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Politik

45. Deutscher Krankenhaustag: Women’s Leadership – was machen Frauen besser?


Von links: Laura Wamprecht, Geschäftsführerin Flying Health, Prof. Dr. Andrea Morgner-Miehlke, stellvertretende Kaufmännische Direktorin am UKE, Sabine Brase, Pflegedirektorin im Universitätsklinikum Oldenburg und Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG). Foto: GdK/Mario Brand

Margaret Thatcher tat es, Angela Merkel auch, Christine Lagarde tut es immer noch: Führen. Jede dieser Frauen hat ihrer Führungsposition eine eigene Note gegeben. Führen Frauen besser als Männer? Gibt es Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Führung oder doch eher zwischen verschiedenen Führungsstilen? Mit diesen Fragen befasste sich eine führungsstarke weibliche Diskussionsrunde am zweiten Tag des 45. Deutschen Krankenhaustages in Düsseldorf. Unter der Fragestellung „Women’s Leadership – was machen Frauen besser?“ moderierte Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), die Diskutantinnen.

Der Blick auf die aktuelle Studienlage beweist: Heterogenität der Geschlechter in Führungspositionen garantiert eine bessere Unternehmenskultur und mehr Innovationskraft, sagte Sabine Brase, Pflegedirektorin im Universitätsklinikum Oldenburg. Brase ist Diplom-Pflegewirtin (FH) und zudem Coachin (DGfC). Sie plädierte dafür, Frauen in Führung zu bringen und Chancengleichheit zu ermöglichen. „Es gibt keine empirischen Belege, dass Männer grundsätzlich besser geeignet sind für Führungspositionen.“ Frauen arbeiteten in Top-Gremien häufig professioneller und seien weniger anfällig für Seilschaften oder Kumpanei. Wurde eine Zeitlang propagiert, dass sich Frauen einen männlichen Führungsstil aneignen sollten um erfolgreich zu sein, sei dies inzwischen überholt. „Frauen in Führung müssen keine besseren Männer werden, um erfolgreich zu sein. Aber Frauen brauchen mehr Selbstbewusstsein und eine öffentliche Darstellung ihrer Erfolge“, betonte Brase. Frauen führten transformational, was sich durch inspirierende Motovierung, idealisierte Einflussnahme, intellektuelle Stimulierung sowie individuelle Unterstützung auszeichne. Dies führe zu einer hohen Effektivität der Führung. Eigneten sich Männer einen solchen transformationalen Führungsstil an, würden sie allerdings automatisch besser bewertet als Frauen mit der gleichen Führungsmethode.

Am Tisch der Entscheidung Platz nehmen 

„Wir müssen unseren Selbstwert mutig stärken“, appellierte Brase. Frauen fehle oftmals „die Kultur des Stolzes“. Sie unterschätzten ihre eigenen Fähigkeiten und sollten sich ruhig trauen, sich „in eine Stelle hinein zu entwickeln“. Einer Führungsperson werde oft nicht zugebilligt, dass sie auch ein Familienleben hat. Daher ihr Rat: „Empathie nicht ablegen.“ Es gelte, Frauen weiter zu fördern und überzeugende Visionen zu kreieren. „Welche Bedürfnisse habe ich und welche Werte vertrete ich?“ Brase riet, Macht positiv auszubauen. „Nicht an den Katzentisch setzen, sondern am Tisch der Entscheidung Platz nehmen.“ Sie riet zum positiven Umgang mit Einfluss und empfahl Mentoring-Programme und Coaching. Häufig müssten Frauen noch eine „geschlechtsspezifische Bescheidenheit“ überwinden. Zudem empfahl sie, Netzwerke zu nutzen und an weibliche Talentpools anzuknüpfen.

In den Unternehmen gebe es allerdings immer noch einen gravierenden Unterschied zwischen vordergründiger (Gender)Rhetorik und der tatsächlichen Entsprechung in Strukturen und Prozessen. Brase machte den Frauen dennoch Mut: Weltweit seien Frauen die Bildungsgewinnerinnen, deshalb sollte Führung möglichst früh in das Leben von Frauen gebracht werden. Sie selbst sei von Mentoren unterstützt worden.

„Haben Frauen noch ein Problem damit, gegenseitig Empowerment zu üben?“ fragte Prof. Dr. Henriette Neumeyer in die Runde und erzählte selbst von einer solchen Erfahrung auf ihrem Karriereweg. In einem Mentorenprogramm tat sich eine Frau sehr schwer damit, hochqualifizierte Frauen zu fördern, nur weil sie Frauen sind.

Brase berichtete, dass sie von Kollegen gefragt wurde, ob sie nicht mal eine männliche Pflegekraft einstellen wolle. Sie antwortete: „Ich wähle nach Kompetenz aus.“

„Am Ende ist es immer die Kompetenz und die damit verbundene Handlungssicherheit, die wir bei Einstellungen berücksichtigen müssen“, stimmte Prof. Dr. Andrea Morgner-Miehlke, stellvertretende Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), zu.

Verschiedene Führungsstile statt Stereotype

Die Kategorisierung in Geschlechter sei ohnehin nicht mehr zeitgemäß und werde den künftigen Herausforderungen bei Führungsaufgaben nicht gerecht, ist sie überzeugt. Prof. Morgner-Miehlke ist nicht „nur“ stellvertretende Kaufmännische Direktorin am UKE, sondern auch Kaufmännische Leiterin des Onkologischen Zentrums des UKE, sowie stellvertretende Direktorin Universitäres Cancer Center Hamburg (UCCH). Ihr Vortragsthema: „Neue Narrative – braucht Führung ein Geschlecht?“.

Die Idee, dass Frauen die besseren Führungskräfte seien, entstehe häufig in Krisen. In Bedrohungslagen wie Pandemien oder Kriegen werde nach Lösungen gesucht. Und da glaubt man dann, dass eine weibliche Führungskraft besser die Probleme bewältigt als ein Mann, zumal Frauen oftmals eine hohe Problemlösungskompetenz, ein umsichtiger, besonnener und empathischer Umgang bescheinigt wird.

Doch wird diese Klassifizierung unserem heutigen Führungsanspruch noch gerecht? Prof. Morgner-Miehlke sagte: Nein! Es sei besser, nicht mehr von Stereotypen, sondern von Führungsstilen und -inhalten zu sprechen. Female Leadership beschreibe zudem auch nicht den Führungsstil aller Frauen. Frauen in Führung seien nicht gleichzusetzen mit dem weiblichen Führungsstil. „Wir müssen aufpassen, in welche Terminologie wir geraten. Wir brauchen einen Wandel und alternative Werte und Führungsstile.“

Female Leadership könne ein Konzept sein, um konventionelle Methoden der Führung zu überdenken und das Thema Führung neu definieren. Frauen täten sich keinen Gefallen damit, den „weiblichen Führungsstil“ zu apostrophieren. „Ich bin davon überzeugt, dass Führung kein Geschlecht braucht. Letztlich braucht es die richtige Führungsperson auf der richtigen Position. Es braucht einen Führungsmenschen mit Kompetenz und Handlungssicherheit“, sagte sie. Ein ganzheitliches Denken in Bezug auf Führung und ein Mindset-Shift seien zeitgemäß. Gemeint ist damit Haltung zu zeigen, Vorbild zu sein und Erfahrung zu teilen. Zudem sei ein gezieltes Recruiting nötig, um ungleichen Unternehmensstrukturen vorzubeugen.

Dass in der Handwerks- oder der Technologie-Branche ausschließlich Männer arbeiten, ist ein veraltetes Klischee. Aber wie sieht es eigentlich bei den Unternehmensgründungen aus? Laura Wamprecht, Geschäftsführerin Flying Health, referierte zum Thema „FemTech und Co. – Kommen digitale Ökosysteme der Zukunft aus Frauenhand?“ Wamprecht selbst ist studierte Biochemikerin und arbeitet für ein junges Start-up-Unternehmen, das sie als „Ökosystem für Gesundheitsinnovation“ oder „Ökosystem Next Generation Healthcare“ bezeichnete. Der deutsche Startup-Verband veröffentlicht einen Monitor aus dem hervorgeht, dass nur 20 % der Gründer weiblich sind. „Das ist ziemlich wenig“, bedauerte Wamprecht. Diese Diskrepanz sei erschreckend, zumal mehr Frauen als Männer Abitur machen in Deutschland. Frauen sind zwar deutlich in der Minderheit bei Unternehmensgründungen, aber wenn Frauen ein Start-up gründen, dann tun sie dies häufig im Gesundheitsbereich. „Hier können wir noch viele Innovationen aus Frauenhand erwarten“, freute sich Wamprecht und nannte Beispiele für frauenspezifische „FemTech-Themen“ wie digitale Gesundheitsanwendungen in den Bereichen allgemeine Frauengesundheit, Kinderwunsch, Menopause, Hebammenversorgung oder Schwangerschaft.

Doch was passiert eigentlich, wenn eine Gründerin nicht auf die typischen Frauenthemen setzt, sondern eine gute andere Geschäftsidee hat und Kapital braucht, fragte Prof. Neumeyer. „Mit der gleichen Geschäftsidee wird der Frau weniger zugetraut als dem Mann. Frauen müssen bei Investoren viel mehr um Kapital kämpfen als männliche Kollegen, die die gleichen Ideen haben“, so die ernüchternde Erfahrung Wamprechts. Aber, es gibt inzwischen auch Business-Angels, die Investmentfonds nur für Gründerinnen anbieten. Das lässt wieder hoffen.

Tanja Kotlorz