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Thema des Monats

Controlling: Kommunal und digital: Fit für die Zukunft in 226 Schritten

Controlling: Kommunal und digital: Fit für die Zukunft in 226 Schritten

Kommunal und digital: Fit für die Zukunft in 226 Schritten  

Nicht nur die Bilanzen waren mies in den Kreiskliniken Esslingen. Auch die Stimmung in der lokalen Presse war schlecht: Von zahlreichen Fehlern und Pannen der damaligen Geschäftsführung und Versagen des Aufsichtsrates war die Rede. Der Tiefpunkt: Mehr als 14 Mio. € minus im Jahresergebnis 2012 und ein wachsender Schuldenberg.

Auch die Arbeitsabläufe waren zäh: ein hoher Arbeitsaufwand – allein durch die Suche nach Patientenakten. Die Diensthabenden müssten mehrere Stationen ablaufen, um an die notwendige Dokumentation zu gelangen. Unleserliche handschriftliche Dokumente und die Unübersichtlichkeit und Uneinheitlichkeit der Formulare waren an der Tagesordnung. Die Folge: Nachgelagerte Prozesse mussten oftmals unterbrochen werden, weil etwas fehlte. Wartezeiten verlängerten sich. Mitarbeiter und Patienten hatten Grund zur Unzufriedenheit.

In Zeiten, in denen über Strukturwandel und Krankenhauschließungen gesprochen wird, sind das keine guten Bedingungen für kommunale Krankenhäuser im Speckgürtel von Stuttgart in einem Wettbewerbsumfeld mit zahlreichen Kliniken für die rund 2,5 Millionen Einwohner des Großraums Stuttgart. Was tun?

„Quick Wins“ für schnelle Stabilisierung und Kostenkontrolle

Die Kommunalen Gremien entschlossen sich, Thomas A. Kräh zu holen, der als Geschäftsführer die medius Kliniken „Fit für 2025“ machen sollte. Der erfahrene Sanierer verordnete den Esslingen Kreiskliniken ein Programm mit 226 Maßnahmen. Zunächst wurde mit 68 sogenannten „Quick Wins“ für Stabilität und Kostenkontrolle gesorgt: Zahlreiche Projekte mit Sofortwirkung, die mindestens 30 000 € Ersparnispotenzial haben sollten, wurden gemeinsam mit dem Aufsichtsrat erarbeitet und umgesetzt. „Wir haben das Umfeld externer Dienstleister standardisiert und die Verträge neu verhandelt. Von drei Beratern wurde nur noch einer gebraucht“, erinnert sich Kräh. Abteilungen, deren Betten nur zur Hälfte belegt waren, wurden zusammengelegt, medizinische Geräte einer Supervision unterzogen, ggf. erneuert und effizienter eingesetzt.

Weitere 158 Projekte sollen den wirtschaftlichen Erfolg nachhaltig stabilisieren. Davon sind 102 Projekte erfolgreich abgeschlossen, weitere 17 bereits zu mehr als 75 % umgesetzt.

Von fünf auf drei Standorte

Einstimmig beschloss der Kreistag, die fünf Klinikstandorte bis 2017 auf drei zu reduzieren, die Anzahl der medizinischen Kliniken von 32 auf 28. Das Land Baden-Württemberg stellte für einen Neubau in Kirchheim unter Teck 15 Mio. € zur Verfügung. „Mit diesen drei Standorten können wir Nachhaltigkeit sicherstellen“, so Kräh.

Der Neubau der medius Klinik in Kirchheim unter Teck hat 452 Betten, davon 220 Betten der Psychiatrie.

Ein Kraftakt, der innerhalb von knapp vier Jahren acht Umzüge, drei Sozialpläne, einen Umbau der Onkologischen Tagesklinik in Nürtingen, einen Neubau in Kirchheim und zwei Investorenwettbewerbe bedeutete. Aus der Psychiatrie in Nürtingen, die ihre 130 Betten in den Kirchheimer Neubau verlegte, wurde Wohnraum: Das Projekt „Wohnen am Neckar“ mit einer dreizügigen Kindertagesstätte im historischen Siechenheim. Aus der Klinik in Plochingen, deren 130 Betten ebenfalls nach Kirchheim verlegt wurden, wurde eine Zweigstelle des Landratsamtes Esslingen. „Bei diesen Entscheidungen konnten wir uns auf die kommunalen Gremien, allen voran Landrat Heinz Eininger, unsere Mitarbeiter, Betriebsrat und die niedergelassenen Ärzte verlassen, die uns sehr unterstützt haben“, betont Kräh.

 „Bei minimalinvasiven Eingriffen sind die medius Kliniken führend in der Region“, so Kräh. Alle Neuerungen im medizinischen Angebot – die Eröffnung und der Ausbau der Akut-Geriatrie in Ruit (2017), die Erweiterung der Kardiologie mit einem zweiten Linksherzkatheter-Messplatz in Kirchheim, die Erweiterung der Strahlentherapie oder der Neurologie mit einer regionalen Stroke Unit und der Thrombektomie ab April 2019 oder der Ausbau der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung – wurden auf Bedarf und Angebot auch in ambulanter Versorgung abgeklopft. „Wir wollen uns nicht als Konkurrenz anderer Anbieter aufstellen, sondern als Partner“, so der Geschäftsführer der medius Kliniken. „Soviel ambulant wie möglich, soviel stationär wie nötig“ sei das Motto. Gleichzeitig sind die niedergelassenen Ärzte sehr eng angebunden an das Angebot in den medius-Häusern. Den Entlassbrief gibt es auf Knopfdruck, Angehörige werden zeitnah informiert. „Mit zufriedenen Einweisern, Patienten und Angehörigen gewinnt man weitere Patienten“, so Kräh.

Digitalisierung für mehr Behandlungsqualität und Patientensicherheit

Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Krise leistete die konsequente Digitalisierung der Klinik durch Thomas Kräh. „Die Steigerung der Prozesseffizienz hat ein enormes Einsparpotenzial. Gleichzeitig steigert sie die Behandlungsqualität, weil durch die Reduzierung des Dokumentationsaufwands einfach mehr Zeit für den Patienten da ist“, unterstreicht der gebürtige Bayer und „erfolgreich integrierte Schwabe“.

Seit Ende vergangenen Jahres sind die medius Kliniken ein 100 % digital vernetzter Klinikverbund. Die elektronische Patientenakte ist zu 100 % implementiert, die Verwaltung mit Beschaffungs- und Vertragsmanagement, Clinic Planner, Learn Management System digitalisiert.

Der Arztbrief generiert sich automatisch aus diversen Dokumentationen innerhalb der ePA. Auch das Entlassmanagement und die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen hierzu geschieht innerhalb der ePA strukturiert und systematisch. Die bildgebende Diagnostik ist angebunden an RIS/PACS-Server zur digitalen Verwaltung und Archivierung der Bilder und Daten. Auch die Medikation ist digital gesichert und Verwechslungen praktisch ausgeschlossen.

 Patientengespräch mit Tablet an den medius Kliniken: Während der Visite können Erkenntnisse und Absprachen dokumentiert werden, die für weitere Behandler sofort sichtbar sind und umgesetzt werden können. Foto: Brigitte Moulin

Vor allem verbessert die erfolgreiche Digitalisierung auch die Stimmung der Mitarbeiter. Die nervende Suche nach Akten gehört der Vergangenheit an: Der Zugriff auf die Patientenakten ist von jedem Arbeitsplatz möglich. Während der Visite können alle Berufsgruppen Erkenntnisse und Absprachen sofort festhalten, die für weitere Behandler sofort sichtbar sind und umgesetzt werden können. Doppelte Dokumentationen werden vermieden. 2017 erhielt die medius Klinik Nürtingen die Zertifizierung EMRAM Stufe 6, Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM) Elektronische Adoption von Krankenakten. Das Zertifikat der Chicagoer Healthcare Information and Management Systems Society (HIMSS) misst den Reifegrad der IT Durchdringung bzw. die elektronische Adoption von Krankenakten von Stufe 0–7. Die nächste und höchste Stufe 7 wäre nur mit einer sektorübergreifenden Vernetzung, also einer integrierten IT-Versorgung in der Region möglich.

Zufriedene Mitarbeiter ziehen weitere Mitarbeiter an: Waren 2013 noch weniger als 2 000 Vollzeitkräfte an den Esslinger Kreiskliniken beschäftigt, so waren im Wirtschaftsplan 2019 bereits 2 299 veranschlagt.

Die Erfahrungen an den medius Kliniken zeigen: Digitalisierung fördert die Behandlungsqualität und die Wirtschaftlichkeit. „Sie sorgt auch für mehr Zufriedenheit unter den entlasteten Mitarbeitern und erhöht die Attraktivität des Arbeitgebers“, so Krähs Resümee.

Sein Fazit: Auch kommunale Träger können einen Weg aus der Krise finden. Und vor allem: „Qualität und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus. Es sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille“, so der Klinikgeschäftsführer.

Katrin Rüter