Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.

Thema des Monats

IT und Technik: Digitalisierung und Führungskräfte. Was für Geschäftsführungen jetzt anders wird

IT und Technik: Digitalisierung und Führungskräfte. Was für Geschäftsführungen jetzt anders wird

Niedrig digitalisiert: So lautet das Urteil des aktuellen Monitoring-Reports Digital 2018 zum Gesundheitswesen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie über die deutschen Kliniken und Krankenhäuser. Mit ihm ermittelt das Bundeswirtschaftsministerium jährlich den Digitalisierungsgrad unterschiedlichster Branchen. Im Vergleich belegte die Gesundheitsbranche hier den letzten Platz. Laut Report ist bis 2022 keine Verbesserung in Sicht.

Ein Ergebnis, das zur Selbsteinschätzung von Führungskräften deutscher Krankenhäuser über ihre eigene Kompetenz in diesem Bereich passt. Gerade einmal 11 % bezeichnen sich als „sehr fit“ in Sachen Digitalisierung. Dies ergab eine Studie der Personalberatung Rochus Mummert aus dem Jahr 2016, bei der 380 Führungskräfte in Deutschland aus dem Klinikbereich zum Thema Digitalisierung befragt wurden. Eine erneute Erhebung der Studie zwei Jahre später ermittelte genau dieses fehlende Digital-Know-how der Führungskräfte – nach ungenügenden finanziellen Mitteln – als zweitgrößte Hürde beim Entwickeln und Umsetzen einer unternehmensübergreifenden Digitalstrategie.

Was müssen Klinikgeschäftsführer können?

Eine Situation, die zunehmend ein gewaltiges Problem darstellt. Denn eine ebenso schnelle wie umfassende Digitalisierung und digitale Vernetzung ist im Gesundheitswesen dringend geboten. Sie steht allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung der Deutschen auf der Prioritätenliste ganz oben. Hier gilt es, für eine alternde Bevölkerung weiterhin eine ebenso hochwertige wie bezahlbare medizinische Versorgung zu gewährleisten, während der Fachkräftemangel Kliniken weiter herausfordert. Vor diesem Hintergrund wird künftig jedes zweite Krankenhaus in Deutschland bei der Einstellung kaufmännischer wie medizinischer Führungskräfte auch profundes Wissen zu Themen wie IT und Digitalisierung verlangen (vergleiche Mueller 2016: 3–4). Doch welche Anforderungen müssen generell an die Führungskräfte der ersten Ebene, das heißt die Geschäftsführer, gestellt werden? Welche Veränderungen bedeutet dies für das Rekrutieren und Führen dieser Führungskräfte? Und nicht zuletzt: Wie können einmal rekrutierte oder auch bestehende Geschäftsführer von Krankenhäusern die zahlreichen Chancen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, in der Praxis sinnvoll und effektiv nutzen?

Paradigmenwechsel

Es geht um weit mehr als die digitale Patientenakte – auch wenn diese derzeit im Mittelpunkt steht. Digitaler Wandel in einer Klinik bedeutet einen ganzheitlichen, technisierten sowie fachbereichs- und unternehmensübergreifenden Wandel, der die gesamten Abläufe im Krankenhaus beschleunigt. Darüber hinaus ist er durch einen hohen Innovationsgrad gekennzeichnet. Das zeigt sich nicht nur am zunehmenden Einsatz von Robotik, etwa bei pflegerischen Tätigkeiten oder in der Krankenhauslogistik, sondern auch an Themen und Lösungen wie Telemedizin, 3D-Druck und Gesundheits-Apps für Patienten und Behandler. Noch ganz andere Dimensionen werden selbstlernende Systeme und Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) eröffnen, wie sie sich gerade erst abzeichnen. Zusammengefasst unter Begriffen wie Medizin 4.0 oder Smart Hospital, läutet die Digitalisierung damit einen nie dagewesenen Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen ein. Umso kritischer muss hinterfragt werden, ob die bisherigen Schlüsselkompetenzen eines Klinikgeschäftsführers im Zuge des digitalen Wandels noch Bestand haben. Gerade bei der Auswahl von Führungskräften der ersten Ebene sind hier mehr denn je besondere Sorgfalt und eine systematische Überprüfung des Kompetenzprofils erforderlich. Denn der Klinikgeschäftsführer prägt entscheidend das Bild des Unternehmens und verantwortet die zukünftige strategische Ausrichtung des Krankenhauses.

 Persönlichkeitsmerkmale zählen

Hier spielen auch andere Persönlichkeitsmerkmale eine wesentliche Rolle. An erster Stelle steht dabei die Fähigkeit zu Agilität, eine im digitalen Zeitalter immer bedeutsamere Managementtugend. Agil bedeutet jedoch weit mehr als nur den Einsatz agiler Methoden. Mindestens ebenso wichtig ist eine entsprechende innere Haltung, etwa in Form einer hohen mentalen Agilität, das heißt einem möglichst flexiblen Umgang mit Fachwissen. Eine ausgeprägte emotionale Agilität ermöglicht es, mit schnell wechselnden Gefühlsmomenten von Frust über Freude bis hin zu Verlusten und Wut klarzukommen, wie sie heute etwa durch eine immer ausgeprägtere Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit in immer schnelleren Zyklen angetriggert werden. Ebenfalls gefordert ist eine hohe soziale Agilität von Führungskräften. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln schneller als früher, Generationsunterschiede sowie die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams erfordern ein Höchstmaß an sozialer Anpassungsfähigkeit. Klinikgeschäftsführer müssen sich schnell auf die Bedürfnisse der einzelnen, am Arbeitsprozess beteiligten Individuen einstellen können.

 Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Auch eine ausgeprägte Teamfähigkeit zählt zu den elementaren Schlüsselkompetenzen von Krankenhausgeschäftsführern. Angesichts des digitalen Wandels wird es wichtiger denn je, über Fachbereiche und Standorte hinweg effektiv und teamorientiert zusammenzuarbeiten, insbesondere aufgrund zunehmend heterogener Spezialistenteams in regelmäßig wechselnder Zusammenstellung. Generell bedeutet der digitale Wandel eine wesentlich intensivere Vernetzung – nicht nur im technischen, sondern auch im persönlichen Sinn. Immer mehr gilt dies auch über die Grenzen der eigenen Einrichtung hinweg: Künftig wird es für Klinikgeschäftsführer verstärkt darum gehen, mit externen Kooperationspartnern wie anderen Kliniken, sonstigen Partnern oder auch Medizintechnikunternehmen an Projekten im Verbund zu arbeiten. Hier ist das eigene Haus einer von mehreren gleichberechtigten Partnern. Mental erfordert dies, sich von einem bisherigen „Silo“-Denken zu verabschieden, das an der Grundstücksgrenze endet. Noch viel mehr bedeutet es, im eigenen System die nötigen personellen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen einer solch übergreifenden Zusammenarbeit zu schaffen. Im Arbeitsalltag gilt es, die damit verbundene höhere Komplexität zu meistern.

 Mitarbeiter für Digitalisierung gewinnen

Stärker denn je gefragt ist auch die Fähigkeit von Führungskräften, Menschen motivieren zu können. Wie in anderen Branchen, so stehen auch in Kliniken nicht wenige Mitarbeiter und Ärzte einer (weiteren) Digitalisierung kritisch gegenüber. Das belegt die eingangs genannte Studie aus dem Jahr 2018: Hier gaben 48 % der befragten Teilnehmer an, dass Widerstände der Belegschaft aus Angst vor Arbeitsplatzveränderungen zum Stolperstein auf dem Weg zur Medizin 4.0 werden können. Umso wichtiger sind Führungskräfte, die einerseits zu Recht aufgeführte Nachteile und Bedenken erkennen und aufgreifen, es auf der anderen Seite aber auch verstehen, die Vorteile des digitalen Wandels auf gewinnende Weise zu verdeutlichen, etwa in Form von Arbeitsprozessen, die sowohl angenehmer und leichter als auch effizienter und effektiver gestaltet werden können. Konkret kann es hier auch darum gehen, eine Belegschaft für die generelle Umsetzung einer umfassenden internen Digitalisierung zu gewinnen oder gar zu begeistern, die Sinnhaftigkeit der damit verbundenen Maßnahmen zu vermitteln und – besonders wichtig – mit einer positiven Grundhaltung voranzugehen.

 Profunde Kenntnisse im Projekt- und Changemanagement

Mehr Kompetenz denn je müssen Klinikgeschäftsführer zudem künftig bei der Entwicklung von Mitarbeitern an den Tag legen. Speziell vor dem Hintergrund des digitalen Wandels wird dieses Thema für Gesundheitseinrichtungen noch wichtiger, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Mitarbeiter nicht an konkurrierende Unternehmen zu verlieren. Dabei geht es auch um die eigene Fähigkeit, Mitarbeiter wertorientiert zu führen und auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorzubereiten. Dies ist nur möglich, wenn sich die Führungskraft unter anderem selbst fachlich zu digitalen Themen weiterbildet und das neu gewonnene Wissen an die Mitarbeiter weitergibt. Für kaufmännische Führungskräfte in Kliniken erfordert dies aus heutiger Sicht vor allem Know-how und idealerweise Erfahrung im Projekt- und Change Management. Die Geschäftsführung muss dabei komplexe langfristige Digitalisierungsziele in für die Mitarbeiter überschaubare Projekte gliedern. Ebenso gefordert sind profunde Kenntnisse in den Bereichen Datenschutz und IT-Sicherheit, nachdem gerade im Gesundheitsbereich einerseits besonders sensible Daten erhoben werden, Kliniken andererseits allein durch ihre leichte physische Zugänglichkeit besonderen Risiken ausgesetzt sind. Nur so sind Führungskräfte gerüstet für kommende Aufgaben. Diese können erheblichen Umfang einnehmen: „Die klinischen Arbeitsplatzsysteme mit ihrer medizinischen Administration, medizinischen Dokumentation und digitalen Archivierung von medizinischen Dokumenten, Bildern und Patientenakten sind in vielen Krankenhäusern bisher nur teilweise ausgebaut. Ein Volleinsatz über alle Bereiche von Pflege bis ärztlichen Dienst fehlt häufig noch völlig“, konstatierte etwa 2016 Prof. Dr. Ing. Wolfgang Riedel vom Braunschweiger IfK (Institut für Krankenhauswesen). Damit lautet der Anspruch nicht weniger als eine IT zu etablieren, welche die kaufmännischen, medizinischen und pflegerischen Unternehmensbereiche gleichermaßen erfasst und vernetzt. Künftig wird damit ein noch höheres Maß an Analyse- und Urteilsfähigkeit sowie fachlicher Versiertheit von den Klinikgeschäftsführern verlangt.

 Geschäftsführer werden (noch) mehr zum Unternehmer

Unter den erforderlichen unternehmerischen Kompetenzen eines Klinikgeschäftsführers werden die Themen Vision und Strategie sowie Innovation immer bedeutsamer. Ersteres bedeutet, dass eine ambitionierte und realistische Vision des eigenen Geschäfts entwickelt wird und diese Vision in strategische Vorhaben und Ziele übertragen werden kann. Konkret wird es immer wichtiger, die Markt-, Kunden- und Wettbewerbsveränderungen zu antizipieren, flexibel zu agieren und mit angemessener Risikobereitschaft, unabhängig von vorherrschenden Trends, Maßstäbe zu setzen. Ebenso wird es in diesem Zusammenhang für Klinikgeschäftsführer darum gehen, einfallsreiche, frische Ideen und Lösungen zu entwickeln, Innovation und Veränderung zu fördern sowie gleichzeitig traditionelle Herangehensweisen kritisch zu reflektieren. Klassische Managementtugenden wie Business Development und Ergebnisfokussierung behalten daneben weiterhin ihre Gültigkeit. Sie werden auch in Zukunft unabdingbar für die erfolgreiche Leitung eines Krankenhauses sein. Es wird außerdem wesentlich sein, geschäftliche Möglichkeiten zu erkennen und zu ergreifen sowie einen starken positiven Einfluss auf das Wachstum und die Profitabilität des Geschäfts auszuüben und die finanziellen Auswirkungen der eigenen Aktivitäten zu kontrollieren.

 Leader, Visionär und Manager

Die Anforderungen an einen Klinikgeschäftsführer im Rahmen des digitalen Wandels haben sich massiv verändert und werden sich weiter verändern. Im Vordergrund steht dabei die Fähigkeit, einen komplexen Veränderungsprozess zu steuern, bei dem die langfristigen Ziele noch gar nicht klar definiert sind und sich immer schnelleren technologischen Entwicklungen anpassen müssen. Im gleichen Zug gelten wesentliche klassische Managertugenden nach wie vor.

___________________________________________________________________________________________________________

Entscheidende Führungskräftequalitäten

 

– Fähigkeit zur Komplexitätsreduktion

 

– selbstreflektiert und agil

 

– visionär und innovativ

 

– interne und externe Vernetzung vorantreiben

 

– interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken

 

– Abkehr von hierarchischer Denkweise

 

– eigenständige Weiterbildung zum Thema Medizin 4.0

 

– IT-Affinität

 

– Erfahrung mit Change-Management

 

– Kenntnisse zum Thema Datenschutz

__________________________________________________________________________________________________________

 Anschrift der Verfasser

Dr. Peter Windeck, Managing Partner, Sebastian Förster, Teamleiter Recruiting, Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH, Joachimstraße 6, 30159 Hannover

Literatur

 Ambacher, Nicole/Carl, Michael/Knapp, Daniel (2015): Personalisierte Medizin der Zukunft, Leipzig

 Bartscher, Thomas: „Fähigkeit“, in: Gabler Wirtschaftslexikon (Abrufdatum 13.03.2019), URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/faehigkeit-36322

 Ciesielski, Martin A. (2016): Führungskräfte müssen in die digitale Welt hineinentwickelt werden (Abrufdatum 13.3.2019), URL: www.springerprofessional.de/leadership/fuehrungstools/-fuehrungskraefte-in-die-digitale-welt-hineinentwickeln/7821570

 „Erfahrung“ auf Duden online. URL: www.duden.de/rechtschreibung/Erfahrung (Abrufdatum: 13.3.2019)

 Erpenbeck, John/Heyse, Volker (2007): Die Kompetenzbiographie. Wege der Kompetenzentwicklung, 2. Auflage, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann Verlag

 Mackrodt, Carlo/Schoppe, Peter (2017): Digital Leadership 2017. Tugenden und Werte erfolgreicher Top-Manager im digitalen Zeitalter

 Magunia, Peter/Rong, Oliver (2017): Roland Berger Krankenhausstudie 2017 (Abrufdatum 13.3.2019), URL: www.rolandberger.com/de/Publications/Krankenhausstudie-2017.html

 Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL 2018, hrsg. vom BmWi, (Abrufdatum 14.03.2019), URL: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/C-D/digitalisierungsprofil-gesundheitswesen-2018.pdf

 Mueller, Hartmut (2016): Digitalisierung in der Gesundheitswirtschaft 2016. Wie weit sind Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen auf dem Weg zur Medizin 4.0?, Rochus Mummert HealthCare Consulting GmbH, Stuttgart, Juli 2016

 Nissen, Regina: „Fachkenntnisse“, in: Gabler Wirtschaftslexikon (Abrufdatum: 13.03.2019), URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/fachkenntnisse-36697

 o.V.: „Wissen“, in: Gabler Wirtschaftslexikon (Abrufdatum 13.03.2019), URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/wissen-47196

 Peukert, Jens (2016): Digitalisierung wird Prozesse im Krankenhaus deutlich verändern. In: Deutsches Ärzteblatt. Berlin: Deutscher Ärzteverlag

 Riedel, Wolfgang (2016): Digitales Krankenhaus: Innovationen für Patient und Kliniker (Abrufdatum 13.3.2019), URL: www.medizin-edv.de/modules/AMS/article.php

 Schewe, Gerhard: „Change Management“, in: Gabler Wirtschaftslexikon (Abrufdatum: 13.3.2019), URL: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/change-management-28354

 Spittka, Jutta (2016): Mitarbeiterführung: Auf Augenhöhe statt von oben herab. In: Deutsches Ärzteblatt. Berlin: Deutscher Ärzteverlag