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Editorial

Ein Minister, der vor Klinikschließungen warnt


Es ist schon etwas Besonderes, wenn der Bundesgesundheitsminister zur besten Sendezeit im deutschen Fernsehen davor warnt, dass die Gefahr besteht, dass in den kommenden Wochen und Monaten Krankenhäuser aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden müssen.

Seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar dieses Jahres hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedsverbänden das Bundesgesundheitsministerium eindringlich dazu aufgefordert, eine Lösung für die nicht finanzierten Kostensteigerungen in Milliardenhöhe herzustellen. Unzählige Briefe wurden an die Politik gerichtet und Vorschläge zu einer konkreten Umsetzung übermittelt. Bereits im Sommer hat die Gesundheitsministerkonferenz einstimmig beschlossen, dass ein Hilfspaket für die Krankenhäuser auf den Weg gebracht werden müsse, da die Kliniken im derzeitigen Finanzierungssystem keine Chance haben, die steigenden Kosten zu refinanzieren. Zuletzt sind wir drei Wochen durch Deutschland getourt und haben auf die dramatische wirtschaftliche Lage hingewiesen.

Passiert ist nichts, schlimmer noch, der Bundesgesundheitsminister hat mitten in der Corona-Sommerwelle alle Corona-Hilfen für die Krankenhäuser auslaufen lassen. Null Zusatzfinanzierung für den Mehraufwand und die Mindererlöse, die die Krankenhäuser zu verkraften haben. Seine damalige Ankündigung, bei weiter steigenden Zahlen im Herbst die Krankenhäuser nicht im Stich lassen zu wollen, haben wir nicht vergessen. Mittlerweile erleben wir ein neues Jahreshoch an Corona-infizierten Patienten in den Krankenhäusern, ohne dass der Minister seinen Ankündigungen hat Taten folgen lassen.

Und jetzt, Mitte Oktober, die Erkenntnis des Ministers: Die Krankenhäuser stehen vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Jeder, der auch nur ein vages Verständnis vom Finanzierungssystem der Krankenhäuser hat, konnte an fünf Fingern abzählen, dass ausbleibende Corona-Hilfen, die fehlende Refinanzierung bei Energie- und Sachkosten, ein viel zu niedriger Pflegeentgeltwert und hohe Personalausfälle in den Krankenhäusern direkt ins wirtschaftliche Chaos führen müssen. Kein Krankenhaus hat heute noch ausreichend Rücklagen, um Überstunden oder teure Leiharbeitskräfte zu bezahlen, um die krankheitsbedingten Personalausfälle zu kompensieren. Das bedeutet logischerweise: Betten müssen gesperrt, ganze Stationen geschlossen werden, das zeitweise Abmelden von der Notfallversorgung wird häufiger unvermeidlich. Ein Teufelskreis. Aber diese Entwicklungen waren absehbar - spätestens seit dem Sommer. Die Verantwortung für diesen Konflikt, der vor allem auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kliniken ausgetragen wird, trägt das Bundesgesundheitsministerium. Minister Karl Lauterbach ist viel zu lange untätig geblieben.

Und noch eines ist absehbar: 2023 wird ein ganz bitteres Jahr werden für die Krankenhäuser selbst, aber auch für diejenigen, die auf eine verlässliche Gesundheitsversorgung angewiesen sind.

Die Krankenhäuser werden sich in den kommenden Wochen und Monaten auf das konzentrieren müssen, was zählt. Und das ist die Patientenversorgung. In einer Situation, in der man um das wirtschaftliche Überleben kämpft, in der einem das Wasser bis zum Hals steht, kann niemand „Business as usual“ erwarten. Das heißt konkret: Bürokratie und verzichtbare Dokumentationen müssen hintangestellt werden. Jetzt gilt es, alle verfügbaren Ressourcen für die Patienten einzusetzen. Es ist kein Spielraum da, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, egal welcher Berufsgruppe, am Schreibtisch zu binden, wenn dies nicht der Patientenversorgung dient.

Wir erwarten hier die Solidarität aller: Der Medizinische Dienst, die Gesetzlichen Krankenkassen, der Gemeinsame Bundesausschuss und auch die Politik müssen den Krankenhäusern nun den Rücken stärken. Wer dabei auf die Idee kommt, für fehlende Dokumentation oder nicht fristgerecht eingereichte Unterlagen Sanktionszahlungen von den Krankenhäusern zu verlangen, hat offensichtlich immer noch nicht begriffen, in welcher Notlage wir uns befinden. Besondere Zeiten brauchen besondere Maßnahmen und Verantwortung.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß