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Thema des Monats

Personalmanagement: Hygge


Bildquelle: shutterstock

Mitarbeiterbindung durch Wohlfühl-Klima am Arbeitsplatz    

Krankenhäuser haben es immer schwerer, Mitarbeiter zu finden. Die Personalverantwortlichen der Kliniken investieren viel Zeit und Geld, um qualifizierte Pflegekräfte oder Ärzte zu gewinnen. Der Fachkräftemangel macht es zu einem mühsamen Geschäft, freigewordene Stellen neu zu besetzen.

Bei allem Augenmerk auf das Recruiting sollten jedoch die Mitarbeiter im Haus, die tagtäglich zum Wohle der Patienten „einen guten Job“ machen, nicht vergessen werden: Diese zu binden, ihre Gesundheit und Motivation zu pflegen und zu erhalten, dafür zu sorgen, dass sie gern zum Dienst erscheinen, gehört ebenso zu einem erfolgreichen Personalmanagement.

Der aktuelle BKK-Gesundheitsreport deutet darauf hin, dass es in Deutschland nicht unbedingt zu wenig ausgebildete Pflegefachkräfte gibt, sondern „nur“ einen Mangel an Pflegefachpersonen, die bereit sind, zu den gegenwärtigen Bedingungen in ihrem Beruf zu arbeiten (vergleiche Frisch, J., 2018: Wenn die Arbeit krank macht. Ärzte-Zeitung vom 15. Dezember 2018).

Doch wie kann es in Zeiten, in denen ständig sich ändernde Vorgaben und Rahmenbedingungen immer höhere und stringentere Anforderungen stellen, gelingen, Mitarbeitern ein Umfeld zu schaffen, in denen sie gerne zur Arbeit kommen und sich wohlfühlen?

Inspiration aus Dänemark

Immer wieder sieht sich die Krankenhausbranche mit Vergleichen mit Dänemark konfrontiert. Die Klinik-Struktur der Nachbarn im Norden sei effizienter und moderner, heißt es oft, um Forderungen nach Strukturwandel in Deutschland zu unterstreichen.

Eine ganz andere Inspiration, die seit ein paar Jahren aus Dänemark zu uns nach Deutschland kommt, kommt aus einer ganz anderen Sphäre: „Hygge“. Die Glücksphilosophie, die die Dänen seit Jahren auf die ersten Plätze des weltweiten World Happiness Reports bringt, bezieht sich sowohl auf das private wie auf das berufliche Leben.

Das Wort „Hygge“ leitet sich von dem skandinavischen Begriff „hu“ ab, was wörtlich übersetzt Sinn, Gedanke, aber auch Wohlbefinden bedeutet. Im Jahr 2017 wurde das Wort als einer von drei neuen Begriffen (neben „Wutbürger“ und „Fake News“) auch in den deutschen Duden aufgenommen – mit der Erklärung: Gemütlichkeit, Heimeligkeit als Lebensprinzip.

„Hygge kann uns helfen, im Alltag dankbar zu sein und die einfachen Freuden zu genießen. Hygge macht das Beste aus dem Augenblick, ist aber auch eine Methode, um Glück zu planen und zu erhalten“, heißt es in „Hygge. Ein Lebensgefühl, das einfach glücklich macht“ von Meik Wiking (2016). Die Dänen scheinen tatsächlich etwas grundlegend anders zu machen als die Deutschen – sie achten auf Erfahrungen, die sie mit tiefster Zufriedenheit erfüllen und das nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch im beruflichen Kontext.

Im Privaten ist Hygge seit einigen Jahren ein bekannter Begriff auch in Deutschland. So gibt es in Deutschland nicht nur eine immer größer werdende Anzahl an Büchern und Zeitschriften mit Einrichtungs- und Dekotipps, Kochrezepten, und Lifestyle-Berichten. Doch Hygge ist mehr als eine Tasse Tee, eine Zimtschnecke und eine Kerze. Es ist eine Haltung, eine Lebensweise und eine Kultur, die sich über alle Bereiche des Lebens erstreckt. So schreibt der dänische Glücksforscher Meik Wiking „Dänemark kann eine Inspiration sein, wenn es darum geht, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.“

Fünf Felder für ein „hyggeliges“ Klima

Die mit Hygge verknüpften Ansätze, Ideen und Konzepte tragen auf verschiedene Weise zur Vermeidung von Stress und Stabilisierung der Gesundheit bei. Zum einen geht es bei Hygge im Business um eine bewusste Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Rahmenbedingungen, zum anderen um eine achtsame und sorgsame Gestaltung der Kommunikation, des Miteinanders sowie der eigenen Ressourcen. Ziel ist nicht, Hygge als Begriff in den Klinikalltag einzuführen, sondern die damit verbundene Philosophie in ihren Inhalten, ihrem Menschenbild und dem Ansatz der Selbstwirksamkeit lebendig zu gestalten.

Insgesamt sind, um für ein hyggeliges, gesundheitsförderndes Klima und Arbeiten zu sorgen, fünf Felder zu betrachten:

Die eigene Haltung

Im deutschen Gesundheitswesen nehmen sich nicht immer nur die Patienten (lateinisch patiens ‚geduldig‘, ‚aushaltend‘, ‚ertragend‘) als die Erleidenden wahr, sondern auch die Mitarbeiter, die sich aufopfern und sich somit als Opfer der Rahmenbedingungen und Anforderungen fühlen. Dabei ist es für die eigene psychische und physische Gesundheit von entscheidender Bedeutung, sich und sein Gegenüber nicht als Objekt wahrzunehmen, sondern als Subjekt, als Handelnder, der entscheidet was für seine Tages-, Berufs- und Lebensplanung gut und richtig ist, trifft.

Die körperlichen, zeitlichen und psychischen Anforderungen im Klinikalltag sind hoch – das ist unbestritten. Gleichzeitig ist der eigene Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum, den jeder Mitarbeiter hat, deutlich höher als allgemein wahrgenommen wird. Unsere Realität wird durch unsere Denkweise (mit-) gestaltet. So ist bereits entscheidend, mit welcher Haltung, also welchen Gedanken und Gefühlen jeder in seinen Tag startet. Jeder Tag schenkt uns 24 Stunden wertvolle Lebenszeit. Was jeder daraus macht, ist ihm selbst überlassen, wie das folgende Zitat verdeutlicht: „Wenn ein Problem gelöst werden kann, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Wenn nicht, sind Sorgen sinnlos“ (Zitat des Dalai Lama).

Und damit sind wir bei Hygge, denn Menschen, die bewusst etwas für die Erhöhung ihrer Glücksgefühle tun, fühlen sich bereits dadurch gut, dass sie sich darauf fokussieren, sich etwas Gutes zu tun. Der gefühlte persönliche Einflussbereich wird entschieden durch die eigene Denkweise. Es geht darum, achtsam und bewusst mit allen Sinnen wahrzunehmen, was ist und mit einer positiven Einstellung und guten Gedanken unser Leben so zu gestalten, dass wir Freude, Zufriedenheit und Glück verspüren. Gefühle, die wir uns selber schaffen können, ohne Dienstanweisung, und für die wir die Verantwortung tragen.

Das hyggelige Arbeitsumfeld

Mitarbeiter, die sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, sind motivierter und bringen dadurch gerne gute Leistungen. Umso wichtiger ist es, Mitarbeitern ein angenehmes Arbeitsumfeld zu verschaffen und sie auch bei der Organisation und Strukturierung ihrer Arbeit mit in die Gestaltung einzubeziehen.

Der Zusammenhang zwischen Umgebung und Gesundheit und Genesung sind wissenschaftlich belegt. So lässt sich zum Beispiel nachweisen, dass sich die Aufenthaltsdauer eines Patienten im Krankenhaus deutlich verringert, wenn bestimmte Kriterien wie Helligkeit, freundliche Farben, gezielte Düfte, bestimmte Materialien sowie schöne Einrichtungsgegenstände und Accessoires gegeben sind: Faktoren, die die Atmosphäre hyggelig gestalten. Dies gilt für die Wohlfühlfaktoren der Patienten und Bewohner genauso wie für die Mitarbeiter.

Beispiele für Maßnahmen, um ein hyggeliges Umfeld am Arbeitsplatz zu schaffen, sind

 

– Teams können ihre Dienstplangestaltung autonom so vornehmen, dass jeder mit seinen persönlichen Bedürfnissen Raum findet. Diese Eigenverantwortung und Selbstgestaltung schafft deutlich mehr Zufriedenheit als eine Einteilung und Anordnung von „oben“.

 

– Gesundes, wohlschmeckendes Essen, also ein abwechslungsreicher Speiseplan in der Kantine oder kostenfreies Obst oder Snacks.

 

– Dienstzimmer können individuell mit einigen persönlichen Gegenständen gestaltet werden.

 

– Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich ganz bewusste Ruheinseln und Ruhemomente während der Arbeitszeit zu schaffen.

 

– Mitarbeiter gehen in den Pausen möglichst „ins Grüne“ und umgeben sich mit viel natürlichem Licht.

 

– Patienten- und Personal-Zimmer sind mit schönen Farben und Materialien gestaltet. Hyggelige Wohlfühlfarben sind vor allem Naturtöne.

 

– Bewusst eingesetzte Düfte und Aromen können Wohlbefinden steigern.

 Stärkung des wertschätzenden Miteinanders

Der Pflege- und Ärzteberuf macht vom Grundsatz her glücklich: Er ist sinnstiftend; wer von Berufs wegen anderen hilft, empfindet Glücksgefühle. „Helpers high“ nennen Soziologen dieses Gefühl.

Darüber hinaus sind es – ganz nach dem Hygge-Prinzip – oft die kleinen, alltäglichen Dinge, die es uns selber und anderen gut gehen lassen: ein ehrliches Lächeln, ein freundlicher Blickkontakt oder eine interessierte Nachfrage. Und die Zeit, die wir uns für ein verbindliches freundliches Gespräch nehmen, spart am Ende so manches nervenaufreibende Konflikt- und Beschwerdegespräch.

Neben dem aktiven Zuhören und Wahrnehmen der Bedürfnisse anderer geht es im Miteinander vor allem um eine lösungsorientierte Sprach-, Denk- und Verhaltensweise. Der Blick auf die Interessen, Potenziale und Ressourcen der einzelnen Mitarbeiter ist sowohl für die individuelle Zufriedenheit von großer Bedeutung als auch für die Stärkung des Teams in der Gesamtheit seiner Ergebnisse. Auch Team-Events und gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen lassen eine Abteilung glücklich und erfolgreich wachsen.

Das „Wir“ und die gute Gemeinschaft im Jobkontext ist das Credo von Hygge: Gespräche zu führen von Mensch zu Mensch und nicht von Berufsgruppe zu Berufsgruppe oder Status zu Status. Entscheidungen gemeinschaftlich zu treffen, mit Verantwortung und Vertrauen aufeinander zuzugehen und öfter mal in den Teammodus zu schalten, sind weitere Aspekte um eine Arbeitsatmosphäre von Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit zu kreieren.

Je wohler sich alle fühlen, umso freudiger und effektiver werden alle arbeiten. Außerdem wird der Krankenstand sinken sowie das Arbeitsgeberimage durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda positiv ausfallen. Ein Invest in die Mitarbeiter zahlt sich immer auch für das gesamte Unternehmen aus.

Nach Dienstschluss

In Deutschland hat die Arbeit einen hohen Stellewert für das Selbstwertgefühl. Doch haben wir bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag genauso viele, also acht Stunden Schlafenszeit und weitere acht Stunden Freizeit.

Gemäß der Hygge-Philosophie sollte die freie Zeit achtsam und genussvoll – eben „hyggelig“ gestaltet werden. Für Unternehmen und Personalverantwortliche gibt es viele Möglichkeiten, Mitarbeiter aktiv darin zu unterstützen und somit an das Unternehmen zu binden. In Dänemark bieten Firmen ihren Mitarbeitern beispielsweise Dauerkarten an, mit denen sie Museen, Theater, Sportveranstaltungen oder Ähnliches besuchen oder nutzen können. Alles, was zur Gesunderhaltung und dem Freudefaktor beiträgt, ist gut investiert.

Auch die aktuell üblichen Angebote des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sind ausbaufähig: Betriebssportgruppen, Yoga-Kurse, Koch-Events etc. Auch hierbei sollten die Ideen und Bedürfnisse der Mitarbeiter auf jeden Fall mit einbezogen werden.

Führungs- und Unternehmenskultur

Die aktuelle Gallup-Studie, eine umfangreiche Studie zur Arbeitsplatzqualität in Deutschland, belegt, dass mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten ihre Aufgaben routine- und vorschriftsmäßig erfüllen, ohne dabei eine nennenswerte emotionale Bindung oder gar Freude zu erfahren. Viele Arbeitnehmer tun das, was von ihnen verlangt wird, ohne dabei ihre eigene Persönlichkeit, ihre Sinnhaftigkeit und ihre kreativen Ideen mit einzubringen.

Das scheint sich zu ändern. Es geht in der Berufswelt immer mehr darum, dass sich Mitarbeiter und Führungskräfte wieder mit ihrem ganzen Potenzial einbringen, auch in ihrem Menschsein – angefangen bei flexiblen Arbeitszeiten, gemütlichen Büroräumen bis hin zu einem wertschätzenden Miteinander und gemeinsamen sinnhaften Gestalten von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen.

Mitentscheidend für das Wohlbefinden der Mitarbeiter ist das Verhalten der Vorgesetzten und der Unternehmensleitung. Sie sind der Analyse zufolge zu sehr auf die Schwächen ihrer Mitarbeiter fixiert, loben nicht ausreichend und unregelmäßig gute Leistungen und gehen in Mitarbeitergesprächen zu selten auf die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeiter ein. Hier hilft die deutlichere Fokussierung auf das Positive weiter genauso wie die Orientierung auf mögliche Lösungen statt auf die Probleme. Nur wer mit Freude und Begeisterung seinen Job aktiv gestaltet, sorgt nachhaltig und ganzheitlich für sich sowie für die gute Gesamtstimmung im Unternehmen. Führungskräfte darin zu unterstützen, sich als Dienstleister für ihr Team zu sehen und als motivierendes Vorbild zum Wohlfühlen am Arbeitsplatz beizutragen, sollte ebenfalls im Fokus von Personalverantwortlichen stehen.

„Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück, Glück ist die Basis für den Erfolg. Erst wenn du liebst, was du tust und es dir gut geht, wirst du erfolgreich sein“, hatte kein Geringerer als der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer bereits erkannt.

Fazit: Wenn die Mitarbeiterbindung in den Fokus gerückt wird, darf das Hygge-Thema nicht weit sein. Denn wenn es schwierig ist, neue Mitarbeiter zu finden, ist es umso wichtiger, die aktuellen Mitarbeiter zu motivieren und zufriedenzustellen, um sie noch viele Jahre zu halten. Hierbei geht es sowohl um das gute Klima und Wohlfühlfaktoren am Arbeitsplatz als auch um die Reduzierung des Krankenstandes.

Nicht nur das Unternehmen in Form der HR-Manager und der Beauftragten für Betriebliches Gesundheitsmanagement stehen in der Pflicht, für mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu sorgen. Jeder Einzelne hat die Aufgabe, das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass alle darin gut und gesund wirksam werden können. Es geht also bei Hygge nicht um eine Erwartungshaltung an andere, sondern vor allem um Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung.

Andrea Fischer, Leiterin der Trainingsakademie im Gesundheitswesen und der Hygge-Akademie www.hygge-akademie.de, www.akademie-gesundheitswesen.de

Literatur

 Fischer A (2019) Hygge in der Pflege – Die dänische Glücksformel für Gesundheitsfachberufe, Springer-Verlag, Berlin.

 Fischer A (2015) Servicequalität und Patientenzufriedenheit im Krankenhaus, MWV Berlin.

 Frisch, J. (2018): Wenn die Arbeit krank macht. Artikel aus Ärzte-Zeitung vom 15. Dezember 2018)

 Gallup-Studie (2017). www.gallup.de/home.aspx

 Wiking M. (2016): aus seinem Buch Hygge. Ein Lebensgefühl das einfach glücklich macht. Lübbe, Köln.

 World Happiness Report (2018): worldhappiness.report/ed/2018/ Edited by John F. Helliwell, Richard Layard and Jeffrey D. Sachs This publication may be reproduced using the following reference: Helliwell, J., Layard, R., & Sachs, J. (2018). World Happiness Report 2018, New York: Sustainable Development Solutions Network.