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Thema des Monats

Einkauf und Beschaffung: Im Gespräch


Foto: 3M

mit Barbara Schridde, Clinical Specialist bei 3M 

Was macht Value-based Procurement, wertorientiertes Beschaffungs-Management, im Kern aus?

Value Based Procurement will mit einem 360-Grad-Ansatz einen echten und nachhaltigen Mehrwert für die Kliniken, das Personal und die Patienten schaffen, indem neben dem Preis eines Produkts weitere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen. Als Instrument im Einkauf ist wertorientierte Beschaffung nicht neu, doch es gibt gerade in Deutschland noch sehr viel Handlungsbedarf.

Welchen Handlungsspielraum haben Einkäufer der Kliniken zwischen Werten, also Fragen der Qualität, und Kostenzwängen?

Ein ganzheitlicher, integrierter Ansatz kann in der Pflege effektiv die Kostenplanung erleichtern. Das können wir mit konkreten Zahlen und Best-Practice-Beispielen belegen und somit den Einkäufern Argumentationshilfen an die Hand geben, die auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten valide sind. Das heißt: Es gibt einen Handlungsspielraum, der Qualität mit Kosteneffizienz verbinden kann. Als Clinical Specialist ist es ein Teil meiner Aufgabe, die Hintergründe von Produktlösungen oder Informationen zu studienbasierten Kennzahlen etc., zu erläutern

Was können Kliniken tun, welche Aspekte sind zu beachten?

Es geht immer um maßgeschneiderte Lösungen. Value-based Procurement ist kein starres Tool. Dabei ist die genaue Analyse der Strukturen auf Klinikseite ebenso wichtig wie die Bereitschaft, Silodenken zu überwinden. Gute Erfahrungen haben wir mit der Bildung interdisziplinärer Teams gemacht, in denen zum Beispiel Einkäufer, Ärzte und Pflegepersonal gemeinsam daran arbeiten, das singuläre Kostendenken durch einen wertorientierten Ansatz zu ersetzen. Hier sollte man aber immer ein Gesamtkonzept erarbeiten, in dem neben Kosten- auch Mitarbeiter- und Produkteffizienz berücksichtigt wird.

Welche Rolle können Lieferanten bei der wertorientierten Beschaffung spielen?

Wir stellen Fachinformationen zur Verfügung und hören uns die Bedürfnisse der Kunden genau an. Neben der persönlichen Beratung - die auch proaktive Vorschläge für neue Erkenntnisse und Strategien umfasst und sich auf eine enge Verbindung zu Forschung und Wissenschaft stützt – bieten wir umfangreiche Schulungs- und Weiterbildungsangebote wie die Weiterbildungsplattform 3M Health Care Academy oder regelmäßige Webinare mit Experten zu aktuellen Themen. Applikationsanleitungen und Anwendungsvideos unterstützen zudem die Dokumentation in den einzelnen Häusern.

Wie sieht ein typisches Projekt im Rahmen wertorientierter Beschaffung aus Ihrer Sicht aus?

Ein konkretes Beispiel ist der Umgang mit Feuchtigkeitsassoziierten Hautschäden (MASD) wie Inkontinenz-assoziierter Dermatitis oder Peristomaler Dermatitis. Aus klinischer Sicht ist die Behandlung schwierig, zeit- und kostenaufwendig. Hier kann ein wertorientierter Ansatz in der Praxis die Pflegeeffizienz und die Kostenplanung erleichtern, zum Beispiel durch einen genauen Blick auf Präventionsstrategien und die Relevanz der Hautintegrität. Konkrete Produkte sind dabei nur ein einzelner Aspekt von vielen. Hautschutz-Produkte unterstützen den Heilungsprozess und senken damit gleichzeitig Kosten, doch der wirkliche Mehrwert ergibt sich erst, wenn die Produkte in ein schlüssiges Gesamtkonzept eingebettet werden.

Welche Themen sind in Bezug auf Einkauf und Beschaffung derzeit besonders relevant für Kliniken?

Zurzeit ist das Thema Kosten durch die Bedingungen der Covid-19-Pandemie noch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Viele Häuser müssen ihre Kalkulation aufgrund der Ausnahmesituation auf den Intensivstationen überprüfen und anpassen. Kosten-Nutzen-Überlegungen haben also an Bedeutung gewonnen und als Lieferant und Dienstleister können wir in dieser Situation mit entsprechendem Datenmaterial Entscheidungsprozesse unterfüttern. Als strategische Themen sind zudem Patientensicherheit und -zufriedenheit, Personalsicherheit und -schutz sowie Vermeidung von nosokomialen Infektionen weiterhin aktuell.

Ist die Bedeutung der wertorientierten Beschaffung gestiegen?

Wir nehmen ein gestiegenes Interesse an diesem Thema wahr. Die Kliniken schauen im Einkauf stärker auf die Zahlen, auch aufgrund des erhöhten Konkurrenzdrucks: Billig allein ist nicht mehr gut genug. So finden Ansätze wie die wertorientierte Beschaffung eine erhöhte Aufmerksamkeit. Im Einzelfall ist das aber abhängig von den Zielsetzungen des Managements.

Ist Value-based Procurement messbar, wie kann das Outcome überprüft werden?

Maßstab für den Erfolg ist immer die Gesamtbetrachtung aller Effekte von Gesundheitsleistungen, Produkten und Lösungen in Bezug auf die Patienten und das Personal. Das ist durchaus messbar und sogar erwünscht, denn so entsteht Planungssicherheit für alle Beteiligten. Entsprechende Studien zur wertorientierten Beschaffung belegen zum Beispiel die Reduzierung von Komplikationen, die Senkung der durchschnittlichen Dauer des Klinikaufenthalts und ähnlicher Parameter.

Die Pandemie hat die Beschaffung in den Kliniken, aber auch Medizinproduktehersteller vor große Probleme gestellt. Schutzkleidung war plötzlich knapp, Preise stiegen in groteske Höhen. Was bedeutet dies für das Konzept wertorientierter Beschaffung?

Sicherlich hat die Pandemie ganz neue, dringende Fragen in den Häusern aufgeworfen. Auch 3M hatte mit Knappheit bei der Beschaffung zu kämpfen – wie viele andere Hersteller. Trotz der Widrigkeiten haben wir in eine neue Anlage für die Produktion von Atemschutzmasken in Deutschland investiert. Die Preissteigerungen für Schutzmaterialien waren dagegen kein Thema: Wir haben unsere Preise konstant gehalten, weil wir das als wichtig in der Zusammenarbeit mit den Kliniken ansehen. Am grundsätzlichen Wert eines erweiterten Beschaffungsbegriffs hat die Pandemie nichts geändert, zumal die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ja gleichbleiben. Wertorientierung in der Beschaffung ist kein Luxus, sondern eine Frage der Ökonomie, die sich auch in Pandemiezeiten stellt.