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Thema des Monats

Personalmanagement: Digital Recruiting


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Mit gezieltem Technikeinsatz und Wertschätzung persönlicher Begegnung Führungskräfte gewinnen

Mehr denn je steht und fällt der Erfolg einer Klinik mit den richtigen Führungskräften. Angesichts der branchenspezifischen wie auch der allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen sind dabei heute weniger verwaltende Manager als vielmehr Leader gefragt, Persönlichkeiten, die Mitarbeiter bewegen können. Ebenso müssen sie in der Lage sein, die anstehende Digitalisierung erfolgreich zu meistern. Gerade diese hochqualifizierten Führungskräfte sind im aktuellen Bewerbermarkt jedoch immer schwieriger zu gewinnen. Digital Recruiting kann hier wertvolle Vorteile verschaffen. Es erfordert aber ein hohes Maß an professioneller und überlegter Umsetzung, gepaart mit Gespür für das direkte Gespräch von Mensch zu Mensch.

Auch im Gesundheitswesen sind die Zeiten vorbei, als es noch genügte, eine Stellenanzeige zu schalten, auf die sich stets genügend willige und passende potenzielle neue Führungskräfte meldeten. Längst müssen sich Kliniken angesichts eines Arbeitsmarktes, in dem gute Kandidaten praktisch freie Auswahl haben, als attraktiver Arbeitgeber verkaufen – und das vom ersten Moment an. Ein wichtiger Hebel dafür ist eine gut ausgewählte und abgestimmte Digitalisierung von Informationsangeboten, Prozessen und Interaktionen im Sinne des Digital Recruitings. Was dabei zu beachten ist und wo die Schwerpunkte liegen sollten: Dafür soll dieser Beitrag Anstöße liefern – gerade vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Krankenhäuser nach wie vor kein eigenes Bewerberportal haben, geschweige denn ein elektronisches Bewerbermanagement.

Digital Recruiting beginnt auf der Website

Eine wesentliche Rolle spielt hier bereits der erste Kontaktpunkt, die Klinik-Website beziehungsweise das – idealerweise darin integrierte – Bewerbungsportal, das damit ein wesentlicher Bestandteil im Recruiting-Prozess ist. Bereits an dieser Stelle muss ein stimmiges und nutzerfreundliches digitales Recruiting nicht nur beginnen, sondern soll einen wesentlichen Unterschied machen. Zum Beispiel, indem es zu jeder Tages- und Nachtzeit sofort einen positiven, imagewirksamen Eindruck der Klinik vermittelt, möglichst viele Fragen beantwortet und schnell und einfach eine Online-Bewerbung erlaubt. Alles ansprechende Aspekte, die verhindern, dass sich eine potenzielle und passende Führungskraft bereits hier wieder abwendet, bevor es überhaupt zu einem weiterführenden Kontakt kommt.

 Bewegtbild vermittelt authentischen Eindruck

Im ersten Schritt spielen vor allem attraktive Informationsangebote eine Rolle. Punkte sammeln Kliniken hier zum Beispiel schon mit aussagekräftigen, vor allem aber authentischen Fotos. Interessenten sollen sich mit ihnen sowohl einen Eindruck des Hauses mit seinen Einrichtungen verschaffen können als auch von der jeweiligen Arbeitsumgebung. Ebenso gefragt sind Bilder der wichtigsten Ansprechpartner. Noch mehr Wirkung entfalten Videos, die in Form mehrerer halbminütiger Beiträge einzelne Bereiche und Aspekte der Klinik aus verschiedenen Perspektiven vorstellen. Sehr gut kommen auch Video-Testimonials einzelner Mitarbeiter an, die authentisch aus ihrem Arbeitsalltag erzählen. Auch die für neue Führungskräfte zuständigen Ansprechpartner im HR-Bereich präsentieren sich am besten mit eigenen kurzen Videos, gerne in Smartphone-Qualität aufgenommen. Auf klassische Imagefilme sollte hingegen verzichtet werden. In der Regel sind sie nicht nur zu lang, sondern nicht selten zu glatt und zu perfekt, und dadurch eher abschreckend.

 Antworten auf möglichst alle Fragen schon im Web

Lohnend ist stattdessen ein eigener Q&A-Bereich, der möglichst umfangreich auf alle Fragen eingeht, die für Bewerber von Interesse sein können. Hier sollten nicht nur interne Punkte thematisiert werden – Gibt es eine Ladestation für mein Elektroauto? Welche Kinderbetreuungs-Leistungen werden angeboten? Bietet die Kantine vegane Gerichte? –, sondern auch Aspekte aus dem Umfeld der Klinik, etwa die Fahrtdauer zum nächsten Bahnhof oder Flughafen, detaillierte Hinweise für Sport- und Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung oder Informationen zur Situation auf dem Wohnungsmarkt samt möglicher Serviceangebote durch die Klinik. Das spart Interessenten nicht nur Zeit, selbst danach zu suchen, sondern zahlt ebenfalls auf das Image ein: Anhand der gebotenen Themen und Fragen kann die Klinik schon beim ersten digitalen Kontakt beweisen, wie gut sie die Lebenswelten potenzieller neuer Führungskräfte tatsächlich versteht. Und wie sehr sie gegenüber Mitarbeitern einen modernen Service-Gedanken lebt. Sinnvoll ergänzt wird ein solches Informationsangebot am besten durch die von Shopping-Portalen bekannte Funktion „Sie interessierten sich für X, andere interessierten sich auch für Y und Z“. So kann das System eigenständig weitere relevante und attraktive Informationen – und damit Argumente – aufzeigen, bevor sie überhaupt abgefragt wurden. Ist genügend geschultes Personal vorhanden, sollte auch über ein Chatangebot auf der Website nachgedacht werden, andernfalls über einen Chatbot. Auf einer ganz anderen Ebene können Kliniken an dieser Stelle ebenso mit einer eigenen App zum Downloaden für mehr Flexibilität sorgen. Gerade im Gesundheitswesen nach wie vor eine Rarität ist ein solches Angebot – vor allem bei professioneller Umsetzung samt kreativen Funktionen und Services – auch gegenüber potenziellen neuen Führungskräften ein klares Signal pro Digitalisierung.

 Bewertungsportale und externe Berichterstattung aktiv thematisieren

Nachdem nahezu alle Besucher die jeweilige Klinik im Vorfeld gegoogelt und auf Bewertungsportalen abgerufen haben, ist es wichtig, an dieser Stelle eine mögliche Negativberichterstattung in der Presse oder negative Kommentare auf Arbeitnehmerportalen wie kununu.de zu thematisieren. Auch dadurch kann eine Klinik bei Interessenten nochmals punkten – allein schon deshalb, weil bis jetzt nur wenige Einrichtungen einen derartigen Ansatz verfolgen, die meisten sich dazu stattdessen im Web in Schweigen hüllen. Voraussetzung: Es wird professionell, ehrlich und lösungsorientiert auf die entsprechenden Punkte eingegangen, zum Beispiel auch in Form eines regelmäßig aktualisierten Videointerviews mit der Geschäftsleitung. Zusätzlich wirkt es in diesem Zusammenhang professionell-proaktiv, wenn die wichtigsten Arbeitgeber-Bewertungsportale direkt in die Website integriert sind.

 Einfaches, flexibles Bewerben

Idealerweise führen Maßnahmen wie diese dazu, dass Interessenten unmittelbar eine Online-Bewerbung abgeben. Hier können Kliniken im Rahmen des Digital Recruitings vor allem mit bewusster Einfachheit und Flexibilität weitere Chancen erschließen. Statt lange selbst tippen zu müssen, sollte es für Bewerber zum Beispiel möglich sein, Informationen und Lebenslaufdaten aus dem eigenen Xing- oder LinkedIn-Profi hochladen zu können. Positiv wirkt auch die Möglichkeit, umfangreiche Bild- oder Sprachmitteilungen hinzufügen zu können. Gleiches gilt für das Hochladen kompletter Bewerbungsvideos, ob frei erstellt oder als Antwort auf vorgegebene Fragen. Ein nicht zu unterschätzendes Detail ist darüber hinaus eine Abfrage, welche Zeiten und welche Plattformen (Telefon, Social-Media-Profil, Whatsapp etc.) für eine Kontaktierung durch die Klinik bevorzugt werden.

 Schnelligkeit, Verbindlichkeit und Transparenz im laufenden Prozess

Ist der Sende-Button gedrückt, geht es jetzt darum, die richtige Schnelligkeit, Verbindlichkeit und Transparenz zu gewährleisten, mit der Anfragen und Bewerbungen heute bearbeitet werden müssen. Speziell hier sind technische Lösungen im Rahmen eines elektronischen Bewerbermanagements oft ein Segen, nachdem kaum eine Klinik über die personelle Stärke in der HR-Abteilung verfügt, die dafür nötig ist. Konkret können dies zum Beispiel Algorithmen sein, die eingehende digitale Bewerbungen vorselektieren und Kandidaten mit besonders hoher Passung für die weitere Bearbeitung sofort priorisieren. Im gleichen Sinne können auch Anwendungen zur automatisierten Analyse von Bewerbervideos hilfreich sein. Erfolgsfördernd kann eine Automatisierung und Digitalisierung auch für die laufende Kommunikation und Abstimmung mit Bewerbern sein, etwa in Form sofortiger Eingangsbestätigungen oder regelmäßiger Zwischenmitteilungen über den Bearbeitungsstand. Idealerweise kann sich der Bewerber persönlich im Bewerberportal einloggen und alle Aktivitäten verfolgen. Das vermittelt nicht nur Verbindlichkeit und Bedeutsamkeit, sondern beugt diversem Nachfragen beziehungsweise einem Abspringen von der Bewerbung vor.

Persönliche Begegnung weiterhin essenziell

Auf der anderen Seite spielt gerade im Gesundheitswesen der persönliche Kontakt zwischen Bewerber und Unternehmen weiter die entscheidende Rolle. Das gilt umso mehr, je höherrangig die Position ist: Gute Führungskräfte zeichnen sich vor allem durch entsprechende Softskills aus. Diese lassen sich nur im direkten Kontakt, in der persönlichen Begegnung erleben – was zum Beispiel schon mit den Manieren beim Begrüßen beginnt. Umgekehrt wollen und müssen auch mögliche neue Executives die Atmosphäre, den Geist eines Hauses und der Menschen darin vor Ort und mit allen Sinnen, quasi in 4D erleben. Denn trotz aller Zahlen, Daten und Fakten ist es letzten Endes für beide Seiten immer eine Bauchentscheidung, die sich bisher durch kein technisches Tool ersetzen lässt. Das gilt gerade im Gesundheitswesen, da sich hier Menschen beruflich bewusst dem Umgang mit anderen Menschen verschrieben haben. Digitalisierung schafft im Bewerbungsprozess also vor allem genügend Zeit und Raum für bewusste persönliche Begegnung als emotionale Interaktion.

Oliver Heitz, Partner Rochus Mummert Healthcare Consulting GmbH