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Thema des Monats

Green Hospital: Im Gespräch mit Jens Leveringhaus, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft eG/P.E.G. Servicegesellschaft mbH


Jens Leveringhaus, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft eG/P.E.G. Servicegesellschaft mbH, setzt auf mehr Nachhaltigkeit.

Sie sind seit 2020 Vorstandsvorsitzender der P.E.G. Welche Schwerpunkte setzen Sie in diesem Amt?

Bei meinem Vorgänger Anton J Schmidt richtete sich der Fokus der Einkaufsgemeinschaft neben dem Einkauf und den Konditionen vor allem auf Qualität in der Versorgung und auf Prozessmanagement. Das werden wir auch jetzt weiterverfolgen. Die zukünftige Ausrichtung der P.E.G. wird aber viel stärker auf das Thema Nachhaltigkeit gerichtet sein. Genau deshalb hat die P.E.G. eG jetzt eine Green Health Offensive gestartet.

Was können die Bereiche Versorgung und Beschaffung tun, um Kliniken umweltfreundlicher und klimaneutraler zu machen?

Es gibt Studien, die im Gesundheitssektor etwa 70 % der CO2-Emissionen dem Bereich Einkauf und Beschaffung zuschreiben. Das hat gewiss verschiedene Komponenten, wobei die Logistik sicher eine große Rolle spielt.

Es gibt aber auch zahlreiche andere Faktoren. Wichtige Aspekte sind auf der einen Seite die Produkte und Artikel selber. Wir müssen uns fragen, wo und unter welchen Bedingungen wurden sie produziert? Aber auch der Einsatz der Materialien und Produkte gehört auf den Prüfstand: In den Kliniken kommen viele Wegwerfartikel und Produkte zum Einsatz, die nur einmal benutzt werden können. Das muss hinterfragt werden. Es geht auch um das Thema Re-Use und Recycling und um Vorkonfektionierung. In Kliniken fällt eine enorme Menge Abfall an. Allein im OP wird sehr viel Müll produziert. Dort müssen oftmals sogar Dinge weggeworfen werden, die überhaupt nicht zum Einsatz gekommen sind.

Über die Optimierung von Prozessen lässt sich auch hier vieles erreichen. Es gilt, konsequent zu prüfen, in welchen Bereichen Abfall vermieden werden kann und welche Produkte einer neuen, nachgelagerten Nutzung zugeführt werden können. Letztlich müssen wir zu einem ganzheitlichen Ansatz für mehr Nachhaltigkeit im Krankenhaus kommen.

Wird sich der Einkauf auch durch die Erfahrung der Pandemie verändern?

Es hat sich ja bereits kurzfristig sehr viel verändert in der Pandemie. Die Krankenhäuser hatten den Fokus auf das Thema Versorgungssicherheit zu legen. Gerade im ersten Jahr der Pandemie stand die Beschaffung im Gesundheitswesen plötzlich vor existenziellen Problemen: Es gab in den ersten Wochen eine Verknappung von Schutzkleidung, von Schutzmasken und Handschuhen, dann waren zu wenig Schnelltests verfügbar. Dann kam im März dieses Jahres noch die Havarie des Frachters „Ever Given“ im Suezkanal hinzu, die den weltweiten Handel lahmlegte. Die Handelsroute zwischen Asien und Europa war blockiert, Waren aus Asien erreichten Europa nicht. All das hat ein Umdenken bei vielen Krankenhäuser bewirkt. Heute spielt das Thema Bevorratung wieder eine große Rolle, die Kliniken haben Sicherheitsläger eingerichtet für den Krisenfall. Auch fragen viele nun im Zusammenhang mit dem Einkauf, wo die Waren hergestellt werden, ob in Fernost oder im europäischen Wirtschaftsraum.

Welche Bereiche stehen in Sachen Nachhaltigkeit in den Kliniken im Fokus?

Natürlich fangen wir in den Bereichen an, wo die P.E.G. gut aufgestellt ist. Traditionell haben wir viel Erfahrung und Expertise beim Verpflegungsmanagement. Hier gibt es viele Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit in der Beschaffung. Gerade beim Verpflegungsmanagement hat sich bei den Lieferanten, mit denen wir zusammenarbeiten, schon viel getan.

Der Einkauf hat viele Facetten, gerade auch bei der Verpflegung. Es gibt hier naheliegende Ansätze wie die Einbindung von regionalen Anbietern und von nachhaltiger Herstellung und Bio-Produkten. Eine andere Möglichkeit wäre, den Fleischanteil der Speisen zu reduzieren, denn gerade bei der Fleischherstellung fällt viel CO2 an. Auch der Wasserverbrauch ist ziemlich hoch bei der Speiseversorgung, nicht nur beim Kochen selbst. Hier sind Lösungen denkbar, das Wasser zu recyceln und an anderer Stelle zu verwenden.

Vielleicht ist bei der Speiseversorgung das Umdenken dennoch am schwierigsten. Als ich meine Arbeit bei der P.E.G. begann, war das Verpflegungsmanagement für mich Neuland. Ich musste mich in das Thema einarbeiten und war, ehrlich gesagt, ziemlich geschockt, wie klein die Budgets für die Verpflegung teilweise in den Kliniken ist, wo doch auch die Ernährung wohl eine Rolle spielt bei der Genesung und in Bezug auf das Wohlbefinden der Patienten. Wenn einige Krankenhäuser weniger als 5 € am Tag pro Patient für Verpflegung ausgeben, die also für Frühstück, Mittag, Abendessen und auch für ein Stück Blechkuchen am Nachmittag noch reichen müssen, dann kann man sich vorstellen, was da an Qualität auf den Teller kommt.

Welche Möglichkeiten gibt es darüber hinaus, um den CO2-Abdruck einer Klinik zu verbessern?

Auch bei der Krankenhausreinigung und dem Hygienemanagement gilt es, zu fragen: Welche Dinge kommen zum Einsatz?

Beim technischen Management sollten Geräte geprüft werden: Wie lange sind diese schon im Einsatz, sind diese vielleicht veraltet und müssen ausgetauscht werden? Auch die Wartungsverträge können gegebenenfalls angepasst werden. Über die regelmäßige Wartung können die Effizienz und die Lebensdauer der Geräte gesteigert werden.

Auch das Thema Energie ist uns wichtig. Dabei geht es nicht nur darum, Grünen Strom zu kaufen. Es geht auch darum, den eigenen CO2-Fußabdruck zu bewerten. Hier werden wir Applikationen und Tools entwickeln, um in Zukunft unsere Partner dabei zu unterstützen, sich und ihren eigenen CO2-Fußabdruck zu messen und einzuordnen.

Welche Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien sollen beim Einkauf eine Rolle spielen?

Als wir im Juni im Rahmen des Hauptstadtkongresses in Berlin wir mit der Initiative an die Öffentlichkeit gingen, haben viele Krankenhaus-Manager nach einem Regelwerk zur Nachhaltigkeit gefragt. Genau dies haben wir in Angriff genommen. Wir haben uns fast ein Jahr Zeit genommen, uns auf dieses Thema und auf die Green Health Offensive vorzubereiten. Im Sommer 2020 hatten wir im Rahmen eines Strategie-Workshops die Fragestellungen hierfür erarbeitet. Was bedeutet nachhaltiger Einkauf? Was können wir den Einkäufern der Kliniken an die Hand geben, die mehr Gewicht auf nachhaltigen Einkauf legen wollen und das Thema in die Verhandlungen einbringen wollen? Wir erstellen derzeit mit ausgewählten Mitgliedseinrichtungen einen Kriterienkatalog, ein Handbuch für nachhaltigen Einkauf, den wir den Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen. Auf dieser Grundlage werden wir auch im Rahmen unserer Weiterbildungsmaßnahmen an unserer Akademie die Einkäufer aus den Unternehmen entsprechend schulen.

Dabei geht es um verschiedene Bereiche und Kriterien. Für einen Einkauf unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit schauen wir uns natürlich die Lieferketten an. Es geht aber auch beispielsweise um die Bewertung von Qualitätssiegeln. Es gibt viele Siegel, die sich die Unternehmen kaufen können. Das kann man dann auf seine Produkte draufkleben und auf die Webpage stellen, das Siegel hat aber letztlich kaum Aussagekraft, was Nachhaltigkeit betrifft. Welche Qualitätssiegel zeichnen ein Produkt auch wirklich als nachhaltig aus? Gab es ein Audit entsprechend der ISO-Norm? Wir nehmen die Umweltsiegel genau unter die Lupe.

Ist die nachhaltige Beschaffung teurer oder gibt es gar Einsparpotenzial?

Ich bin davon überzeugt, dass wir mit nachhaltigen Konzepten mittel- und langfristig auch Geld sparen können. Die Zeiten ändern sich: In der Vergangenheit hat man im Einkauf allein die Kosten betrachtet. In den letzten Jahres ist das Kosten-Erlös-Controlling immer wichtiger geworden, man hat nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf die Ertragsseite angeschaut. In Zukunft werden sich Unternehmen und eben auch Kliniken sicher auch mit CO2-Abgaben und –Zöllen befassen müssen. Dann gilt es, Nachhaltigkeitsreports zu erstellen, um Angaben und CO2-Besteuerung zu reduzieren. Auch wenn nachhaltige Produkte und Prozesse etwas teurer sind, ergeben sich auf der anderen Seite vielleicht signifikante Einsparmöglichkeiten über verringerte Steuern.

Können Patienten, Mitarbeiter, die Region davon profitieren? Oder sehen die das möglicherweise kritisch?

Ja, natürlich profitieren die Patienten und auch die Mitarbeiter. Nachhaltigkeit ist ein Qualitätsmerkmal. Und es ist auch ein Marketing-Instrument. Schon heute schauen viele Patienten darauf, wie ein Krankenhaus in Sachen Umweltbilanz aufgestellt ist.

Die Mitarbeiter können und sollten von Anfang an mitgenommen werden. Sie können zum Beispiel leicht eingebunden und motiviert werden, selbst etwas zu tun für Klima und Umwelt. Die P.E.G. und viele unserer Mitarbeiter sind beispielsweise über die Initiative „Klimaretter – Lebensretter“ der Stiftung viamedica engagiert. Diese Initiative erleichtert es und motiviert sehr, den eigenen CO2-Fußabdruck zu verkleinern.

Sind Sie optimistisch, dass die Kliniken in Zukunft nachhaltiger werden?

Ja, das bin ich. Wir sind ja auch nicht allein. Es gibt zur Zeit unglaublich viele Veröffentlichungen zum Thema, das spiegelt auch das gestiegene öffentliche Interesse an Nachhaltigkeit. Auch sehen wir zunehmend der Zusammenhang des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit auf die Gesundheit thematisiert. Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen Umwelt und Gesundheit, das ist den Menschen zunehmend bewusst. Das gibt dem Thema im Gesundheitswesen noch einen zusätzlichen Schub.