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Interviews und Meinungen

„Wohnortnahe Grundversorgung und sinnvolle Verteilung“


Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) will auf keine Klinik verzichten. Foto: Ecki Raff

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) sieht die Klinikreform der Bundesregierung im Vermittlungssauschuss, falls Sicherstellungskrankenhäuser gefährdet sind

Wie bewerten Sie das jetzt vorliegende KHVVG?

Wir brauchen eine Reform der Krankenhäuser – auch in Mecklenburg-Vorpommern. Letztlich wird sich die Kliniklandschaft verändern und ich möchte keinen kalten Strukturwandel, sondern die Veränderung planerisch begleiten, orientiert am Bedarf der Patientinnen und Patienten. 

Welche Änderungen der elf Änderungswünsche der Länder sind denn aus Ihrer Sicht nun berücksichtigt worden vom BMG bzw. den Ampelparteien?

Uns sind alle unsere Änderungswünsche nach wie vor wichtig. Eine Änderung ist jetzt berücksichtigt worden, die auch für Mecklenburg-Vorpommern von großer Bedeutung ist. Bei den Sicherstellungskrankenhäusern, von denen wir sehr viele haben, müssen Ausnahmen und Kooperationsmöglichkeiten von den Vorgaben der Leistungsgruppen möglich sein. Das ist deswegen so wichtig und entscheidend für die Länder, weil die Leistungsgruppen ursprünglich mal nach dem nordrhein-westfälischen Modell erdacht waren. In NRW geht es um eine Reduktion in den Krankenhausstrukturen. Die ostdeutschen Bundesländer brauchen keine Reduktion von Kliniken, sondern eine wohnortnahe Grundversorgung und eine sinnvolle Verteilung spezialisierter Fälle. Deswegen ist es für mich wichtig, dass es nun die Möglichkeit gibt, Sicherstellungskrankenhäuser über Kooperationen und Ausnahmen von den Leistungsvorgaben erhalten zu können.

Wie wird sich die Versorgung im ländlichen Raum durch diese Klinikreform verändern?

Im ländlichen Bereich ist es wichtig, dass wir eine Grundversorgung und eine Notfallversorgung erhalten. Deshalb ist auch jeder Krankenhausstandort von Bedeutung. Je planbarer ein Eingriff ist, umso mehr geht es um die Spezialisierung und weniger um die wohnortnahe Erfüllung der Leistung. Wenn ein Eingriff planbar ist, dann kommt es nicht in erster Linie auf die Fahrminuten bis zur nächsten Notaufnahme an, sondern auf die Frage: ‚Wo haben wir das ausgebildete und spezialisierte Fachpersonal?‘ 

Wie viele Krankenhäuser werden angesichts dramatischer Defizite die Klinikreform noch erleben?

Für ganz Deutschland kann ich das nicht sagen. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir bereits eine starke Konsolidierung der Krankenhauslandschaft durchgeführt, daher sind alle Krankenhausstandorte für eine flächendeckende Versorgung von Bedeutung. Wir hatten Anfang der 90er Jahre 55 Krankenhäuser und sind auf jetzt 37 Standorte geschrumpft. Und diese 37 Klinikstandorte brauche ich auch in unserem großen Flächenland, etwa mit Blick auf Fahrzeiten zur Notaufnahme. Das heißt nicht, dass jeder Standort in seinem Portfolio unverändert bleibt. Aber ich kann auf kein Krankenhaus verzichten. Deswegen werden wir auch nicht planen, in Mecklenburg-Vorpommern Krankenhäuser zu schließen. Ich weiß, dass es bei Kollegen in anderen Bundesländern wo es diese Strukturreform wie in den ostdeutschen Bundesländern nicht gegeben hat, anders diskutiert wird. Dort ist von einem Klinikabbau von 20 % die Rede, um eine gute zukunftsfähige Struktur zu haben. Das ist der Balanceakt, den wir erfüllen müssen zwischen den unterschiedlichen Bedarfen der Länder. Ich möchte in Mecklenburg-Vorpommern kein Krankenhaus schließen.

Wie ist jetzt das weitere Verfahren in Mecklenburg-Vorpommern?

Das Bundesgesetz, das am 17. Oktober im Bundestag verabschiedet wurde, wird am 22. November im Bundesrat aufgerufen. Parallel sind wir schon dabei unser Landeskrankenhausgesetz umzustellen. Darin hatten wir bisher nicht das Instrument der Leistungsgruppen. Bei der Gelegenheit reformieren wir das gesamte Krankenhausgesetz, auch was die Themen Investitionen und Krisenresilienz anbelangt. Bis Ende nächsten Jahres werden wir das Landeskrankenhausgesetz fertig haben müssen. Parallel dazu sehen wir uns die künftige Krankenhausplanung an. Aus den Erfahrungen aus NRW wissen wir, dass es viel Abstimmung mit den Krankenhäusern und deren Trägern vor Ort braucht. Das werden wir parallel zum Gesetzgebungsprozess machen, damit wir möglichst Anfang 2026 jedem Krankenhaus sagen können, in welche Richtung die Strukturveränderung jeweils geht.

Sie möchten die Investitionsfinanzierung nach dem Brandenburger Modell ändern. Warum?

Bisher sagen uns die Kliniken, sie brauchen eine Investitionsförderung für dieses oder jenes Projekt. Die Brandenburger machen das anders. Dort bekommt jedes Krankenhaus eine pauschale Förderung aus dem Gesamttopf des Landes und kann dann selbst entscheiden, ob es das Geld für ein größeres Vorhaben ein paar Jahre anspart oder sofort in notwendige Projekte investiert. Wir wollen auch diese pauschale Förderung einführen. Das macht uns die Prüfung einfacher und die Krankenhäuser haben mehr Planungssicherheit darüber, welche Mittel sie vom Land bekommen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Bürokratieabbau und zur besseren Planbarkeit der Investitionen der nächsten Jahre.

Es gibt immer noch viel Kritik am KHVVG. Gehen Sie dennoch davon aus, dass das Gesetz durch den Bundestag geht und nicht vom Bundesrat in den Vermittlungssauschuss geschickt wird?

Das kann ich für den Bundesrat heute noch nicht abschließend sagen. Ich habe das Gefühl, dass die Bundesländer sehr unterschiedlich unterwegs sind. Während viele westdeutsche Länder schon sehr zufrieden sind, haben wir Ostdeutschen noch eine ganz wichtige Frage zu klären. Denn wir schauen nicht nur auf das KHVVG, sondern auch auf die Vorgaben des G-BA. Was kommt beispielsweise durch die vom G-BA geplante Notfallreform auf uns zu? Für die ostdeutschen Bundesländer ist es essentiell, dass der G-BA die Notfallstufen so definiert, dass wir unsere Sicherstellungskrankenhäuser behalten können. Im Moment sieht es so aus, dass die Vorgaben des G-BAs zur Notfallversorgung verschärft werden sollen und wir dadurch unsere Sicherstellungskrankenhäuser verlieren könnten. Das BMG und die Bundestagsabgeordneten kennen das Problem. Erst wenn das geklärt ist, kann man sagen, wie wir uns am 22. November im Bundesrat verhalten. Ich würde es sehr schade finden, wenn wir in den Vermittlungsausschuss müssen. Denn politisch wird die Zeit immer knapper, ein solches Vorhaben in dieser Legislaturperiode auf Bundesebene dann auch zu Ende zu bringen. Von daher lohnt jede Anstrengung, solche Steine im Vorfeld noch aus dem Weg zu räumen.

Welche Konsequenzen hätte ein Scheitern der Klinikreform?

Letztlich bedeutet ein Scheitern der Klinikreform auch ein Scheitern des Transformationsfonds. Diese 50 Mrd. €, die von den Kassen und den Ländern gemeinsam aufgebracht werden sollen, stehen bei einem Scheitern des KHVVG dann ebenfalls in Frage. Der große Vorteil des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes ist es, dass die Finanzierung der Reform auch damit verbunden ist. Ohne Krankenhausreform wird es bei der Kassenlage sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene noch viel schwerer werden, dass in zehn Jahren so viel Geld verlässlich in die Krankenhäuser fließen kann.

Das Interview führte Tanja Kotlorz