DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß
Das Krankenhausreformgesetz hat die erste parlamentarische Hürde im Bundestag genommen. Die Abgeordneten der drei Ampelfraktionen haben mit einer einzigen Ausnahme geschlossen für den Gesetzentwurf von Minister Lauterbach gestimmt. Weder das Desaster des Krankenhaustransparenzgesetzes und dem daraus entstandenen Lauterbachschen Krankenhausportal noch die bis zuletzt fehlende Auswirkungsanalyse haben die Abgeordneten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP davon abgehalten, für ein Gesetz zu stimmen, dessen Inhalte allenfalls eine Handvoll Abgeordneter überblickt und verstanden hat. Wenige Tage vor der Abstimmung erreichten die Abgeordneten noch rund 100 Seiten Änderungsanträge mit zum Teil völlig neuen, vorher überhaupt nicht diskutierten Inhalten, die im Übrigen auch völlig inkonsistent sind. Ein gutes Beispiel dafür sind die zuletzt ins Gesetz geschriebenen Regelungen für die Bundeswehrzentralkrankenhäuser. Aus welchem Grunde auch immer werden diese Krankenhäuser als quasi exterritoriale Standorte definiert, die nicht nur nach Belieben Leistungsgruppen erbringen können, sondern auch sämtliche ambulanten Leistungen ohne jegliche Abstimmung und Bedarfsprüfung erbringen dürfen. Ein anderes Beispiel sind die zuletzt ins Gesetz geschriebenen neuen Planungen zur Personalbemessung nicht nur für Ärzte, sondern auch zahlreiche weitere Berufsgruppen, für die sogar ein eigenes Gremium geschaffen wurde. Die Lauterbachsche Planwirtschaft lässt grüßen - und das angesichts wachsender Engpässe auf dem Arbeitsmarkt. Besonders drastische Auswirkungen wird die überraschenden Ausweitung der Hybridfälle haben. Auf Anweisung des Ministers haben die Abgeordneten auch dafür gestimmt, den Leistungskatalog von aktuell 200 000 Fällen innerhalb kürzester Zeit auf 2 Millionen zu erweitern und die Vergütung für diese Hybridversorgung auf AOP Niveau abzusenken. Es ist überhaupt noch nicht absehbar, was das für die Patienten bedeutet, die bisher auf eine stationäre Versorgung im Krankenhaus vertrauen konnten. Die Vielzahl an neuen Regulierungen, Vorgaben für die Leistungserbringer und zusätzlichen Anforderungen wird zwangsläufig dazu führen, dass die Versorgung teurer und knapper werden wird. Karl Lauterbach, der noch vor kurzem erklärt hat, seine Krankenhausreform werde nicht zur Schließung von Standorten führen, prognostizierte nun wenige Tage nach dem Bundestagsbeschluss in der BILD am Sonntag, dass Hunderte von Krankenhäusern in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden werden. Sein Hinweis, dass dies Häuser in überversorgten großstädtischen Regionen sein werden, ist genauso wenig belegt wie seine Aussagen zur Entökonomisierung, Entbürokratisierung und den Segnungen seiner Vorhaltefinanzierung.
Alle Versprechungen, die er bisher in der Öffentlichkeit abgegeben hat, haben sich als falsch erwiesen, und das wird auch für die von ihm angekündigten finanziellen Verbesserungen für die Krankenhäuser durch die Reform so sein. Marginalen Verbesserungen beim Landesbasisfallwert durch die volle Ausfinanzierung der Tarifentwicklung stehen massive Verteuerungen des Systems durch die Vielfalt an Personal- und Strukturvorgaben sowie der Entzug von Finanzmitteln durch den stationären Versorgungsausschluss Millionen neuer Hybrid Fälle gegenüber. Die CDU/CSU Opposition hat einen umfangreichen Entschließungsantrag parallel zur Abstimmung über die Krankenhausreform in den Bundestag eingebracht. Die Inhalte dieses Antrags sollten die Marschroute einer neuen Krankenhauspolitik nach der nächsten Bundestagswahl sein.
Noch ist aber in Sachen KHVVG das letzte Wort nicht gesprochen. Mit Mehrheit könnte der Bundesrat gegen das Gesetz stimmen und es damit zunächst einmal in den Vermittlungsausschuss verweisen. Wenn aber die SPD regierten und mitregierten Bundesländer, ähnlich wie die Abgeordneten der Ampelfraktion im Bundestag, ausschließlich nach parteipolitischer Loyalität entscheiden, wird auch diese letzte Chance vertan, einen völlig vermurksten Gesetzentwurf zu stoppen. Die Bundesländer sind näher dran an den Auswirkungen dieser Krankenhausreform als Karl Lauterbach in Berlin. Jedes Bundesland, das diesen Gesetzentwurf im Bundesrat passieren lässt, gibt seinen Gestaltungsanspruch und -spielraum bei der Krankenhausplanung ab. Dem deutschen Gesundheitswesen und der Patientenversorgung stehen stürmische Zeiten bevor.
Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender