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Editorial

Zeitenwende


In diesen Tagen bin ich häufig unterwegs in Deutschland, um an möglichst vielen Orten bei den Aktionstagen der Landeskrankenhausgesellschaften zu unserer Kampagne „Alarmstufe ROT: Krankenhäuser in Gefahr“ dabei sein zu können.

Überall spüre ich, dass wir mit dieser Kampagne und der Mobilisierung in den Krankenhäusern vor Ort auf große Unterstützung und breite Solidarität treffen. Mittlerweile haben auch weit über 50 000 Menschen unsere Petition zur finanziellen Rettung der Kliniken angesichts der galoppierenden Inflation und Energiepreise unterschrieben.

Das Quorum ist geschafft, der Bundestag wird sich mit unserer Petition befassen müssen. Aber auch ohne diese Petition ist es gelungen, durch die Kampagne und den Protest der Basis für unser berechtigtes Anliegen Aufmerksamkeit bei der Politik zu erzeugen.

So war die Gesundheitsministerkonferenz Anfang September einhellig der Auffassung, dass die wirtschaftliche Lage der Kliniken dramatisch ist und aus eigener Kraft nicht gelöst werden kann. Dem hat auch Bundesgesundheitsminister Lauterbach ausdrücklich zugestimmt.

Nun kommt es selbstverständlich darauf an, dass aus den vielfältigen Bekenntnissen auch Taten werden und wir die notwendige Unterstützung zur Fortführung unserer Arbeit vor Ort erhalten.

Die unkontrollierte Schließung von Stationen, Fachabteilungen oder ganzen Standorten durch politisches Nichthandeln wäre unverantwortlich und würde über die direkte Gesundheitsversorgung hinaus auch gesellschaftlich großen Schaden anrichten.

Krankenhäuser sind ein wesentlicher Teil der sozialen Infrastruktur und Daseinsvorsorge und bedeuten für die Menschen in den Regionen Sicherheit und Verlässlichkeit. Aus diesem Grund muss die Politik jetzt kurzfristig handeln und den kalten Strukturwandel durch Stützungsmaßnahmen beenden. Doch es ist keine Lösung, Hilfspaket an Hilfspaket zu reihen und so die Krankenhäuser irgendwie über Wasser zu halten. Wir müssen zurückkehren zu einem System, in dem die Verantwortlichen der Kliniken unternehmerisch agieren können, in dem sie ihre Kreativität einsetzen können, um ihren Standort bedarfsgerecht und betriebswirtschaftlich weiterzuentwickeln.

Wir brauchen endlich wieder Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, Krankenhäuser verantwortlich zu führen. Die Freude an der Arbeit und die Kraft zur Gestaltung der Zukunft müssen wieder im Mittelpunkt unseres Handels stehen. Und das gilt nicht nur für Pflegekräfte und die Kolleginnen und Kollegen in der direkten Patientenversorgung, sondern eben auch für diejenigen, die an der Spitze der Kliniken die strategischen und operativen Entscheidungen zu treffen haben.

Die von Bundeskanzler Olaf Scholz viel besprochene Zeitenwende, die sich sicherlich nicht nur auf die Verteidigungspolitik bezogen hat, ist auch im Bereich der Gesundheitspolitik notwendig.

Wir müssen eine Abkehr finden von der Idee und der Praxis der politischen Problemlösung durch kleinteilige Regulierung, weil dies mittlerweile den gesamten Klinikbetrieb lähmt und jede Innovationskraft durch kreative Problemlösung vor Ort unmöglich macht.

Der Staat kann nicht jedes Problem lösen. Der Gesundheitsminister ist in der Problemlösung vor Ort den Führungskräften in den Krankenhäusern nicht überlegen. Er muss den Rahmen setzen, in dem die Problemlösung vor Ort wieder möglich wird.

Eine solche Zeitenwende in der Gesundheitspolitik wird aber nur gelingen, wenn die Politik erkennt, dass dafür ein grundlegend neues Denken in der Gesundheitspolitik notwendig ist.

Dieses neue Denken darf auch nicht auf den Krankenhausbereich beschränkt sein, sondern muss alle Bereiche der Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung erfassen.

Dazu braucht es Mut und Verantwortungsbewusstsein. Aber wir sind ohne Zweifel an einem Punkt angelangt, der dieses neue Denken, diese Zeitenwende erfordert.

Ihr

Dr. Gerald Gaß

DKG-Vorstandsvorsitzender