dem Protest und dem Aktionstag an, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen. Wir haben im vergangenen Herbst bereits auf die Missstände aufmerksam gemacht. Die bisherige politische Hilfe ist nicht genug und vor allem nicht nachhaltig. Es braucht eine andere Lösung als immer neue kurzfristig wirksame Hilfspakete“, so der Vorstandsvorsitzende der Franziskus Stiftung Dr. Nils Brüggemann.

„Eine bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten muss das Ziel einer zukunftsorientierten Gesundheitspolitik sein. Regional aufgestellte Verbünde wie wir leisten eine bedarfsgerechte Versorgung dort, wo die Menschen sie im Notfall als erstes brauchen. Diese Versorgung darf nicht gefährdet werden“, sagt Andreas Barthold, Sprecher der Hauptgeschäftsführung der Alexianer Gruppe.

„Gesundheitsminister Lauterbach sagt in der ,Bild‘-Zeitung, 25, 30 oder 40 % der kleinen Kliniken könnten von der Bildfläche verschwinden. Doch was die kleinen Kliniken sind, darauf gibt es gar keine Antwort“, verdeutlicht Abir Giacaman, Geschäftsführerin des DGD Krankenhauses Sachsenhausen, und betont: „Auch die kleinen Kliniken liefern exzellente Qualität.“ Eine Reform sei wichtig, „aber es kann nicht sein, die kleinen Krankenhäuser einfach beiseite zu wischen und nur mit den großen Kliniken zu planen, da auch diese kleinen Häuser für eine gute, Andreas Barthold, Sprecher der Hauptgeschäftsführung der Alexianer Gruppe wohnortnahe Medizinversorgung erforderlich sind“, kritisiert Abir Giacaman. Sie erlebe in Sachsenhausen bei allen Mitarbeitenden den Willen, einen geänderten Weg zu gehen. „Wir sind bereit für konstruktive Veränderungen, für neue Strukturen und dafür, den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Das haben wir bislang in allen Phasen unter Beweis gestellt“, sagt Giacaman. Und verdeutlicht: „Wir wollen und können unseren Patientinnen und Patienten moderne und gute Medizin anbieten, aber dafür brauchen alle Krankenhäuser die Arbeitsmittel und die Infrastruktur, moderne Medizintechnik und passende Gebäude.“

Auch die St. Barbara-Klinik Hamm GmbH unter Trägerschaft der Franziskus Stiftung unterstützt den bundesweiten Aktionstag und weist auf die Bedeutung einer verlässlichen Versorgung in der Region hin. „Aus Solidarität zu den betroffenen Krankenhäusern schließen wir uns dem Protest und dem Aktionstag an, weil wir endlich wieder Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Kliniken benötigen. Wir haben im vergangenen Herbst bereits auf die Missstände aufmerksam gemacht. Die bisherige politische Hilfe ist nicht genug und vor allem nicht nachhaltig. Es braucht eine andere Lösung als immer neue kurzfristig wirksame Hilfspakete“, so der Vorstandsvorsitzende der Franziskus Stiftung Dr. Nils Brüggemann.

„Wichtig ist eine verlässliche wohnortnahe Versorgung, damit wir den Menschen dort helfen können, wo sie uns brauchen – dafür fordern wir entsprechende finanzielle und regulatorische Rahmenbedingungen“, betont Peter Potysch, Geschäftsführer der St. Barbara-Klinik Hamm GmbH. „Trotz der sehr herausfordernden Situation für die Branche gilt aber für unser Haus: Jeder unserer Patientinnen und Patienten kann sicher sein, nach höchsten Standards versorgt zu sein.“

Bericht: Katrin Rüter