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Thema des Monats

Im Gespräch: IT und Technik

Im Gespräch: IT und Technik

mit Jürgen Flemming, Vorstandsmitglied im Verband der Krankenhaus-IT-Leiterinnen und Leiter e. V. (KH-IT) sowie Mitglied im Kongressbeirat der DMEA, Regionalmanager IT Allgäu Oberschwaben bei Sana und IT-Leiter der Sana Kliniken Landkreis Biberach

Wie schätzen Sie die Situation im Gesundheitswesen in Bezug auf die Digitalisierung ein?

Das muss man auf verschiedenen Ebenen betrachten. Auf der ersten Ebene ist dies die Gesundheitspolitik in Berlin. Nach meinem Eindruck verstehen viele Akteure unter Digitalisierung immer noch, dass im Grunde jeder Haushalt, möglicherweise – etwas salopp formuliert – jede Milchkanne, mit hoher Bandbreite ans Internet angebunden wird. Eine Internetverfügbarkeit, im Zweifel auch für das ‚Internet of Things‘, ist unerlässlich, aber es ist nicht mehr als eine wichtige Rahmenbedingung. Der Kern der Digitalisierung ist jedoch, Routineprozesse zu automatisieren oder komplexe Prozesse zu optimieren. Auf dieser zweiten Ebene sieht man, dass die Digitalisierung zum Thema Prozessoptimierung gehört, das uns schon seit Jahrzehnten begleitet. Mit der Künstlichen Intelligenz eröffnet die Digitalisierung aber auch ganz neue Dimensionen. Beispielsweise können Computer heute Bilddaten in der Radiologie oder der Pathologie mit sehr hoher Geschwindigkeit automatisiert analysieren und daraus Grundschlüsse ziehen, die den jeweiligen Fachärzten die Arbeit erleichtern. So etwas wird sich in nächster Zeit deutlich weiterentwickeln.

Wie wird diese Künstliche Intelligenz die Arbeit im Krankenhaus verändern?

KI wird die Abläufe dramatisch verändern, sei es in der Radiologie, wo automatisiert Bilddaten eines Patienten mit großen Mengen an ähnlichen Fällen verglichen werden und man so schneller zu dem Schluss kommt, dass der Befund eindeutig negativ, also der Patient gesund ist. Das dürfte circa 80 % der stupiden Routinearbeit einsparen. Die Radiologen können sich dadurch dem wirklich Kritischen widmen, nämlich beispielsweise den Bildern von Patienten, die tatsächlich Krebs haben. Auch der Vergleich von Bilddaten aus Radiologie und Pathologie wird zu ganz neuen Erkenntnissen führen, und die Überführung in die Praxis hat sich nach meinem Empfinden deutlich beschleunigt.

 Welche Rolle spielen die von den Patienten gesammelten Daten?

Obwohl ich selbst keinen Fitness-Tracker habe, gehe ich davon aus, dass das ganze Thema Sensorik als ein Teilbereich des ‚Internet of Things‘ uns sehr viel weiterbringen wird. Die Sensoren sind schon heute extrem klein und können unter Bedingungen messen, die wir uns bisher nicht vorstellen konnten, beispielsweise den Blutzucker durch die Haut oder über eine Kontaktlinse.

 Wenn Sie die digitalen Reifegrade der Krankenhäuser betrachten, ist dann eine Teilhabe der Krankenhäuser in der Breite an dieser Entwicklung überhaupt denkbar?

Es ist schon die Spitze einer Entwicklung, die aber auch eine Veränderung vorantreiben wird. Der Weckruf ist in den meisten Krankenhäusern gehört worden. Die Kliniken geben sich unglaubliche Mühe in Richtung Digitalisierung und Qualitätssicherung. Die zwei großen Probleme sind, dass Digitalisierung sehr viel Geld kostet und sich nicht direkt wieder auszahlt und dass qualifiziertes Personal fehlt.

Aber es gibt Beispiele wie einen Klinikverbund in Süddeutschland, der Künstliche Intelligenz für die Beurteilung von MRT-Studien schon heute nutzt. Dafür gibt die Klinik die MRT-Aufnahmen an einen Dienstleister, der pro Fall die gewünschten Analysen für einen Festpreis durchführt. Auf diese Weise können sehr schnell neue Technologien im eher unflexiblen System Krankenhaus eingeführt werden.

 Aber auch das muss doch finanziert werden.

Ja, aber da haben Sie dann einen Dienstleister, der im Zweifel über ein gefördertes Projekt die entsprechende Technik entwickelt hat und die Dienstleistung für viele Krankenhäuser erbringt. Hinzu kommt, dass die DICOM-Daten sehr stark standardisiert sind und es in Radiologie-Netzwerken üblich ist, Daten auszutauschen.

 Welche Projekte stehen bei Ihnen gerade ganz oben auf der Agenda?

Neben dem Neubau der Klinik in Biberach ein Projekt zur Automatisierung und Prozessoptimierung in der Pathologie.

 Worauf müssen sich die Krankenhäuser insgesamt vorbereiten?

Was im Moment drohend am Horizont steht, ist die Medical Device Regulation, die 2020 kommt. Das wird einiges durcheinanderrütteln. Die Vorgaben betreffen auch Krankenhausinformationssysteme und alle Systeme, die patientennah eingesetzt werden. Künftig sind beispielsweise zum Teil andere Zulassungsverfahren notwendig, und es ist noch nicht erkennbar, dass die Hersteller darauf vorbereitet sind.

Vor allem aber werden die Anforderungen an die IT-Sicherheit im Krankenhaus massiv steigen. Gerade wird an den sogenannten KRITIS-Häusern, also Kliniken mit mehr als 30 000 stationären Fällen, aufgezeigt, was es für die Krankenhäuser bedeutet, ihre IT-Sicherheit entsprechend zu verbessern. Das wird von den KRITIS-Häusern in den kommenden drei bis fünf Jahren auf die anderen Krankenhäuser in dem Sinne „niedertröpfeln“, dass es den Stand der Technik darstellt. Wenn dann etwas passiert und der Stand der Technik wurde nicht umgesetzt, ist das im Zweifel grob fahrlässig.

Darüber hinaus entwickelt sich langsam das Bewusstsein dafür, wie wichtig sichere Kommunikation mit HL7, FHIR und die Nutzung der IHE-Usecases sind. Gerade die IHE-Usecases sind für mich besonders wichtig, weil wir damit endlich anfangen, Prozesse zu standardisieren, und das in einer Detailliertheit, die den Medizinern noch genug Freiraum gibt, ihre Abläufe so zu gestalten, wie sie es brauchen.

 Welche Rolle spielt die Telematikinfrastruktur?

Die fällt in die Kategorie sichere Kommunikation. Der Charme an der Telematikinfrastruktur gegenüber anderen Lösungen ist, dass der Staat über die Trägerstruktur zumindest ideell die Garantie für die Sicherheit übernimmt. Ich persönlich glaube, die Sicherheit, die da versprochen wird, gibt es nicht. Alle Hacker dieser Welt werden probieren, doch in das Netz zu kommen. Wir müssen uns deshalb dringend damit auseinandersetzen, wie wir damit umgehen, uns zu fragen, was ist der Plan B oder C, aber das geschieht momentan meines Wissens nicht. Trotzdem denke ich, die Telematikinfrastruktur ist noch mit der sicherste Ansatz, weil nicht nur ein großer Aufwand betrieben wird, sondern dort auch bestimmte Abläufe standardisiert werden.

Die Fragen stellte Anja Wunsch

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