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Politik

Nordrhein-Westfalen: „Substanzverzehr in den Krankenhäusern stoppen“


NRW: „Das niedrige Niveau der Fördermittel führt dazu, dass Krankenhäuser auch aus Eigenmitteln investieren müssen, um einem Substanzverzehr entgegen wirken zu können“, so Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ des RWI. Foto: Sven Lorenz/RWI

KGNW fordert stopp der Abwärtsspirale durch bedarfsgerechte Investitionsfinanzierung

Den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern fehlen jedes Jahr 1,23 Mrd. € Investitionsmittel für Substanzerhalt und Modernisierung bei Gebäuden und Anlagen. Die vom Land 2019 bereitgestellten 626 Mio. € deckten nur etwa ein Drittel des tatsächlichen Bedarfs von rund 1,85 Mrd. €. Dies zeigen das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (Essen) und die hcb GmbH in ihrem aktuellen Investitionsbarometer NRW.

Viele Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen zehren seit Jahren von ihrer Substanz, für Modernisierung fehlt die Luft. Die chronische Unterfinanzierung lässt die wirtschaftliche Basis erodieren.  „Die nächste Landesregierung muss diesen Substanzverzehr in den Krankenhäusern zügig beenden. Dafür muss sie eine bedarfsgerechte Investitionsfinanzierung dieser elementaren Daseinsvorsorge sicherstellen“, forderte der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), Ingo Morell.

Nach der Landtagswahl am 15. Mai 2022 müsse die nächste Landesregierung deshalb einen Fahrplan vorlegen, wie sie dieser gesetzlichen Pflicht nachkommen werde, betonte Morell. „Ohne eine ausreichende Finanzierung mündet diese Entwicklung in einen riskanten Qualitätsverlust der Daseinsvorsorge.“

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Die KHG-Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen beliefen sich im Jahr 2019 auf 626 Mio. € und lagen damit um 7,6 % höher als im Vorjahr. Zwischen den Jahren 2007 und 2016 stagnierten die nominalen Investitionsfördermittel des Landes. Bezogen auf die Krankenhauserlöse sind sie allerdings von etwa 4 % der Erlöse im Jahr 2007 auf 2,8 % im Jahr 2019 gesunken. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern lag die Höhe der Fördermittel in NRW im Jahr 2019 im Mittelfeld und im gesamten Zeitraum von 2007 bis 2019 im unteren Bereich.

Das niedrige Niveau der Fördermittel führt dazu, dass Krankenhäuser auch aus Eigenmitteln investieren müssen, um einem Substanzverzehr entgegen wirken zu können. Seit 2017 ist eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser sowohl bundesweit als auch in NRW zu beobachten.

Investitionsbarometer NRW

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Die im Vergleich zum Leistungsvolumen rückläufigen Fördermittel und Investitionen haben auch Spuren in den Bilanzen der Krankenhäuser hinterlassen. So ist in Nordrhein-Westfalen der Anteil der Sonderposten (Passivposten der Bilanz, in dem die Fördermittel der Krankenhäuser verbucht sind) am förderfähigen Sachanlagevermögen also Grundstücke, Gebäude und Anlagen, in den vergangenen Jahren deutlich gefallen: von 75 % im Jahr 2007 auf nur noch 47 % im Jahr 2019. Im Verhältnis zu den Erlösen ist das Sachanlagevermögen seit Jahren gesunken und erreichte 2019 einen erneuten Tiefpunkt, berichten die Autoren des Investitionsbarometers.

Die jetzige Landesregierung habe die Fördermittel in dieser Legislaturperiode zwar bereits erhöht – mit einer Sonderzahlung in Höhe von 250 Mio. € im Jahr 2017. Doch liegt der Bedarf weit darüber, wie die Wissenschaftler des RWI um Prof. Boris Augurzky nachgewiesen haben. Die Sonderzahlung entsprach einem zusätzlichen Volumen von 2,6 % des förderfähigen Sachanlagevermögens. Würde dieser Betrag dauerhaft zur Verfügung gestellt, könnten die Krankenhäuser damit langfristig, bei einer durchschnittlichen Abschreibungsrate von 5,65 %, ein um 46 % höheres Sachanlagevermögen als gegenwärtig aufbauen.

Selbst, wenn das Land nur den Substanzerhalt finanzieren würde, läge der jährliche Förderbedarf der NRW-Krankenhäuser bei 1,27 Mrd. € pro Jahr (Ist-Ansatz). Der Substanzabbau ist aber wegen unzureichender Fördermittel bereits in den vergangenen Jahren fortgeschritten, sodass die Substanz der Krankenhäuser heute besser sein müsste, als sie es tatsächlich ist. Daran gemessen liegt der eigentliche Investitionsbedarf bei 1,85 Mrd. € jährlich (Soll-Ansatz). Diese Mittel benötigen die Kliniken, um die von ihnen erwartete permanente Modernisierung ihres Sachanlagevermögens sicherzustellen. Die enorme aktuelle Baupreissteigerung von 14 % verschärft diesen Bedarf.

KGNW-Präsident Ingo Morell erkannte an, dass die Landesregierung – und auch der Bund – in der Corona-Pandemie beträchtliche Mittel für Investitionen in die Pandemiebekämpfung und die Digitalisierung bereitgestellt haben. Auch die 2017 einmalig gewährten Fördermittel von 250 Mio. € seien ein guter Impuls gewesen. „Die Krankenhäuser sind für diese Unterstützung dankbar. Doch fehlt es an einer nachhaltigen Finanzierung, damit die Rahmenbedingungen für die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten geschaffen werden können“, sagte Morell. Corona habe viele Krankenhäuser wirtschaftlich schwer getroffen und nicht jeder Verlust werde ausgeglichen. „Wir können es uns schlicht nicht leisten, die Krankenhäuser als Rückgrat der Gesundheitsversorgung weiter zu schwächen.“

Das RWI und die hcb haben für die NRW-Kliniken einen kumulierten Investitionsstau von inzwischen 13,8 Mrd. € errechnet. Die jährlichen Investitionsfördermittel des Landes sind demnach bezogen auf die Erlöse der Krankenhäuser von 4 % im Jahr 2007 auf 2,8 % im Jahr 2019 gesunken. Allerdings gelingt es zunehmend weniger Krankenhäusern, mit Investitionen aus Eigenmitteln den Substanzverlust aufzuhalten, wie das Gutachten aufzeigt: Nur ein Drittel (35 %) war dazu noch in der Lage. Demgegenüber verfügten zwei Drittel höchstens über schwache (24 %) oder gar keine (41 %) Ressourcen für Investitionen. „Eigentlich müssten Krankenhäuser 7 bis 8 % ihrer Erlöse in den Erhalt des vorhandenen Sachanlagevermögens investieren können, 2019 waren es aber höchstens 5 %“, beschrieb Prof. Augurzky die Lage. Die fehlenden Investitionsmittel drückten weiter auf die Bilanzen der Krankenhäuser, deren Sachanlagevermögen 2019 einen neuen Tiefpunkt erreichte. Ohne Veränderung verschlechtert sich nach Berechnung des RWI das Jahresergebnis eines nordrhein-westfälischen Krankenhauses von 2019 bis 2032 um zwei Prozentpunkte auf minus 1,2 %. „Wenn die Förderlücke geschlossen wird, erreicht die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser dagegen ein tragfähiges Niveau. Geschieht dies nicht, wächst der Investitionsstau weiter an, und der schleichende Substanzverzehr der Krankenhäuser setzt sich fort“, betonte Augurzky.

Ohne zusätzliche Investitionsmittel für Krankenhausplanung droht Abwärtsspirale

Vor dem Hintergrund des aktualisierten Investitionsbarometers NRW forderte Ingo Morell die Landesregierung auf, zusätzlich auch die laufende Krankenhausplanung schnellstens mit den notwendigen finanziellen Mitteln zu unterfüttern.

Die Krankenhäuser NRWs fordern von der kommenden Landesregierung ein Sonderprogramm gegen den bisher aufgelaufenen Investitionsstau. Für die Umsetzung der Krankenhausplanung müsse das Land zusätzliche Finanzmittel bereitstellen.

Die KGNW habe stets betont, dass dieses Geld losgelöst vom Investitionsbedarf zu sehen ist: „Wir benötigen dringend die konkrete Finanzierung beispielsweise durch einen Landesstrukturfonds, sonst droht uns eine unkontrollierte Abwärtsspirale für die Krankenhäuser. Das Ziel der mühsam ausgearbeiteten Planungssystematik, eine bessere stationäre und ambulante Versorgung der Patientinnen und Patienten in den Kliniken zu erreichen, würde ins Gegenteil verkehrt“, so der KGNW-Präsident. Er geht davon aus, dass ein solcher Landesstrukturfonds für die Krankenhausplanung in den kommenden fünf Jahren mindestens 2 Mrd. € umfassen muss. Abhängig vom Grad der Umsetzung müssten damit 200 bis 400 Mio. € jährlich in der kommenden Legislaturperiode zur Verfügung stehen.

Die vollständige Studie mit dem aktualisierten Investitionsbarometer steht zum Download unter dem folgenden Link bereit: www.kgnw.de/positionen

„Das niedrige Niveau der Fördermittel führt dazu, dass Krankenhäuser auch aus Eigenmitteln investieren müssen, um einem Substanzverzehr entgegen wirken zu können“, so Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit“ des RWI. Foto: Sven Lorenz/RWI