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Editorial

Am Tiefpunkt


Foto: privat

Meckern über die marode Infrastruktur gehörte schon immer zum „guten Ton“, kein Smalltalk kommt ohne Erfahrungsaustausch über ausfallende Züge der Deutschen Bahn, erodierende Brücken und Straßen, desolate Schultoiletten und vergammelnde Sportstätten aus. Es ist zum Haare raufen, teuer und beschämend – da sind sich alle einig.

Sollten eines Tages die Straßenreinigung, die Abwasser- und Müllentsorgung durch politische Ignoranz Schaden nehmen, dann wäre es sofort mit allen Sinnen wahrnehmbar. Gestank, Ungeziefer und Dreck würden die Menschen auf die Barrikaden bringen. Bricht der Konzerngewinn des größten Autoherstellers ein – auf einen verbleibenden Gewinn (nach Steuern) auf immerhin noch 1,6 Mrd. €, bleibt dies ein Dauerthema. Über alle Parteien hinweg, in allen Medien.

Die Misere der Krankenhäuser sorgt selten für Aufregung. Insolvenzen und Klinikschließungen sind zwar in den betroffenen Kommunen und in der regionalen Presse Grund für Ärger und Kritik. Die schleichenden Veränderungen, wenn Krankenhausträger versuchen, das Unternehmen zu konsolidieren, in dem nach und nach unrentable Standorte abgebaut oder ausgedünnt werden, sind jedoch nicht auf Anhieb wahrnehmbar. Dem scheidenden (?) Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist es teilweise gar gelungen, den Kliniken ein Image einer nur auf maximalen Gewinn, nicht auf Patientenwohl ausgerichteten Branche anzuhängen. So hat er das Mantra „Qualität vor Ökonomie“ als Grundmotiv seiner Reform verbrämt.

Wenn aber nun die Krankenhäuser ihrem Schicksal überlassen werden, dann besteht die Gefahr, dass wichtige Elemente der Gesundheitsversorgung für immer verschwinden. Strukturen der stationären Versorgung, die aus finanziellem Druck abgebaut werden, sind nicht einfach wieder aufzubauen. Es stehen wesentliche Teile der Daseinsfürsorge auf dem Spiel.

Gerade noch 5 % der Kliniken erzielen einen Jahresüberschuss. Nur jedes 20. Krankenhaus schreibt schwarze Zahlen. Der Anteil der Häuser in guter wirtschaftlicher Lage ist damit auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Für das Jahr 2024 gehen rund 80 % der Krankenhäuser von einem negativen Jahresergebnis aus. Die Situation der Krankenhäuser nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Die Zeit drängt.

Die Krankenhausreform, die die Ampelregierung zuletzt noch durchgedrückt hat, wirft zusätzliche Probleme auf. Eine neue Bundesregierung muss dringend handeln, um die Patientenversorgung zu sichern, sonst werden wir mit Wartelisten und Versorgungslücken gerade in ländlichen Regionen konfrontiert sein, prophezeit DKG-Chef Dr. Gerald Gaß.

Der vielzitierte und von den Krankenhäusern gefürchtete „kalte Strukturwandel“ gefährdet die Gesundheitsversorgung vor allem in ländlichen Gebieten. Systematische Unterfinanzierungspolitik über Jahrzehnte hat den Kliniken enorm zugesetzt. Pandemie und Inflation geben vielen Häusern nun den Rest. Kein Krankenhaus soll Probleme bekommen, weil es die Inflation nicht bewältigen oder Energiekosten nicht bezahlen kann, versprach Lauterbach Anfang November 2022. Inflationsausgleich für die Kliniken: Fehlanzeige.

Die Kliniken hoffen auf eine neue Bundesregierung, die einen adäquaten Inflationsausgleich auf den Weg bringt und die Einführung einer extrem bürokratischen und falsch geplanten Vorhaltefinanzierung auf Eis legt.

In seiner Neujahrsansprache wies auch der Bundeskanzler auf die schwierige Situation im Land hin: „Unsere Wirtschaft hat zu kämpfen. Das Leben ist teurer geworden“, sagte Olaf Scholz. Wie geht es in Deutschland weiter? Olaf Scholz: „Unser Zusammenhalt macht uns stark!“

Der Bundeskanzler erinnerte an das Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember und sprach anerkennend seinen Dank aus an „die unzähligen Ersthelfer, Krankenpflegerinnen und Sanitäter, an die Ärztinnen und Ärzte, die bis zur Erschöpfung und darüber hinaus Verwundete versorgt, operiert und behandelt haben.“

Und etwas später konstatiert er, was die Stärke Deutschlands ausmacht – die gute und verlässliche Daseinsvorsorge. Unter anderem: „Jede und jeder kann sich darauf verlassen, beim Arzt oder im Krankenhaus medizinisch gut behandelt zu werden.“

Ein kurzer heißer Wahlkampf steht uns bevor. Wird die Situation der Kliniken eine Rolle spielen beim Kampf um Wählerstimmen? Wohl kaum. Die Krankenhausreform ist beschlossen. Das Thema ist viel zu komplex, um Wählerstimmen zur Bundestagswahl zu gewinnen. Es ist nicht geeignet für einfache, populistische Parolen. 

„Wir können 2025 zu einem guten Jahr machen“, sagte der Bundeskanzler zum Abschluss seiner Rede. Das klingt hoffnungsvoll. Aber diese Aussage war nicht ausdrücklich auf die Krankenhäuser, ihre Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte bezogen.

Katrin Rüter, Chefredakteurin