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Editorial

Kontrollverlust in der Gesundheitspolitik


Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG). Foto: Lopata

Das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Ampelregierung ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Noch nie hat eine Bundesregierung so rapide an Wählergunst verloren wie die derzeit amtierende Bundesregierung. Schuld daran ist nicht nur das desaströse öffentliche Auftreten der drei Parteien, sondern vor allem auch das Gefühl der Bürgerinnen und Bürger, dass die Regierung die Kontrolle über wesentliche Politikbereiche verloren hat. Von der Wirtschaftspolitik über Migrationsthemen bis hin zu zentralen sozialpolitischen Fragestellungen hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Politik keine adäquaten Antworten und Lösungen parat hat. Es gelingt ihr weder Entscheidungen einvernehmlich zu treffen noch sie öffentlich verständlich und im Konsens zu kommunizieren. Das gilt im Besonderen auch für die Gesundheits- und Krankenhauspolitik. Statt glaubwürdiger politischer Initiativen und gesetzlicher Regelungen, die die zukunftsorientierte Lösung der zentralen Probleme verfolgen, erleben wir ein fortgesetztes Gesundbeten und Schönreden offensichtlicher Problemlagen. Bundesgesundheitsminister Lauterbach und Bundeskanzler Scholz haben sich wohl darauf verständigt, mit Durchhalteparolen bis zur nächsten Bundestagswahl zu regieren. Beiden dürfte bewusst sein, dass sie danach auch keine Verantwortung mehr in der Regierung tragen werden. Die Botschaft „Folgt mir, dann wird alles gut und Leistungskürzungen wird es mit uns nicht geben“ verfängt allerdings auch heute schon nicht mehr. Die Experten im Gesundheitswesen wissen es schon lange. Mittlerweile spüren es aber auch die Patientinnen und Patienten: Versorgungsengpässe in der Langzeitpflege, lange Wartezeiten im ambulanten fachärztlichen Bereich und Angebotsabbau im Krankenhausbereich prägen den Alltag. Die Menschen haben nicht nur mit Blick auf die Deutsche Bahn den Eindruck, dass ehemals verlässliche Strukturen ins Rutschen geraten sind und die Politik keine glaubwürdigen Antworten auf die Missstände im Alltag hat. Strategische Ziele und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen? Fehlanzeige.

Der Bundesgesundheitsminister, der für sich den Anspruch evidenzbasierter Politik erhoben hat, beweist fast täglich, dass es ihm vor allem darum geht, seine persönliche „Revolution“ durchzusetzen. Die Scherben dieser Politik werden andere zusammenkehren müssen.

Der Kontrollverlust der Politik hat weitreichende Konsequenzen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger, gerade im Osten der Republik, wo die Parteienbindung noch geringer ist als im Westen, geben ihre Stimme an Parteien, die weit außerhalb des etablierten politischen Spektrums stehen und von denen noch weniger kluge Lösungen für die gesellschaftlichen Herausforderungen zu erwarten sind. Gegen das Erstarken extremer Parteien am rechten und linken Rand des Spektrums hilft nur gutes Regieren und glaubwürdige Politik. Wenn aber einige Vertreter der Ampel-Regierung berechtigte Kritik an ihrer politischen Arbeit als Unterstützung dieser extremen Parteien diffamieren, machen sie einen schweren Fehler. In einer Demokratie gehören berechtigte, auch laute Kritik und Protest zu den Kernbestandteilen der politischen Auseinandersetzung. Dieser Kritik muss man sich stellen und sie ernstnehmen. Wer die eigenen Vorstellungen als alternativlos definiert, ist selbst auf dem besten Weg, den demokratischen Diskurs zu verlassen.

Die nächsten Wahlen in den Bundesländern und auch die Bundestagswahl im kommenden Jahr werden zeigen, zu welchem Ergebnis diese Art von Politik führt. Die Krankenhauspolitik des Karl Lauterbach ist nicht alternativlos. Der von ihm und der Ampel-Regierung tolerierte und zum Teil auch herbeigeführte kalte Strukturwandel ist genau der Kontrollverlust der Politik über ein zentrales Feld der sozialen Daseinsvorsorge, den die Bürgerinnen und Bürger am Wahltag zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere demokratischen Grundpfeiler und unsere weltoffene und tolerante Gesellschaft in Frage gestellt werden. Gegen das Erstarken der politischen Ränder hilft vor allem gutes Regieren.