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Thema des Monats

Führungsverantwortung übernehmen: Musterwechsel sind gefragt

Führungsverantwortung übernehmen: Musterwechsel sind gefragt

Dr. Thomas Hurlebaus und Dr. Gunhild Küpper

Krankenhäuser befinden sich in einem zunehmend stärker ausgeprägten regulatorischen und wettbewerblichen Umfeld – nicht nur auf der Leistungsseite um Patienten, sondern gerade auch um die Beschäftigten. Der Bestand eines Krankenhauses wird in der Zukunft maßgeblich von der Fähigkeit der Personalgewinnung und Personalbindung abhängen. Die aktuellen Diskussionen und Regelungen im Zusammenhang mit den Pflegepersonaluntergrenzen und der sich weiterhin verstärkende Fachkräftemangel verdeutlichen eindrucksvoll die Herausforderungen. Eine neue Führungsverantwortung ist dabei nicht nur auf der strategischen, sondern gerade auf der operativen Ebene gefragt: Dort wird die Führung unmittelbar erlebbar. Hier gilt es, den steigenden Anforderungen im Rahmen der Möglichkeiten gerecht zu werden.

Eingeschliffene Verhaltensmuster hinterfragen

Werden Führungskräfte in Krankenhäusern, in der Ärzteschaft und in der Pflege danach gefragt, was ihnen bei ihrer Arbeit wichtig ist, so bekommt man in der Regel als Antwort: „Die Patienten gut zu versorgen …“. Fragen wir aber weiter die Führungskräfte: „Wieviel Prozent Ihrer Arbeit entfällt auf Führung?“ so ist die Antwort nicht selten: „20 %!“ Manche Befragte sagen auch noch „30 %!“, das ist die Regel.

Diese Ergebnisse sind vor dem Hintergrund der berufsständischen und professionsorientierten Krankenhausorganisation nicht verwunderlich. Der einzelne Patient bzw. der einzelne Beschäftigte stehen im Vordergrund, die Organisation und Führung tritt aber leider oft zurück. Gründe hierfür sind insbesondere die Fokussierung des Experten auf die Wahrnehmung direkter operativer Aufgaben sowie die entsprechenden Ausbildungsschwerpunkte. In den fachlich orientierten Ausbildungsgängen spielen Führung und Organisation und damit auch die Anwendung entsprechender Führungsinstrumente eine untergeordnete Rolle. „Mitarbeiter führen“ wird von den Führungskräften oftmals nicht als gleichwertige fachliche Herausforderung gesehen.

Das alte Verhaltensmuster vieler Chef- und Oberärzte sowie mancher Pflegedienst- und Stationsleitungen „Die Patientenversorgung hat Vorrang, die Mitarbeiterführung muss zwischendurch erfolgen“, kann nicht länger funktionieren. Denn sobald Führungskräfte Führung als Nebenaufgabe und nicht mehr als einen zentralen Handlungsauftrag sehen, ist Innovation und Zukunftsgestaltung nicht möglich. Die gestiegenen Anforderungen der Organisation sowie die Erwartungshaltung der Beschäftigten – Stichworte Work-Life-Balance, gute Führung – erfordern zwingend einen höheren Stellenwert für Führung im Arbeitsalltag.

Insbesondere leitende Ärzte und Pflegekräfte müssen sich heute völlig anders um das Thema Personal kümmern als noch vor zehn Jahren, wenn sie gutes Personal halten oder neues gewinnen wollen. Chefärzte und Pflegedienstleitungen sollten sich als Klinikleitungen verstehen und dabei berufsgruppenübergreifend im Sinne des Krankenhausunternehmens agieren: Sie haben auch eine personalpolitische, unternehmerische und betriebswirtschaftliche Verantwortung. 1) Dies gilt zwar für alle Arbeitsorganisationen; in den deutschen Krankenhäusern ist es allerdings ein akutes Thema, bedingt durch den großen Veränderungsdruck im Gesundheitswesen und durch die spezifischen Berufsbilder.

 Eine andere Führungskultur ist gefragt

Der Druck in den Krankenhäusern wird weiter zunehmen, und die Bereitschaft, Veränderungen vorzunehmen, wird immer notwendiger. Nachhaltige Veränderungen funktionieren nur mit mutigen, offensiven und einbeziehenden Führungskräften, die ihr Führungshandwerkszeug erlernt haben und einsetzen können. Das Verwalten von Zuständen verknüpft mit der Fokussierung auf das medizinisch, pflegerisch Operative geht nicht mehr länger. Die vor uns liegenden notwendigen Veränderungsprozesse erfordern eine neue Führungskultur mit spezifischen Führungsprinzipien. Eine Achsenverschiebung mit Musterwechsel im Führungsalltag eines Krankenhauses ist mehr als notwendig.

Eingeschliffene Verhaltensmuster sind kulturell verankert und führen dazu, dass im praktischen Handeln alles beim Alten bleibt. Diese dysfunktionalen Muster zu durchbrechen ist eine große Herausforderung, denn gerade sie sind fast immer veränderungsresistent. 2) Beim sogenannten Musterwechsel geht es zentral um die Veränderung von Denkweisen und Einstellungen. Das passiert nicht von alleine und macht es so schwierig. Vielfach gibt es hier auch keine Blaupause zum Kopieren.

Im Rahmen der Führung vor Ort gilt es zum Beispiel Fragen nach den Arbeitsabläufen und der Aufgabenpriorisierung zu klären: „Ist der Beginn der Grund-/Behandlungspflege um 6 Uhr noch zeitgemäß?“ „Wann und wie sollten bspw. berufsgruppenübergreifende Besprechungen und Visiten erfolgen?“. Ganz konkret muss sich ein Chefarzt u. a. die Frage stellen: „Wie schaffe ich es, regelmäßig mit meinen Mitarbeitern Jour-Fixe-Gespräche zu führen? Muss ich eventuell Patienten an meine Oberärzte abgeben?“ Die Faktoren Arbeitsinhalte und Arbeitszeitverteilung spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Nur über das Einbinden der Beschäftigten vor Ort und die bewusste und kritische Reflexion sowie Dokumentation der neu erarbeiteten Organisationsabläufe kann sichergestellt werden, dass der Musterwechsel auf der operativen Ebene nachhaltig ist. Ansonsten besteht die Gefahr, dass spätestens beim nächsten Wechsel der verantwortlichen Führungskraft zu den alten Handlungsmustern zurückgekehrt wird.

 Fachlichkeit neu definieren

Für die Einleitung der notwenigen Veränderungsprozesse ist zunächst eine Willensbekundung des Krankenhausunternehmens in der Form: „Bei uns führt jede Führungskraft und übernimmt Führungsverantwortung!“ notwendig. Auf der Systemebene gilt es, die kritischen Erfolgs- und Risikofaktoren zu identifizieren und die Aufgaben zu priorisieren. Die Erwartungen an die Führungskräfte werden neu definiert: „Führungsverantwortung übernehmen“ ist auch eine fachliche Herausforderung neben der medizinisch-pflegerischen Versorgung der Patienten. Nur so kann eine erfolgreiche und zeitlich realisierbare Umsetzung zum Musterwechsel gelingen. Alle bestehenden Prozesse sind hinsichtlich des strategischen Zielbeitrags zu bewerten. Als ein Teilergebnis soll eine optimierte Patientenversorgung nach der neuen Priorisierung stehen. Gegebenenfalls sind ärztliche und pflegerische Organisationen neu auszurichten und weitergehende Ressourcenzuführungen zur Entlastung der Führungskräfte von der Patientenversorgung notwendig: Es könnten beispielsweise Verantwortungsbereiche entzerrt und/oder Leitungsteams implementiert werden.

Veränderte Arbeitsschwerpunkte erfordern auch eine kritische Selbstreflexion: Die leitenden Ärzte und Pflegekräfte selbst werden ihr eigenes Rollenverständnis hinterfragen und gegebenenfalls neu definieren müssen. Auch werden viele von ihnen Unterstützungs- oder Entwicklungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Im Ergebnis steht eine Rollenklarheit für alle Beteiligten. 3)

 Flankierende Maßnahmen sind erforderlich

Nach Etablierung des neuen Soll-Profils für die Führung gilt es, bestehende Führungskräfte im Alltag flankierend zu unterstützen und neue Führungskräfte zu entwickeln. Auswahlentscheidungen bei der Rekrutierung von Führungskräften sowie interne Karriereplanungen werden von dem Soll-Profil geleitet. Die Kandidatin bzw. der Kandidat stellt neben dem Nachweis medizinisch-pflegerischer Kompetenz ein Führungskonzept vor. In Life Assessments können die ärztlichen und pflegerischen Führungskräfte in ihrem Arbeitsalltag durch erfahrene Coaches Feedback und korrigierende Anregungen bekommen. Der Einsatz von Führungsinstrumenten – wie Einzelgespräche führen, Teamsitzungen leiten, Briefings und fachliche Anleitung geben, Kennzahlen erläutern und/oder Aufgaben delegieren – kann so forciert, kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden. 4)

Im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und der Medizinischen Fakultät an der Technischen Universität Dresden wird der Führungskultur und den eingesetzten Instrumenten eine hohe Bedeutung beigemessen. Zentral sind hierbei die 2010 verbindlich eingeführten Mitarbeitergespräche zwischen der jeweiligen Führungskraft und der einzelnen Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter. Wesentliche Punkte zu den Qualifikationsbedarfen werden elektronisch an die Personalabteilung übermittelt und dort für die strategische Personalentwicklungsplanung eingesetzt. Seit 2009 steht ein modulares berufsgruppenübergreifendes Führungskräftetraining delegierten Führungskräften offen. Hier werden nicht nur zentrale Führungskompetenzen vermittelt, sondern auch konkrete Führungsinstrumente aus allen relevanten Managementbereichen – u. a. Personal- und Qualitätsmanagement und Controlling. Über 230 Führungskräfte haben bisher an dem Programm erfolgreich teilgenommen. Weitergehende akademische Programme wurden an der Dresden International University mit etabliert – zum Beispiel Health Care Management als Master-Studiengang und ausbildungsbegleitend Bachelor Pflege. Weitergehende Angebote der Hochschulmedizin im Bereich Führungskräftecoaching sowie der gesamte Bereich des Betrieblichen Gesundheitsmanagements runden das Angebot ab.

Die Erfahrungen zeigen, dass eine gute Führung zu guter Arbeit führt. Leitende Ärzte und Pflegekräfte, die Führungsverantwortung als ihren Handlungsauftrag annehmen, sind erfolgreich; denn gute Arbeitsbedingungen führen zu einer nachhaltig verbesserten Rekrutierung sowie Bindung motivierter Beschäftigter. Von diesem grundlegenden Musterwechsel profitieren auch die Patienten.

Anschrift der Verfasser:

Dr. Thomas Hurlebaus, Leiter Geschäftsbereich Personal und Recht, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Fetscherstraße 74, 01307 Dresden, Thomas Hurlebaus@uniklinikum-dresden.de /Dr. Gunhild Küpper, Unternehmensberaterin CMC/BDU, Health Care Consulting, Am Lennartzhof 10, 50996 Köln, kuepper@kueso.de

1) Grether, Thomas (2018): „Oberärzte zu finden, ist pure, strukturierte Fleißarbeit“ Interview mit Andrea Köhn. In: kma 09/18, Seite 63 f.
2) Von Ameln, Falko, Rainer Zech (2011): Musterwechsel in Organisationen. In: Organisations-Entwicklung 4/2011, Seite 49.
3) Von Ameln, Falko, Rainer Zech (2011): Musterwechsel in Organisationen. In: OrganisationsEntwicklung 4/2011, Seite 53 f.
4) Hurlebaus, Thomas, Gunhild Küpper (2017): Strategisches Organisationsmanagement. In: das Krankenhaus 3/2017, Seite 196–198