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Politik

Bundestagswahl 2021: Wahlprogramme im Krankenhaus-Check

Jan Eilrich, Sabrina Krause

Perspektiven der Parteien für die zukünftige stationäre Versorgung

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie drehte sich der öffentliche und politische Diskurs plötzlich noch stärker und mit größerer Intensität um die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens. Nach mittlerweile eineinhalb Jahren, in denen die Folgen der Corona-Pandemie insbesondere die stationäre Versorgung zeitweise vor erhebliche Herausforderungen gestellt hat, lässt sich feststellen, dass die deutschen Krankenhäuser einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben, dass Deutschland im internationalen Vergleich erfolgreich im Kampf gegen die Pandemie war und ist. Einige gesundheitspolitische Reformen in der 19. Legislaturperiode konnten jedoch, bedingt durch die Pandemie, nicht abgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass auch die neu gewählte Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode der Gesundheitspolitik eine hohe Bedeutung beimessen wird.

Strukturreform, Digitalisierung, Pflegepersonal: Mit welchen krankenhausbezogenen, gesundheitspolitischen Positionen gehen die Parteien in die Bundestagswahl? Der Beitrag beleuchtet die Wahlprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien und stellt ihre Vorhaben vor.

Krankenhausstrukturreform

Eine Strukturreform der Krankenhauslandschaft wurde schon in der aktuellen Legislaturperiode intensiv diskutiert. Seit jeher streiten aber Gesundheitsexperten über die Ziele und Wege zur Umsetzung. Auch die großen Parteien positionieren sich dazu in ihren Wahlprogrammen anlässlich der Bundestagswahl im Herbst 2021.

Da eine Strukturreform mit maßgeblichen Veränderungen in der Finanzierung, der Planung und den Versorgungsstrukturen einhergeht bzw. diese deutlich beeinflusst, werden in einem ersten Schritt die unterschiedlichen Positionen der Parteien für diese Unterthemen dargestellt, um dann in einem Zwischenfazit die parteipolitischen Ziele einer Strukturreform zu einem Gesamtbild zusammenzufassen.

  • Krankenhausfinanzierung und DRG-System

CDU/CSU sprechen sich für eine bedarfsgerechte und flächendeckende Grund- und Regelversorgung aus, die in der Krankenhausfinanzierung stärker berücksichtigt werden soll, insbesondere mit Blick auf die ländliche Versorgung. Detailliertere Positionen werden nicht formuliert. Die SPD befürwortet ebenfalls eine angemessene und bedarfsgerechte Grundfinanzierung. Das Fallpauschalensystem soll geprüft und dort, wo notwendig, abgeschafft werden. Explizit genannt werden die Ausgliederung der Geburtsmedizin und die Neustrukturierung der Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin. Die Linken gehen dabei noch einen Schritt weiter und fordern die Abschaffung der Fallpauschalen und eine vollständige Finanzierung der Krankenhausbetriebskosten durch die Krankenkassen. Damit einher geht die Vorstellung, dass Gewinne aus dem Betrieb von Krankenhäusern nicht entnommen werden dürfen sondern zukünftig vollständig im Betrieb verbleiben müssen. Auch die SPD formuliert die Absicht, dass Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen sollen. Bündnis 90/Die Grünen sprechen sich für eine Reform der Krankenhausfinanzierung mit einem stärkeren Strukturfinanzierungsanteil aus. Perspektivisch soll es eine gemeinsame Abrechnungssystematik von ambulanten und stationären Leistungen geben. Die FDP setzt ihren Schwerpunkt auf ein qualitätsorientiertes Vergütungssystem. Zusätzlich sollen Fehlanreize für eine Überversorgung vermieden werden. Die AfD sieht die Finanzierung der Krankenhäuser perspektivisch über ein Individualbudget vor, bei dem das klinische Leistungsgeschehen, die Prüfungsergebnisse eines neuen Medizinischen Dienstes im Gesundheitswesen, der Bedarf in der Bevölkerung sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Krankenhauses herangezogen werden.

Die Vorstellungen einer bedarfsgerechten Grundfinanzierung, eines Strukturfinanzierungsanteils sowie der Krankenhausbudgets zielen alle auf verbesserte Vorhaltefinanzierung ab. Bis auf die CDU/CSU legen alle Parteien zusätzlich konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor. Die Vorschläge reichen dabei von der vollständigen Abschaffung der Fallpauschen bis hin zu einer stärkeren Qualitätsorientierung.

  • Investitionsfinanzierung: kaum Ansätze in den Wahlprogrammen

Zur Investitionsfinanzierung im Speziellen haben sich nur drei Parteien geäußert. Die SPD spricht sich dafür aus, die Investitionsmittel an klare Zielvorgaben für Reformen zu koppeln, wobei diese nicht näher erläutert werden. Bündnis90/Die Grünen fordern eine gemeinsame Investitionsfinanzierung von Bund und Ländern für die Krankenhäuser. Zudem sollen „grüne“ Krankenhäuser und Maßnahmen zur Verringerung von CO2-Emmissionen stärker unterstützt werden. Die FDP fordert eine nachhaltige Verbesserung der Investitionskostenfinanzierung nur speziell für Maximalversorger und kleinere spezialisierte Kliniken. Diese Einschränkung wird mit dem Ziel begründet, dadurch eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung sicherstellen zu können. CDU/CSU, AfD und Die Linke äußern sich nicht explizit zur Krankenhausinvestitionsfinanzierung.

Die Ausführungen in den Wahlprogrammen zur zukünftigen Investitionskostenfinanzierung werden der hohen Bedeutung einer nachhaltigen und ausreichenden Investitionsfinanzierung für die Krankenhausstrukturen nicht gerecht. Der wesentliche Grund dürfte die duale Krankenhausfinanzierung sein, durch die den Ländern die Verantwortung einer zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser ausreichenden Investitionskostenfinanzierung obliegt.

  • Krankenhausplanung

Dem Programm der Unionsparteien zufolge soll das Ziel einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Grund- und Regelversorgung, insbesondere in der ländlichen Versorgung, in der Krankenhausfinanzierung und in der Krankenhausplanung stärker berücksichtigt werden. Als konkrete Maßnahme wird eine stärkere Bündelung komplexer Behandlungen genannt. Auch wenn diese Maßnahme als Qualitätssicherungsinstrument vorgesehen ist, hat sie dennoch Auswirkungen auf die Krankenhausplanung. Die SPD trifft keine konkrete Aussage zur Weiterentwicklung der Krankenhausplanung sondern möchte grundsätzlich die Versorgung aufrechterhalten. Recht umfangreich äußern sich Bündnis 90/Die Grünen zur zukünftigen Ausgestaltung der Krankenhausplanung. Es wird eine verbindlichere Landeskrankenhausplanung gefordert, die die öffentlichen Versorgunginteressen an Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorger definiert. Der Bund soll dazu die Möglichkeit haben, gemeinsame bundesweite Grundsätze zu definieren. Die flächendeckende, erreichbare Grundversorgung der Bevölkerung soll dabei einen eigenen Stellenwert haben. Mit Blick auf die Vorstellungen einer sektorenübergreifenden Versorgung wird bereits die gemeinsame Planung von ambulanter und stationärer Versorgung gefordert. Auch bei den Linken ist der sektorenübergreifende Ansatz zentral für die Weiterentwicklung der Versorgungsplanung. Daher wird eine gemeinsame Planung von stationärer und ambulanter Versorgung über ein gemeinsames Planungsgremium (Patientenvertreter, Länder, Kommunen, Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen) angestrebt. Speziell für die Krankenhäuser sollen die Planungsrechte der Bundesländer gestärkt werden. Die FDP zielt bei der zukünftigen Krankenhausplanung auf eine verantwortungsvolle Bereinigung des stationären Überangebots. Vehement lehnt die FDP eine Planungshoheit der Krankenkassen für die Versorgungsstrukturen ab.

Einige Parteien haben sich auch explizit zur Trägerstruktur in der Krankenhauslandschaft geäußert. Die Linke strebt eine Rückführung der Krankenhäuser in kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Hände an. Dies soll mit einem Fonds vom Bund zur Förderung der Rekommunalisierung erreicht werden. Zudem sollen kommunale Krankenhausverbünde stärker gefördert werden. Mit der bereits dargestellten Positionierung zur vollständigen Reinvestition von Gewinnen sollen die Anreize für private Konzerne zusätzlich minimiert werden. Weniger radikal sind die Positionierungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die eine stärkere Gemeinwohlorientierung anstreben, wobei die Grünen explizit den Trend zur Privatisierung umkehren wollen. Die AfD möchte den Anteil der privaten Träger auf maximal 60 % begrenzen. Die FDP setzt sich für die Sicherstellung der Trägervielfalt ein.

  • Sektorenübergreifende Versorgung: wenig detaillierte Vorstellungen

Wie bereits bei den Ausführungen zur Krankenhausplanung zu erkennen ist, wird die Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung vermutlich eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Themen der 20. Legislaturperiode. An dieser Schnittstelle werden aktuell die meisten Potenziale zur Verbesserung der Versorgung und der Angebotsstrukturen gesehen. Umso überraschender ist, dass im Wahlprogramm der CDU/CSU dazu keine Aussage getroffen wird. Die SPD erklärt eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zum Ziel, weshalb die Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor neu geordnet, die Sektorengrenzen überwunden und eine gute Kooperation und Koordination der medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe sichergestellt werden müssten. Dazu sollen Integrierte Versorgungszentren in ländlichen Regionen ausgebaut werden, wofür die Krankenhäuser stärker ambulant geöffnet werden müssen. Dort soll eine teambasierte und interdisziplinäre Form der ambulanten Versorgung geschaffen werden.

Bündnis 90/Die Grünen haben sich bereits zum Ende der laufenden Legislaturperiode mit dem Vorschlag für Gesundheitsregionen in die Diskussion zur Weiterentwicklung der sektorenübergreifenden Versorgung eingebracht. Die detaillierten Vorstellungen finden sich im Wahlprogramm jedoch nicht wieder. Dort wird lediglich die Förderung von regionalen Versorgungsverbünden adressiert. Der sektorenübergreifende Ansatz findet sich aber in der gemeinsamen Planung und dem perspektivisch einzuführenden gemeinsamen Abrechnungssystem wieder.

Die FDP möchte die Versorgungsbereiche künftig besser verzahnen und vernetzen und dafür die Sektorengrenzen abbauen. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme explizit berücksichtigt werden. Der Grundsatz ambulant vor stationär soll dabei maßgeblich sein. Für die Dauer der Entscheidungsverfahren zur Überführung von stationären Leistungen in die ambulante Versorgung soll die stationäre Vergütung erhalten bleiben. Auch die Linken sehen regionale Versorgungsnetzwerke mit einer sektorenübergreifenden Versorgung mittelfristig als Rückgrat der wohnortnahen medizinischen Versorgung. Diese Netzwerke sollen als zentrale Anlaufstelle für die Patienten dienen und eine Koordinierungsfunktion übernehmen. Die AfD strebt einen stärkeren Ausbau von Polikliniken und MVZ (unter ärztlicher Leitung) an. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen zudem konsequent ihren Sicherstellungsauftrag zur flächendeckenden Versorgung wahrnehmen.

  • Reformbaustelle Notfallversorgung

Eine - vor allem pandemiebedingt - offene Reformbaustelle aus der 19. Legislaturperiode ist die ambulante Notfallversorgung. Sehr ausführlich stellen Bündnis 90/Die Grünen ihre Vorstellungen dazu im Wahlprogramm vor. Neben einer Zusammenführung der 112 und 116 117 zu einer gemeinsamen Gesundheitsleitstelle sollen an zentralen Klinikstandorten Notfallzentren aufgebaut werden, an denen die ambulanten und stationären Versorgungsmöglichkeiten eng verzahnt sind. Die Finanzierung soll über eigene Budgets für die Notfall- und Intensivmedizin erfolgen. Darüber hinaus sollen einheitliche Stufen und Vorgaben zur Notfallversorgung definiert werden. SPD und FDP fordern eine integrierte Notfallversorgung, wobei es dazu keine detaillierten Ausführungen gibt. Die Linken sehen die notfallmedizinische Versorgung als einen Bestandteil der bereits vorgestellten regionalen Versorgungsnetzwerke.

  • Zwischenfazit: mögliche Ziele

Die Parteien haben sich in ihren Wahlprogrammen in sehr unterschiedlicher Detailtiefe zur Weiterentwicklung der Strukturen in der stationären Versorgung positioniert. Während sich einige Parteien nur sehr übergeordnet zu ihren Perspektiven äußern, gibt es wiederum zahlreiche sehr detaillierte Ausführungen zu speziellen Versorgungsbereichen. Die CDU/CSU hat sich zu den Krankenhausstrukturthemen in nur wenigen inhaltlichen Sätzen positioniert. Auch in Bezug auf die künftige Gestaltung der Strukturen ist das Thema der sektorenübergreifenden Versorgung von zentraler Bedeutung. Nahezu alle Parteien formulieren dazu grundsätzliche Versorgungsziele - einige positionieren sich bereits mit klaren Reformabsichten. Eine sektorenübergreifende Planung, sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen sowie eine integrierte Notfallversorgung sind die häufigsten Ansätze. Auch bei der Krankenhausfinanzierung eint die Parteien der Wille, eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung zu erreichen. Die Abschaffung der Fallpauschalen oder ein Strukturfinanzierungsanteil werden zum Beispiel als konkrete Maßnahmen angekündigt. Bei anderen Parteien bleibt es bei der Absichtserklärung, deren Umsetzung aber nicht erläutert wird.

Krankenhauspersonal

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen verstärkt sich weiter und wird zunehmend von der Öffentlichkeit wahrgenommen. In der 19. Legislaturperiode wurden, mit einem starken Fokus auf den Bereich der Pflege, zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Personalsituation in den Krankenhäusern zu verbessern. Die ersten Trends bei den Ausbildungszahlen stimmen zwar positiv, allerdings wird aufgrund des bevorstehenden Renteneintritts der „Babyboomer-Generation“ und einer wachsenden Inanspruchnahme im Zuge des demografischen Wandels der Personalbedarf in den Krankenhäusern noch weiter steigen.

Für alle Berufsgruppen im Krankenhaus soll nach Auffassung der Linken Personalabbau und Outsourcing ausgeschlossen werden. Alle Beschäftigten sollen unabhängig von ihrer Beschäftigungsform dieselben Löhne auf Tarifvertragsbasis gezahlt bekommen („Ein Haus, ein Tarif“). Die FDP fordert bessere Arbeitsbedingungen und einen optimierten Ausgleich zwischen Arbeits- und Privatleben. Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter und setzen sich für innovativere Arbeitsmodelle, zum Beispiel die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, ein.

  • Pflegekräfte

Alle Parteien planen, die aktuellen Bemühungen auch in der 20. Legislaturperiode fortzuführen und unterbreiten verschiedene Vorschläge, um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten. Um der Pflege auch in der Öffentlichkeit sowie der Selbstverwaltung mehr Gehör zu verschaffen, setzen sich CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen für die Schaffung einer Bundespflegekammer ein. Die Linke lehnt diese Struktur ab und sieht stattdessen einen erheblichen Personalaufbau vor. Über ein Pflegestellenförderprogramm sollen 100 000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern eingesetzt werden. Dies soll über einen pauschalen und generellen monatlichen Zuschlag in Höhe von 500 € auf das Grundgehalt und über die Rückgewinnung ausgebildeter, aber aus dem Beruf ausgeschiedener Pflegekräfte erreicht werden.

Auch die anderen Parteien sehen verbesserte Löhne und Arbeitsbedingungen als wichtigen Baustein zur Steigerung der Attraktivität des Berufsbildes an, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. SPD, Grüne, Linke und FDP streben an, über ein flächendeckendes, einheitliches und verbindliches Personalbedarfsbemessungsverfahren, zum Beispiel der PPR 2.0, einen attraktiven Arbeitsplatz sicher zu stellen. Die FDP fordert darüber hinaus die Abschaffung der Pflegepersonaluntergrenzen sowie eine Entlastung der Pflegekräfte durch den Einsatz digitaler Medien und den Abbau von Bürokratie. Dazu sollen Bürokratie- und Berichtspflichten bepreist werden. Auch CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Forderung nach einem Bürokratieabbau. Zusätzlich wollen Bündnis 90/Die Grünen Tarifverträge als verpflichtende Grundlage für Pflegelöhne definieren. Die AfD möchte über einen Flächentarifvertrag mit steuerfreien Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen eine leistungsgerechtere Bezahlung sicherstellen.

Einen besonderen Schwerpunkt legen die Parteien auch auf die Pflegeausbildung. Nach dem Willen der FDP soll diese grundlegend reformiert und durch die Aufnahme von digitalen Inhalten, pflegerischen Kompetenzen und einer verbesserten Durchlässigkeit gestärkt werden. Zur Entlastung des Pflegepersonals wollen die Unionsparteien die Ausbildung zur Pflegefachassistenz aufwerten, gemeinsam mit den Ländern bundesweit harmonisieren und durch eine bundesweite Ausbildungsvergütung attraktiver gestalten. Bündnis 90/Die Grünen fokussieren sich stärker auf das Pflegestudium sowie die Pflegeforschung und möchten diese strukturell unterstützen und finanziell aufwerten. Einen Sonderweg schlägt die AfD ein. Sie lehnt die generalistische Pflegeausbildung ab und fordert stattdessen die Rückkehr zu den getrennten Ausbildungsformen. Medizinisches Fachpersonal aus dem Ausland, das in Deutschland in der Pflege arbeiten möchte, sollte nach Auffassung der AfD künftig mindestens über Kenntnisse der deutschen Sprache auf C1-Niveau und eine dem deutschen Standard entsprechende fachliche Qualifikation verfügen.

  • Gesundheitsfachberufe

Neben der Stärkung der Pflege sah der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode auch eine verbesserte Ausbildung bei den Gesundheitsfachberufen vor. Erste Anpassungen wurden bereits vorgenommen. Die Bemühungen mussten jedoch aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen werden. Nach den Vorstellungen der FDP soll dieser Prozess zur Stärkung der freien Gesundheitsfachberufe weiter fortgeführt werden.

Neben einer grundsätzlichen Gebührenfreiheit in der Ausbildung zu den Gesundheitsfachberufen unterstützen die Linken bundesweit einheitliche Ausbildungsordnungen mit einer angemessenen Ausbildungsvergütung. Darüber hinaus sollen diese Berufe gestärkt und besser bezahlt werden. Beide Ziele verfolgt auch die CDU/CSU, möchte aber zusätzlich noch die Kompetenzen der Heil- und Hilfsmittelerbringer stärker nutzen. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen diese Forderungen und äußern konkrete Umsetzungsvorschläge, indem sie einen Direktzugang und reguläre Studiengänge für die Therapieberufe fordert.

Detailliert gehen Bündnis 90/Die Grünen auf die Reformvorhaben in der Hebammenversorgung ein und haben damit ein Alleinstellungsmerkmal. Zum einen möchten sie einen Geburtshilfegipfel einberufen, der Qualitätsstandards  festlegt. Außerdem setzen sie sich für eine 1:1 Betreuung bei der Geburtshilfe, die Wahlfreiheit des Geburtsortes, eine Reform der Berufshaftpflicht und die Aufnahme einer Rufbereitschaftspauschale ein. Die wohnortnahe Hebammenversorgung soll auch durch den Ausbau hebammengeführter Kreißsäle und Geburtshäuser sichergestellt werden.

Digitalisierung

Der Ausbau der Digitalisierung war ein Schwerpunkt von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in der 19. Legislaturperiode. Für die Fortführung dieses Kurses und eine intensivere Nutzung der Digitalisierungspotenziale setzen sich Union, SPD und FDP ein. Für die Linken ist besonders wichtig, dass digitale Gesundheitstechnologien barrierefrei gestaltet werden und damit für alle zugänglich sind. Bündnis 90/Die Grünen möchten die elektronische Patientenakte konsequent weiterentwickeln und Softwarehersteller zur Sicherstellung der Interoperabilität verpflichten, offene Schnittstellen anzubieten.

Einen konzeptionellen wie strukturellen Schwerpunkt legen CDU/CSU auf die Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen. An die E-Health-Strategie soll sich der Prozess Digitale Gesundheit 2025 anschließen, der schrittweise und ressortübergreifend zu einer umfassenden Strategie Digitale Gesundheit 2030 ausgebaut werden und konkrete Handlungsempfehlungen für die Gesundheitsversorgung enthalten soll. Für die Bevölkerung wird ein digitaler, wohnortnaher und barrierefreier Zugang zu den verschiedenen Gesundheitsversorgern garantiert. Dafür sollen auch die bereits eingeführten digitalen Innovationen des virtuellen Krankenhauses noch intensiver beitragen, um medizinische Fachkenntnis flächendeckend verfügbar zu machen. Mit der Einführung digitaler Versorgungsketten plant die Union, Informationslücken zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Praxen zu beseitigen.

  • Entlastung des Personals

Mit der Digitalisierung soll zudem das Personal im Gesundheitswesen entlastet werden. Hierbei legen die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte. Die Linken betonen, dass ihr Schwerpunkt auf einer sinnvollen, die Pflegekräfte entlastenden Digitalisierung liegt. CDU/CSU sehen eine eigene Innovationsoffensive zur Digitalisierung und für den Einsatz von Robotik in der Pflege vor. Dafür möchten sie ein 500 Mio. € schweres Förderprogramm aufsetzen. Auch die SPD möchte mithilfe der Digitalisierung das Personal gezielt entlasten, allerdings darüber hinaus explizit die Versorgungsqualität und die Effizienz verbessern. Die Sozialdemokraten betonen ausdrücklich, mit der Digitalisierung kein Personal ersetzen zu wollen. Vielmehr müsse das Personal weitergebildet und qualifiziert werden.

  • Datenverarbeitung

Durch den Ausbau der Digitalisierung werden immer mehr Daten generiert. Diese sind zugleich besonders sensibel und schützenswert, worauf die SPD verweist. Andererseits können sie einen wichtigen Beitrag dafür leisten, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Deshalb setzen sich Bündnis 90/Die Grünen dafür ein, pseudonymisierte oder anonymisierte Gesundheitsdaten unter Einhaltung höchster Datenschutzanforderungen für die Forschung zu nutzen. Auch die Unionsparteien sprechen sich dafür aus, pseudonymisierte Daten für die Forschung zu nutzen und entsprechende Datenschutzregelungen zu vereinheitlichen. Die Linken betonen in diesem Zusammenhang die Wahrung und den Schutz der informationellen Selbstbestimmung. Außerdem sollen alle Daten, die im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte erhoben werden, nicht zentral gespeichert werden können. Gegen eine zentrale Speicherung vertraulicher Patientendaten in einer Datenbank spricht sich vehement die AfD aus. Stattdessen sollten ihrer Überzeugung nach lediglich ein Notfalldatensatz, die Medikamentenübersicht oder eine Patientenverfügung dezentral auf der Gesundheitskarte gespeichert werden können.

  • Lehren aus der Pandemie

Nahezu alle Parteien leiten aus den Erfahrungen in der Corona-Pandemie Anpassungen und Forderungen im Gesundheitswesen ab. Insbesondere der Öffentliche Gesundheitsdienst rückt verstärkt in den Fokus und soll gestärkt, besser finanziert und durch einen stärkeren Einsatz digitaler Medien modernisiert werden. Dafür sprechen sich neben der Union auch die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke aus.

Strukturell sollen nach Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen bereits frühzeitig Vorkehrungen für künftige Pandemien geschaffen werden. Dafür strebt die Partei eine Definition von einheitlichen Stufen zur Pandemieeindämmung, die Aktualisierung der Pandemieschutzpläne und die Errichtung eines unabhängigen und interdisziplinären Pandemierates an. Außerdem soll ein neues Bundesinstitut für Gesundheit geschaffen werden, das als zentrales Public-Health-Organ wirkt. CDU/CSU setzen sich stattdessen dafür ein, bereits existierende Strukturen zu nutzen, indem das Robert-Koch-Institut gestärkt und zu einem Public-Health-Institut ausgebaut wird.

Im Bereich der Arzneimittel fordern die Linken die Stärkung der Arzneimittelsouveränität und werden dabei von CDU und CSU unterstützt, die sich außerdem für eine Bevorratung versorgungskritischer Wirkstoffe aussprechen. Die SPD möchte als Reaktion auf die Corona-Pandemie die Arzneimittelentwicklung in Deutschland gezielt fördern. Die Linken streben ganz speziell eine Stärkung und den Ausbau der Forschung zu Symptomen, Langezeitfolgen und Therapie von Covid-19-Infektionen an.

Übergeordnete gesundheitspolitische Themen

Die Wahlprogramme enthalten darüber hinaus verschiedene, eher allgemein gehaltene und übergeordnete Positionen zur Gesundheitspolitik. Teilweise betreffen diese auch die Krankenhäuser. Dabei berücksichtigen die Parteien nicht nur nationale Vorhaben, sondern machen auch Vorschläge für Reformen, die auf europäischer Ebene zu verorten sind.

  • Vorstellungen zur übergeordneten nationalen Gesundheitspolitik

Auf nationaler Ebene wird immer wieder die Einführung einer Bürgerversicherung diskutiert. Entsprechende Forderungen fanden sich bereits in den Wahlprogrammen der Parteien zu den vorherigen Bundestagswahlen. Während die Union ein enges Zusammenspiel von gesetzlicher und privater Krankenversicherung forciert, fordern SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Einführung einer einheitlichen Bürgerversicherung. Einen Schritt weiter geht die Linke, die zunächst die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufheben und schrittweise eine solidarische Gesundheitsversicherung einführen möchte, in die alle Erwerbstätigen einzahlen und die keine Beitragsbemessungsgrenzen vorsieht. Demgegenüber steht die Forderung der FDP, die Trennung von GKV und PKV beizubehalten und den Wettbewerb zwischen beiden zu stärken. Dazu soll auch der Wechsel zwischen beiden Versicherungstypen vereinfacht werden.

Darüber hinaus legen die Parteien ganz unterschiedliche Schwerpunkte in ihren Wahlprogrammen. Die Unionsparteien planen, den Zugang zur Palliativ- und Hospizversorgung zu garantieren. Auch Bündnis 90/Die Grünen möchten Hospize und die ambulante Palliativversorgung verbessern und ausbauen. Darüber hinaus setzen sie sich für eine Stärkung der Universitätsmedizin, eine Erhöhung der Qualitätstransparenz und eine optimierte Versorgung psychisch Erkrankter ein. Dies soll beispielsweise durch ein flexibles Hilfsangebot von ambulanter und stationärer Versorgung erreicht werden. Für die Linken ist ein vollständig barrierefreier Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen wichtig. Deshalb setzt sich die Partei auch für die Mitnahme persönlicher Assistenten bei stationären Aufenthalten von Menschen mit Behinderungen ein. Die SPD möchte das Angebot für Schwangere, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen wollen, verbessern. Krankenhäuser, die öffentliche Mittel erhalten, sollen diese Eingriffe anbieten. Dagegen sieht die AfD verschiedene Verpflichtungen für die Krankenhäuser vor, die vielfach qualitätsorientiert sind. Diese umfassen eine verpflichtende Untersuchung auf multiresistente Keime bei jedem stationären Krankenhausaufenthalt sowie einer vorgeschriebenen Beschäftigung eines Mikrobiologen bei Krankenhäusern mit Intensivstation. Außerdem sollen unangekündigte Qualitätskontrollen durchgeführt werden können. Im Anschluss an eine stationäre Behandlung von Pflegebedürftigen soll es Krankenhäusern möglich sein, von der Pflegeversicherung finanzierte Leistungen im Rahmen der Kurzzeitpflege zu erbringen.

  • Vorstellungen zur europäischen Gesundheitspolitik

Die Gesundheitspolitik ist bislang Angelegenheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Bereits in den letzten Jahren wurden jedoch verschiedene Initiativen unternommen, die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitspolitik zu stärken. Insbesondere die SPD und Bündnis 90/Die Grünen möchten diesen Kurs mit weiteren Reformschritten intensivieren. Während sich die Grünen für eine gemeinsame europäische Planung von Notfallkapazitäten sowie die Etablierung eines europäischen Frühwarnsystems aussprechen, will die SPD eine europäische Gesundheitsunion schaffen. Bestandteile dieser sollen u. a. einheitliche Mindeststandards in der Gesundheitsversorgung, ein starker Katastrophenmechanismus und die gemeinsame Beschaffung von medizinischen Produkten sein. Die Linke fordert hingegen ein sozial-ökologisches Investitionsprogram der EU, mit dem gezielt schwächere Länder, Regionen und Branchen für Zukunftsaufgaben gefördert werden.

Fazit

Infolge der Corona-Pandemie kommt der Gesundheitspolitik in der 20. Legislaturperiode eine besondere Bedeutung zu. Die Parteien legen in ihren Wahlprogrammen ganz unterschiedliche Schwerpunkte mit verschiedenen Lösungsansätzen. An vielen Stellen lassen sich jedoch bereits die künftigen gesundheitspolitischen Reformdiskussionen erkennen. Die Reform der Krankenhausstrukturen, die nachhaltige Lösung des Fachkräftemangels und eine weitere Forcierung der Digitalisierung im Gesundheitswesen werden dabei verstärkt in den Mittelpunkt rücken. Wie notwendige Reformen in diesen Problemfeldern inhaltlich ausgestaltet werden, hängt am Ende maßgeblich davon ab, welche Parteien die künftige Regierung stellen und welche Mehrheitsverhältnisse existieren.

Die Wahlprogramme im Netz

sind beispielsweise auf der Website www.bundestagswahl-2021.de/wahlprogramme/

abrufbar

Anschrift der Verfasser

Jan Eilrich/Sabrina Krause, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V., Bereich Politik, Wegelystraße 3, 10623 Berlin