Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.

Thema des Monats

Personalmanagement: Im Gespräch


Foto: Soulpicture

Diversity

mit Michael Kiens, Vorstand für Krankenpflege, Patientenservice und Personalangelegenheiten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel und Lübeck  

Herr Kiens, was verstehen Sie unter Diversity?

Diversity ist für mich nicht nur beruflich, sondern auch persönlich ein Herzensthema. Ich bin mit einem Mann verheiratet und gehöre zu den Glückskindern, denen daraus nie ein Nachteil in Familie, Schule oder auch beruflich erwachsen ist. Diversity, also Vielfalt, ist für mich die Möglichkeit, sich im privaten und beruflichen Kontext entfalten zu können und dabei nicht an Grenzen zu stoßen. In einem Unternehmen kommen viele Menschen, die in einem ganz unterschiedlichen Sozialkontext leben, zusammen und müssen aber in diesem beruflichen Kontext einen vorgegebenen Verhaltenskodex erfüllen. Persönlich habe ich dies erfahren, als ich noch in der Zeit des damaligen Jugoslawienkrieges als Intensivpfleger mit Kosovaren, Albanern und Kroaten gearbeitet habe, die sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den Verhaltenskodex bei der Arbeit, einigen mussten. Ein Unternehmen muss diesen Kodex bieten und auch einfordern.

Die Herausforderungen sind da auch je nach Berufsfeldern andere: Arabische Ärzte, die sehr gut ausgebildet und damit leicht zu integrieren sind, für die aber das Thema Gleichstellung von Männern und Frauen nicht selbstverständlich ist. Oder in der Service-Gesellschaft des Klinikums: Unter den Reinigungskräften befinden sich zunehmend mehr Männer mit Migrationshintergrund, die aber häufig eine weibliche, deutsche Vorgesetzte haben. Deshalb ist es so wichtig, sich mit dem Thema Diversity auseinanderzusetzen und hier eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die das Potenzial für Konflikte abmildert. Am UKSH arbeiten rund 14 500 Mitarbeiter aus 112 Nationen, es ist also ein wichtiges Thema für uns.

Wie leben Sie dieses Konzept am UKSH? Wie wirkt sich das auf Mitarbeiter und Patienten aus?

Als Universitätsklinikum beschäftigen wir uns ja oft mit Exoten, d. h. schwierigeren Erkrankungen und manchmal auch weniger genormten Lebensläufen. Herzklappenentzündungen zum Beispiel korrespondieren bei jungen Patienten häufiger mit einer Geschichte von Drogenkonsum. Transgender, d. h. Personen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem nach der Geburt anhand der äußeren Merkmale eingetragenen Geschlecht übereinstimmt oder die eine binäre Zuordnung ablehnen, können in einer schwierigen Identitätsfindungsphase auch Drogen als Kompensationsinstrument nutzen. Hier muss das Personal in der Lage sein, jemanden mit Frau Müller anzusprechen, auch wenn die Geschlechtsmerkmale auf Herrn Müller hinweisen. Anderssein als eine Möglichkeit zu erleben und anzunehmen, ist dafür eine wichtige Voraussetzung. Diese Haltung lässt sich aber nur schwer verordnen, sondern muss gemeinsam erarbeitet werden.

Das UKSH hat sich 2017 bewusst dafür entschieden, die Charta der Vielfalt zu unterschreiben und das Thema Vielfalt aber nicht wie eine Fanfare ins Unternehmen zu „blasen“, sondern gemeinsam zu entwickeln. Wegen der großen und umfangreichen Bauprojekte lief das Thema zunächst aber eher so mit. Im Frühjahr 2019 haben wir auf einer Führungskräftetagung mit dem Thema „Zukunft braucht Herkunft“ zwar die Bauten adressiert, aber auch einen Denkanstoß gegeben. Die Herbsttagung wird mit dem Thema „Kraft der Verantwortung“ den Fokus auf die Verantwortung, die jeder persönlich für die Arbeitsatmosphäre trägt, legen. In einem dritten Schritt wollen wir am 28. Mai 2020 auch den Diversity Tag zelebrieren.

Im Dezernat Personal werden wir die verschiedenen sechs Dimensionen der Diversity einzelnen Bereichen zuordnen, bewusst wird zum Beispiel dem Bereich Recruiting das Thema sexuelle Orientierung zugeordnet, dem Bereich Familie die demografische Dimension usw. Ich möchte keinen Diversity-Beauftragten. Das Thema soll wie eine Klangschale im beruflichen Kontext immer mitschwingen. Eine Kultur und Umgangsformen können sie nicht verordnen. Sie müssen eine Plattform anbieten, dass Mitarbeiter es einbinden können. Das macht dann auch den Wert der Personalarbeit aus – wenn wir Geschichten erzählen und die Menschen daran erinnern, wo sie Berührungspunkte zum Thema haben. Alles, was dann zum Beispiel praktisch entsteht – wie geht zum Beispiel die Verwaltung damit um, wenn Mitarbeiter von Sabine zu Tim werden – welche Dokumente müssen geändert, welche Dinge bedacht werden – ist dann die Teamleistung.

In der öffentlichen Wahrnehmung wird Diversity oft auf ethnische Herkunft und Nationalität verkürzt. Die Dimensionen Geschlecht und geschlechtliche Identität, sexuelle Orientierung und Identität, Religion und Weltanschauung, Behinderung und Alter werden etwas seltener thematisiert. Welche Dimensionen sehen Sie in Kliniken am besten umgesetzt, welche am wenigsten?

Tatsächlich denke ich, die Chancengleichheit der Geschlechter ist an den Kliniken schon relativ gut umgesetzt. Berufsgruppenspezifisch ist dies zwar noch weiter zu entwickeln – so ist eine Karriere in der Pflege für Frauen, die das möchten, sehr gut realisierbar, im ärztlichen Bereich haben Frauen hier mehr Hürden zu bewältigen. Dass wir uns hier oft im tariflichen Bereich, der vergleichbar und transparent ist, bewegen, macht es auch leichter. Für den außertariflichen Bereich ist es oft noch „klassischer“. Im Vorstand sind wir zum Beispiel fünf Männer – ein Umstand, der mich fast von der Bewerbung abgehalten hätte. Denn um meiner Vorgängerin einen Mann nachfolgen zu lassen, bedurfte es schon der gefragten Doppelqualifikation aus Pflege und Personalbereich, um das möglich zu machen. Gleichstellung hat also nicht nur eine Richtung.

In Zukunft wird uns sicherlich die Generationenvielfalt mehr beschäftigen müssen – zum einen werden die Patienten älter und kränker, zum anderen altern aber auch die Mitarbeiter. Die verschiedenen Haltungen zu Arbeit und Leben, aber auch die verschiedenen Kompetenzen der Generationen zu integrieren, ist eine Herausforderung.