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Interviews und Meinungen

„Die harte Kleinarbeit beginnt jetzt“

Dr. Gundula Werner ist die neue Vizepräsidentin der DKG. Seit 2006 ist sie Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land in Thüringen und seit 2010 Vorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen. Foto: Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen

Dr. Gundula Werner ist die neue Vizepräsidentin der DKG. Seit 2006 ist sie Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land in Thüringen und seit 2010 Vorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen. Foto: Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen

Interview mit der Vizepräsidentin der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gundula Werner

Im Vorfeld der letzten Wahlen zum DKG-Präsidium wurde erstmals diskutiert, ob es nicht an der Zeit wäre, eine Frau ins Präsidium zu wählen. In den Vorständen der DAX-Unternehmen solle es eine Frauenquote geben. Welche Rolle spielt die Quoten-Diskussion für Sie?

In den Krankenhäusern findet man oft Frauen in Führungspositionen. Ich selbst bin seit 2006 Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land und trage für rund 1 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung. Die Gender-Diskussion ist wichtig zu führen, sie sollte aber auch nicht überstrapaziert werden: Auf die inhaltliche Arbeit und das Know-how kommt es an. Gerade im Gesundheitswesen beweisen Frauen, dass sie den Männern in nichts nachstehen.

Unabhängig davon ist es für mich natürlich eine große Freude, als erste Vizepräsidentin in der Geschichte der DKG mich noch stärker als bisher für die Interessen der Krankenhäuser zu engagieren.

Sie übernehmen das Amt in Pandemiezeiten. Was haben Sie sich für 2021 vorgenommen?

Die Krankenhäuser stehen vor großen Herausforderungen, die Pandemie tut ihr Übriges dazu. Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Präsidium und im Vorstand werde ich mich für die Belange und Interessen der Krankenhäuser gegenüber Politik und Öffentlichkeit noch stärker einbringen. Krankenhäuser brauchen und wünschen sich einen fairen Dialog und eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Mit der bundesweiten Kampagne „FAiR – Diskutieren, entscheiden, handeln“ haben wir bereits erste Akzente gesetzt, um unseren diesbezüglichen Anspruch und unser Profil nochmal zu schärfen. Aber hier gibt es noch viel zu tun.

Wie unterscheidet sich die Tätigkeit im Präsidium der DKG von der Tätigkeit als Vorstandsvorsitzende bei der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen?

Gar nicht so sehr, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Es gibt viele inhaltliche Synergien, da die Festlegungenauf Bundesebene – sei es durch den Gesetzgeber oder durch die Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner – unmittelbare Bindungswirkung für die einzelnen Krankenhäuser entfalten. Natürlich ist die Vorstandsarbeit auf Landesebene, wie in allen Landeskrankenhausgesellschaften, deutlich stärker regional ausgerichtet. Durch den unmittelbaren Kontakt zu meinen Vorstandskollegen, die bis auf eine Ausnahme alle in Geschäftsführerpositionen in Krankenhäusern tätig sind, können wir die Themen sehr praxisnah miteinander diskutieren und so auch wertvolle Impulse an die Bundesebene zurückspielen. Aus meiner Sicht besteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Auch Veränderungen in der Führungsstruktur der DKG sind geplant. Was ergibt sich daraus für Ihre Tätigkeit im Präsidium?

Das werden die Beratungen im Innenverhältnis in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich diesen inhaltlich nicht vorgreifen möchte. Aber Ihre Neugier ist durchaus gerechtfertigt.

Sie sind Vorstandsvorsitzende bei der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen sowie Geschäftsführerin des Klinikums Altenburger Land. Haben die Kliniken in den neuen Bundesländern andere Probleme als die in den alten, etwa in NRW oder Niedersachsen? Prägt dies Ihren Führungsstil?

Vorweggeschickt: Es gibt keinen bundeslandbezogenen Führungsstil. Viele Probleme sind zudem identisch, beispielsweise die unzureichende Investitionsfinanzierung durch die Länder. Um es mal etwas salopp zu formulieren: Der 30 Jahre alte Klinikumsbau ist in Thüringen ebenfalls so renovierungsbedürftig wie im Rest der Republik. Diesen investiven Herausforderungen stehen mittlerweile die neuen Bundesländer ihren westlichen Nachbarländern in nichts nach.

Stichwort ehemalige Polikliniken: In den ostdeutschen Bundesländern gibt es historisch bedingt ein anderes Versorgungsverständnis. In der ehemaligen DDR gab es keine Sektorentrennung zwischen ambulant und stationär. Dieses grundsätzliche Verständnis leben wir im Übrigen in Mitteldeutschland noch heute, in dem wir mit unseren Partnern auf Landesebene bei vielen Versorgungsfragen gemeinsame Lösungen finden. Letzteres streben wir ja auch auf Bundesebene an. Insofern ergibt sich auch hier wieder ein enger Zusammenhang zwischen meiner Tätigkeit in Thüringen und der auf Bundesebene. Schließlich wollen wir die Sektoren stärker zusammenführen und dabei auch mehr Finanzierungsgerechtigkeit bei der Vergütung ambulanter Leistungen für Krankenhäuser erreichen.

Wir befinden uns mitten in der zweiten Welle der Pandemie. Was erwarten Sie in den kommenden Monaten von der Politik?

Von der Politik erwarten wir kurzfristig, dass der Rettungsschirm 2.0 nachgebessert und damit aufwandsgerecht nachjustiert wird. Auch Krankenhäuser mit Basisnotfallstufenversorgung leisten einen wesentlichen Beitrag zur Covid-19-Versorgung.

Diese dürfen bei der Freihaltung entsprechender Kapazitäten nicht länger ausgespart werden. Das führt in letzter Konsequenz zu unbeabsichtigten Fehlallokationen in der Patientenversorgung. Hier muss nachgebessert werden. Eine der wesentlichen Erkenntnisse und – wenn man es so formulieren will – „Learned Corona Lessons“ seitens der Politik muss lauten: Vorhaltung muss künftig fair finanziert und unmittelbar im Vergütungssystem abgebildet werden. Das ausschließlich an die Belegung gekoppelte DRG-System stößt in Krisensituationen wie dieser, wo es um die kurzfristige Freihaltung von Kapazitäten geht, an seine systemischen Grenzen. Das zeigt die Pandemie gerade eindrucksvoll. Krankenhäuser brauchen gerade in Krisensituationen wie dieser absolute Planungssicherheit, um sich auf ihre Kernkompetenz, die Patientenversorgung, bestmöglich konzentrieren zu können. Das ist eine der wesentlichen Lehren aus der Corona-Pandemie.

Wie wird das Zusammenspiel zwischen Ihnen und Ingo Morellals neuem Präsidenten und dem zweiten Vizepräsidenten, Thomas Lemke, aussehen?

Ich bin seit vielen Jahren – mit Unterbrechungen, da wir uns in Mitteldeutschland abwechseln – im DKG-Präsidium vertreten. Das Zusammenspiel funktionierte bereits in der Vergangenheit sehr gut. Zu Thomas Lemke verbinden mich zudem nicht nur inhaltlich kurze Wege: Er ist bekanntlich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Altenburg, in Leipzig, tätig. Ich freue mich daher auf die weitere Zusammenarbeit mit Ingo Morell und Thomas Lemke, die nun durch meine Vizepräsidentschaft eine zusätzliche Bereicherung erfährt.

Welche Themen stehen auf Ihrer gemeinsamen Agenda?

Auf unserer Agenda steht unter anderem die Nachlese zur Corona-Pandemie. Diese für uns alle besondere Herausforderung sollte zum Anlass genommen werden, um die Versorgungs-und Finanzierungsarchitektur an geeigneten Stellen kritisch zu hinterfragen und nachzujustieren. Die Pandemie hat auch regulatorische Defizite aufgedeckt, die wir gemeinsam mit allen Akteuren fair diskutieren müssen. Dabei lautet die Leitfrage: Was hat sich bewährt, was muss sich verändern? Diesen Dialog werden wir gemeinsam mit der Politik führen und gegenüber den Krankenhäusern sehr transparent und nachvollziehbar darlegen.

Welche Kernforderungen zur Bundestagswahl in diesem Jahr haben Sie?

Wir fordern verlässliche Rahmenbedingungen für die Krankenhausversorgung und eine damit verbundene faire Krankenhausfinanzierung. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch der Abbau von Bürokratielasten. Ferner gilt es, die Länderkompetenzen zu stärken, um Versorgungsverantwortung wieder stärker in Richtung der Länder und Regionen zu verschieben und damit Entscheidungen zu dezentralisieren. Restriktive GBA-Vorgaben verhindern oder erschweren zumindest vielfach landesspezifisch passgenaue Versorgungskonzepte.

Mit Blick auf Ihren Werdegang: Welches waren die bestimmenden Motive, sich politisch zu engagieren?

Als Stadtratsvorsitzende bin ich bereits in meiner Heimatstadt seit vielen Jahren lokalpolitisch engagiert. Auch dort stehen vielfach gesundheitspolitisch relevante Themen auf der Agenda. Ein weiteres Engagement – nunmehr auf Bundesebene – scheint mir durchaus naheliegend und kompatibel. Zudem trage ich als Geschäftsführerin – wie auch meine Kollegen Morell und Lemke – für Krankenhäuser unterschiedlicher Trägergruppen Verantwortung. Diese Expertise möchte ich nun gewinnbringend für die Krankenhäuser einbringen. Darauf freue ich mich sehr.

Welche Chancen sehen Sie für die Krankenhäuser in der Corona-Krise und danach?

Gerade in Krisensituationen wird deutlich, wie wertvoll eine verlässliche Daseinsvorsorge und ein engmaschiges Versorgungsnetzwerk sind. Die Bilder von Bergamo vergisst so schnell niemand. Gut zu wissen, dass wir in Deutschland ein gut funktionierendes und engmaschiges Versorgungsangebot an Krankenhäusern haben. Die aktuelle Situation zeigt, wie unverzichtbar eine wohnortnahe Versorgung durch Krankenhäuser ist. Dieses hohe Gut dürfen wir nicht leichtfertig zur Disposition stellen.

Wie bewerten Sie die Rolle der Politik bei der Unterstützung der Krankenhäuser in der aktuellen Situation?

Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich alle Beteiligten bemüht haben, in Hinblick auf die Ausgestaltung der Rettungsschirme zu schnellen und konstruktiven Lösungen zu gelangen. Doch die harte Kleinarbeit beginnt jetzt: Wir müssen nun zügig mit Blick auf den Rettungsschirm 2.0 die Evaluation voranbringen: Was läuft gut, was muss kurzfristig und dringend geändert werden? Da gibt es noch einiges zu tun.

Die Fragen stellte Daniela Goldscheck