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Interviews und Meinungen

Corona: Noch ein Zwischenruf


Quelle: krü

Dr. Georg Rüter

Ein „Corona-Zwischenruf“ in „das Krankenhaus“ vom Juni 2020 hat große Resonanz erfahren. Nun, in einer zweiten Welle mit massiv ansteigenden Infektionszahlen, wirft der Autor nochmals einige Schlaglichter auf die Corona-Lage in Deutschland und betrachtet die Corona-Pandemie, ihre Ursachen, ihre Auswirkungen und die Bekämpfungsstrategien nach nunmehr zehn Monaten Erfahrung und voraussichtlich weitere Monate mit der Pandemie in kritischer und vor allem selbstkritischen Reflexion.

Föderalismus und Pluralismus

Ausgerechnet aus Bayern kamen in den letzten Monaten wöchentlich wiederholte Rufe nach größerer Zentralisierung. Systematische oder empirische Belege für eine Vorteilhaftigkeit zentraler Lösungen konnten bisher nicht erbracht werden. Im Gegenteil: Das zentralistisch organisierte Nachbarland Frankreich krankt in seinem Krisenmanagement gerade an seinen hauptstadtbezogenen Strukturen. Berlin dagegen hat sich bisher nicht den Ruf einer besonders leistungsfähigen administrativen Infrastruktur oder Krisenmanagements erworben. Da ist Vorsicht geboten bei der Erteilung weiterer Handlungsvollmachten.

Ganz generell muss es nachdenklich stimmen, dass von der inneren Sicherheit bis hin zur Bildungspolitik nach einfacheren zentralen Lösungen gerufen wird und dabei leichtfertig die historischen Grundlagen der bundesrepublikanischen föderalen Strukturen vergessen werden.

Wie lebhaft die pluralen Strukturen funktionieren, zeigen auch die Daten des InEK zur Verteilung der Coronaprämien an die Pflegekräfte: Da sind alle dabei: von kleinen kirchlichen Häusern im Norden und Süden bis hin zu Universitätskliniken in Aachen und Berlin. Und auch die Erfahrungen in den Krisenstäben vor Ort lehrten eindrücklich, wie wichtig der Diskurs über die differenzierte Einschätzung der Covid-Bedrohungslage und der erforderlichen Maßnahmen ist. Wie bei der ersten Welle im Frühjahr traten sowohl aufgeregte, mit brisanten Hochrechnungen agierende als auch geradezu schauerlich gelassene Akteure auf den Plan. Das Zusammenspiel und die faire Verständigung über Einschätzungsdifferenzen trugen auch im Ergebnis zur insgesamt erfreulich verlaufenen Bewältigung der Krise bei. Die Behörden vor Ort nahmen eine kompetente und abwägende Moderationsrolle wahr. Dass dabei schon an Kreisgrenzen wechselnde Einschätzungen vorlagen, ist notwendiger Teil der schrittweisen Erkenntnisgewinnung unter Unsicherheit.

Ressourcen

Deutschland hat die wahrscheinlich weltweit solideste und robusteste Ressourcenausstattung im Gesundheitswesen zur Verfügung, egal ob mit Menschen, Maschinen oder Materialien. Angesichts der weltweit zum Teil katastrophalen Lage grenzt es an Zynismus, wenn wir immer noch von unzureichenden Ausstattungen oder Überlastungen sprechen. Dabei sollen nicht die sehr hohen, über mehrere Wochen sich hinziehenden extremen Arbeitsbelastungen unserer Pflegekräfte sowie ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übersehen werden.

Die vorsorgliche und sehr zügige Bereitstellung von Corona-Hilfen unterschiedlichster Art muss mit Dankbarkeit und Hochachtung aber auch all denjenigen gegenüber kommentiert werden, die eine unbürokratische Umsetzung, logistische Meisterleistungen und letztendlich die Finanzierung mittels Steuergeldern oder Sozialversicherungsbeiträgen ermöglicht haben. Pro Kalendertag stehen dem deutschen Gesundheitswesen eine Milliarde Euro zu Verfügung.

Unangemessen und undankbar war der vorschnelle Gebrauch des Begriffs Triage: Auch wenn temporär in einigen Regionen eine extrem hohe Anspannung der Menschen und Maschinen festzustellen war, bestand immer die Möglichkeit, Ressourcen in der Nachbarschaft in Anspruch zu nehmen, die in Deutschland wegen der insgesamt eher dezentralen Strukturen innerhalb einer Stunde erreichbar sind. Ausgeschlossen werden musste niemand.

Die uneingeschränkt ausreichende Versorgung mit Materialien und Maschinen dürfte mittlerweile unstrittig sein. Aber wie sieht es aus mit den erforderlichen ärztlichen und pflegerischen Fachkräften? Auch wenn die streckenweise hohe Belastung nicht bestritten werden soll, so muss daran erinnert werden, dass wir uns in Deutschland beim europäischen Ausland bedienen, auch mit persönlicher Flugbereitschaft von Ministern, die nach Bosnien reisten. Eine sehr große Zahl von Fachkräften des Pflegedienstes und des ärztlichen Dienstes wandert Jahr für Jahr nach Deutschland ein oder ist als Grenzpendler tätig, beispielweise zwischen Tschechien und Bayern. Angesichts der in unseren Nachbarländern teilweise dramatisch gefährlicheren Corona-Lage darf schon der Gedanke europäischer Subsidiarität und Solidarität abgerufen werden. Diese hochgeschätzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen in ihren Heimatländern, sodass wir zumindest einmal ins Nachdenken kommen sollten, bevor wir unsere national verengte Sichtweise kultivieren.

Völlig unverständlich ist das Festhalten an den Regelungen der Pflegepersonal-Untergrenzen-Verordnung und des Pflegepersonalstärkungsgesetzes: Mit unabsehbarem bürokratischem Aufwand wird in Zeiten knapper Pflegekräfte eine DRG-Abspaltung betrieben, die bis heute in keiner Entgeltverhandlung konsentiert werden konnte. Nochmals: Es muss um den effizienten, ressourcenschonenden Einsatz von Fachkräften gehen, nicht um die Beschäftigung möglichst vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Sympathiewellen

Mit ihrem Aufschlag der zweiten Corona-Welle ab Ende Oktober 2020 nahmen die Sympathiekundgebungen gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Altenpflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen wieder zu. Fettgebackenes wurde in der Adventszeit beinahe täglich angeliefert. In der ruhigeren Sommerzeit war es zu einer nüchterneren Diskussion über die Systemrelevanz einzelner Berufsgruppen gekommen. So wurde zu Recht daran erinnert, dass es in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ganz überwiegend systemrelevante Berufstätigkeiten gibt, die letztendlich für die Funktionstüchtigkeit des gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens Verantwortung tragen. Dies sind eben nicht nur Beschäftigte des Gesundheitswesens, sondern ebenso auch Supermarkt-Mitarbeiter, Bankangestellte, Busfahrer, Logistikfachleute, Lokführer und nicht zuletzt die öffentliche Verwaltung.

Unter Sympathiebekundung darf auch die Coronaprämie subsumiert werden, die in Höhe von 100 Mio. € an die Krankenhäuser verteilt worden ist, die bis zum 31. Mai 2020 eine bestimmte Zahl von Covid-Patienten versorgt hatten. Eine nette Geste, aber ordnungspolitisch mehr als bedenklich: Soll ein Bundesminister in Zukunft eine hausbezogene Feinverteilung von Leistungs- und Anerkennungsprämien organisieren? Die nach der Prämienzusage aufgeflammten erbitterten Streitereien um eine „gerechte“ Verteilung der steuerbegünstigten Sonderzulage sorgten in vielen Kliniken für Unfrieden.

Finanzielle Förderung

Die Bereithaltungspauschale von 560 € pro leerem Bett und Tag wurde äußerst unkompliziert und schnell zur Verfügung gestellt. Die vom 1. Juli 2020 bis zum 30. September 2020 gültige Differenzierung nach Umsatzklassen war ebenfalls fair und angesichts des Handlungsdrucks auch keiner weiteren Diskussion zu unterziehen. Denn wichtig war in erster Linie, die Handlungsfähigkeit der Krankenhäuser während der Pandemiezeit sicherzustellen.

Ob die Mitte November hastig installierte neue Bereitstellungspauschale medizinisch und gesamtwirtschaftlich sinnvollere Wirkmechanismen herbeigeführt hat, kann bisher nur schwer beurteilt werden. Warum nur Krankenhäuser bestimmter Versorgungsstufen für die Bereitstellung von freien Betten zur Covid-Behandlung belohnt werden sollen, ist kaum nachvollziehbar und durch empirisches Material nur schwer begründbar. Oder soll hier durch die Corona-Hintertür eine Austrocknung der übrigen Krankenhäuser bewirkt werden, die bisher über die Mechanismen des DRG-Systems, geschweige denn durch die Abstimmung mit Füßen der Patienten nicht gelungen ist?

Unkompliziert und schnell verlief die Gewährung von Investitionsmitteln für die Schaffung zusätzlicher Intensivbetten sowie die direkte Bereitstellung von Gerätschaften und Materialien. Die pauschale Bereitstellung von Finanzmitteln ist im Zweifel der richtige Weg, setzt diese doch vernünftige und effektive Anreize zum sparsamen Umgang mit knappen Investitionsmitteln.

Auch die Sonderprogramme zur Konjunkturbelebung sind richtig indiziert und kalibriert: Antizyklisch können staatliche Finanzhilfen nur dann wirken, wenn sie schnell und unkompliziert eingesetzt werden können; das geht am besten bei pauschaler Bereitstellung. Werden hingegen langwierige Einzelfördermaßnahmen auf den Weg gebracht, droht ein prozyklischer Effekt; denn die Mittel kommen erst dann an, wenn die Konjunkturdelle bereits überwunden ist. Im Krankenhausbereich hilft das Konjunkturpaket nebenbei auch, den jahrelang vor sich hergeschobenen Investitionsstau zu mildern. Die Notwendigkeit eines schnellen Konjunkturimpulses hat erfreulicherweise auch die Neigung einzelner Bundesländer gedämpft, selbst Krankenhausstrukturpolitik zu betreiben.

Diese besteht sehr häufig in der großzügigen Unterstützung von Fusionsvorhaben mit dem Zwecke der Beseitigung sogenannter Doppelvorhaltungen und damit der Abtötung des Wettbewerbs um die bestmögliche Qualität im Dienste des Patienten. Dabei befördert aber auch eine sehr üppige Mitgift nicht zwingend die eheliche Erotik; profaner ausgedrückt: Wenn eine Fusion nur dann einen betriebswirtschaftlichen Return on Investment generiert, wenn die Kosten derselben von anderen getragen werden, hat sie eine sehr fragile oder gar keine volkswirtschaftliche Rationalität.

Nicht ganz so euphorisch wie sein Name sollte das Krankenhauszukunftsgesetz eingeschätzt werden: Hier wird ein ganzer Strauß vermeintlich sinnvoller Fördertatbestände aufgerufen, der rasch zu einem Subventionsdickicht mutieren kann. Die Vorbereitung, Antragstellung, inhaltliche und juristische Prüfung sowie die wasserfeste Auswahl einzelner Vorhaben und damit Ablehnung anderer Anträge werden unnötig viele Verwaltungsressourcen binden. Diese können nur mit der Implikation gerechtfertigt werden, dass staatliche Institutionen besser die Sinnhaftigkeit von Digitalisierungsprojekten beurteilen können als die Unternehmen selbst. Ob diese Annahme gerechtfertigt ist, kann zumindest hinterfragt werden.

Die staatliche Bewirtschaftung von Maschinen und Materialien kann in einer nationalen Notlage, zu der eine Pandemie gezählt werden kann, der richtige und einzige Weg sein. Aber es stellt nur eine vorübergehende Lösung dar, denn die Effizienz von internationalen Märkten ist nachweislich immer höher. Lehrbuchmäßig wurde gezeigt, dass die Bereitstellung von Materialien mit marktwirtschaftlichen Mechanismen schnell und reibungslos funktioniert. Produzenten von Damenblusen und Herrenhemden stellten blitzschnell ihre Produktion auf Mund-Nasen-Schutzmasken um, die Geräteindustrie fuhr ihre Produktionskapazitäten in den Drei-Schichtbetrieb hoch und Logistikunternehmen stellten Einwegmaterialien container- und palettenweise den Krankenhäusern an die Rampe. Dringend gewarnt werden muss deshalb vor einer nationalen Produktionsreserve, wie etwa der Bundesvorsitzende der Grünen Robert Habeck sie forderte.

Das größere Zutrauen in die Wirkmechanismen staatlicher Organe und gesetzlicher Vorschriften schwingt an vielen Stellen mit; ob bei Gesetzentwürfen auf Bundes- oder Landesebene, aber auch bei den Vorschlägen der GKV-Verbände für die Neugestaltung des Krankenhauswesens. Natürlich gibt es in jedem System Verbesserungschancen, für die viele Verantwortliche jeden Morgen aufstehen und zur Arbeit gehen. Aber an vielen Stellen scheinen doch Technokraten das Wort zu führen, die dänischen Lösungen nacheifern und optimale Krankenhausstrukturen installieren wollen. Der Gesang von den so viel besser möglichen Klinikstrukturen klingt nicht sehr höflich und wertschätzend: Denn ordentliche und sehr gewissenhafte Arbeit ist doch wohl geleistet worden in und von den Krankenhäusern, und zwar in allen Größenklassen und in allen Regionen. Der Wert dieser in jahrzehntelanger Mühe auf der Grundlage von Nächstenliebe und öffentlicher Daseinsvorsorge entstandenen Hospitäler sollte mit großer Vorsicht und nicht übereilt und respektlos einer Ideologie digital entworfener Optimierungsmodelle geopfert werden.

Bevor diese „Verheerungen der realisierten Utopie“ (Joachim Fest) im Land ausgerollt werden, sollte vielleicht erst einmal Berlin als Testmarkt (vor dem Fall der Mauer war der Westteil regelhaft Testgebiet für Konsumartikel, vor allem Lebensmittelprodukte) ausprobiert werden. Vielleicht reift dann die selbstkritische Erkenntnis, dass für das Wohl des Patienten nicht nur große Betriebsgrößen förderlich sein müssen, sondern auch das persönliche Engagement und die Empathie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht zuletzt bei der Versorgung von Covid-Patienten der Apparatemedizin einen Teil ihres Grusels genommen haben. Und dass Ausfallquoten beim Pflegepersonal sowohl mit persönlicher Belastung als auch mit Führungsqualität und Unternehmenskultur zusammenhängen, zeigen Vergleiche zwischen Kliniken unterschiedlicher Größe oder Eigentümerstruktur recht eindrücklich.

Die Mahnung zum vorsichtigen Umgang mit der Hybris, die sich in Reißbrettentwürfen von Radikalreformen ausdrückt, gilt auch für die in der Coronakrise wieder sehr laut gewordenen Rufen nach zügiger Abschaffung des seit 2003 bestehenden Vergütungssystems.

DRG-System

Die Bereitstellungsfinanzierung bildet die Basis für die aktuelle Diskussion um eine mögliche Reform des DRG-Systems. Diese macht nach den Erkenntnissen der Pandemiebewältigung zweifellos Sinn, sollte aber nicht unter dem Vorzeichen der praktisch seit Beginn des DRG-Systems im Jahr 2004 zu hörenden populären Mäkeleien am leistungsorientierten Vergütungssystem für stationäre Leistungen stehen. Denn den vorschnellen Forderungen einer Abschaffung des DRG-Systems liegen kaum tragfähige Alternativlösungen zugrunde. Es wird kompliziert genug sein, Vorhaltepauschalen und ein leistungsorientiertes Vergütungsverfahren funktionstüchtig zu kombinieren und in der Praxis anzuwenden. Für eine solche Aufsplittung sprechen angesichts der anhaltenden Pandemie gute Gründe. Umso wichtiger ist solides Vorgehen statt hektischem Aktionismus.

Die bewährte Leistungsorientierung und Transparenzdarstellung des DRG-Systems sind zu erhalten und neue Elemente der Bereitstellungsfinanzierung einzubauen. Ein solches Finanzierungssystem muss die Ansprüche der Patienten und Versicherten sowie die Erfordernisse der staatlichen Daseinsvorsorge erfüllen. Anders gewendet: Jedes Unternehmen, auch ein Krankenhaus, erfährt seine Daseinsberechtigung aus der Erfüllung von Wünschen der Nachfrager, nicht aus seiner Existenzsicherung als solcher. Einige Reformvorschläge zeigen doch eine derartig ausgerichtete Tendenz; so etwa die wieder aufgewärmte Idee der Einteilung in Krankenhauskategorien aus Grund-, Regel- und Maximalversorgung. Das DRG-System spiegelt die gestuften Leistungsniveaus im Case-Mix-Index in der effektiven, nicht der etikettierten oder eingebildeten Leistung wider.

Oder soll einfach eine Rückkehr zum guten alten Kostenerstattungssystem vollzogen werden? Diese Vermutung drängt sich auf, wenn man die Stellungnahmen einiger Parteien und von Gewerkschaften, insbesondere dem Marburger Bund oder von Verdi, vernimmt. Die Kostenerstattung muss dann aber ohne Ausnahmen vorgenommen werden; denn andernfalls wird keine Reduktion des bürokratischen Aufwandes realisierbar sein. Diese wird gern kundgetan und dabei verschwiegen, dass eine partielle Kostenerstattung, wie beispielsweise beim Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, mit einer Explosion der bürokratischen Aufzeichnungs- und Trennungsprozesse verbunden ist. Bei diesen Postulaten wird offenkundig auf den oberflächlichen Diskurs bei der Forderung nach einer Abschaffung des DRG-Systems vertraut.

Ökonomie

Und damit sind wir wieder bei der entscheidenden Grundsatzfrage: Kann man ein humanitär anspruchsvolles Gesundheitsversorgungssystem ohne Ökonomie realisieren? Die einzige seriöse Antwort lautet Nein. Denn eine Umsetzung der populären Forderung nach Kostenerstattung wird in Windeseile genau die Fehlanreize evozieren, die zu einem finanziellen Kollaps der Sozialversicherungssysteme führen. Dann bleibt nur noch die in vielen Ländern der Welt geübte Praxis der Rationierung, die mit brutalen Leistungsausschlüssen, beispielsweise für alte Patienten, selbstverschuldete Krankheiten oder Einwohner ohne inländischen Reisepass, verbunden wäre.

Der Lehre von der Ökonomie fehlt aber der Glanz der „Helden und Heiligen“ (Wilhelm Röpke). Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass erst eine nicht unbegrenzt mit Schuldenaufhäufung ausblendbare Zuspitzung der Kassenlage in den öffentlichen Haushalten und den Sozialversicherungsträgern die Traumtänzereien von der Überwindung der Ökonomie in die Realität zurückholen wird. Denn wenn die Corona-Krise überwunden ist, muss sich eine schnell alternde Gesellschaft mit ihren großen Alterskohorten der Babyboomer auf eine nachhaltige Stabilität der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung vorbereiten. Dann steht die Ökonomie als „anti-utopische, desillusionierende Wissenschaft“ (ebenfalls Wilhelm Röpke) wieder gern bereit.

Anschrift des Verfassers

Dr. Georg Rüter, Vorstandsvorsitzender des Zweckverbandes freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland und Ostwestfalen e.V., Kardinal-von-Galen-Ring 45, 48149 Münster, info@zvmo.de