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Thema des Monats

Agiles Controlling mit Standards

Agiles Controlling mit Standards

Agiles Controlling mit Standards

Fünf Anforderungen an das Krankenhaus-Controlling

Prof. Dr. Björn Maier

Die Gesundheitsversorgung, Krankenhäuser und auch das Controlling in Gesundheitsbetrieben stehen vor den größten Umwälzungen der letzten Jahrzehnte. Nicht einmal die Einführung der G-DRGs ab Anfang der 2000er-Jahre oder die Umstellung auf die duale Finanzierung 1972 haben zu ähnlichen Veränderungen geführt. Die gesetzlichen Anpassungen wie die „häppchenweise“ Einführung der Qualitätsindikatoren oder die Umsetzung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG) sind dabei nur äußere Anzeichen für die tatsächlichen Veränderungen. Diese spielen sich in der Technologie, der Kommunikation und letztlich der Versorgung der Patienten ab.

All diese Veränderungen stellen ganz neue oder zumindest wachsende Anforderungen an die zielorientierte Steuerung eines Gesundheitsbetriebs. Für das Controlling ergeben sich in diesem Zusammenhang fünf Anforderungen, die es zu erfüllen hat: Integrität, Integration, Standardisierung, Kommunikation und zuletzt auch Agilität. Nur unter diesen Prämissen ist es möglich, dauerhaft zielgerichtet zu steuern und auch die richtigen Informationen in den Führungs- und Entscheidungsprozess einzuspeisen.

Integrität

Integrität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die vorhandenen operativen Systeme erfasst sind und Klarheit darüber herrscht, welche Systeme mit welchen Daten in die Steuerung eingebunden werden sollen. Der Einsatz eines Datawarehouses (DWH) und entsprechender Business Intelligence Software ist nämlich nur dann sinnvoll, wenn neben einer zielgerichteten Datenauswertung auch eine komplette Einbindung der relevanten Daten und Systeme gegeben ist. Dabei ist die Steuerungslandschaft im Zuge der zunehmenden Digitalisierung Stück für Stück auszubauen; alle Daten, die gesammelt werden, sollten auch zur Auswertung zur Verfügung stehen. Dauerhaft ist die Datenintegrität nur dann vollständig umgesetzt, wenn auch die Daten aus Systemen von vor- und nachgelagerten Versorgungsprozessen über die Grenzen der einzelnen Anbieter hinweg einbezogen werden.

Die Konsequenz daraus zu ziehen, bedeutet, bisherige Insellösungen entweder abzuschaffen oder eine entsprechende Schnittstelle zum DWH zu schaffen. Dies gilt beispielweise für die Verbindung von Personalverwaltungssystemen mit den Kostendaten oder mit Abteilungssystemen sowie der Software von Geräten in diversen Versorgungsbereichen. Gerade bei Investitionen und Re-Investitionen ist darauf zu achten, dass die neuen Geräte und Softwaresysteme Daten nach den entsprechenden IT-Standards liefern und damit neben ihrer operativen Zweckbestimmung in einer digitalisierten Umwelt den erhofften Mehrwert an zusätzlich nutzbaren Informationen und Entscheidungsunterstützung liefern.

Integration

Integration bedeutet, dass die „Governance“ des Controllings, was die Aufbau- und die Ablauforganisation angeht, zentral integriert sein muss. Das heißt: Alle Steuerungsmechanismen sollten, unabhängig vom Fach- bzw. Funktionsbereich, einer einheitlichen Steuerungsphilosophie folgen und dementsprechend von einer zentralen Einheit koordiniert und gepflegt werden. Im Beispiel zuvor wurde auch der enge Zusammenhang zwischen IT-Governance bzw. -Management und Controlling deutlich – nur wenn das IT-Management und die Steuerungsabteilung gemeinsam agieren, entsteht ein ganzheitliches Steuerungssystem. In der Konsequenz würde diese Steuerungsphilosophie auch die Grenzen zwischen Finanz-, Medizin-, Beschaffungs- und/oder Pflegecontrolling überwinden. Es wäre ein kompletter integrierter Ansatz zur zielgerichteten Steuerung. Ähnlich wie die DV-Anwendungen würden dabei die Grundlagen und Vorgaben zentral erarbeitet, die operative Steuerung und die entsprechenden Entscheidungen dann aber in den Teilbereichen vorgenommen und umgesetzt.

Standardisierung

Standardisierung bedeutet in diesem Zusammenhang insbesondere Standardisierung der Controllingmethodiken, aber auch Standardisierung des Einsatzes von Controllinginstrumenten über einzelne Einrichtungen hinweg. Häufig werden derzeit, aufbauend auf ähnlichen Softwarelösungen noch völlig unterschiedliche Mechanismen bei der Berechnung von Kennzahlen, aber auch bei der Durchführung von Kostenträger- oder Deckungsbeitragsrechnungen eingesetzt. Es ist dabei nicht nur teuer, das Rad permanent in jeder einzelnen Einrichtung neu zu erfinden, sondern es ist auch in hohem Maße ineffizient und trägt nicht zur Zufriedenheit vieler Stakeholder bei. Der Dialog mit Aufsichtsräten, Wirtschaftsprüfern, Banken, aber auch intern mit den Fach- und Führungskräften würde durch eine Standardisierung der Instrumente und Methodiken extrem erleichtert.

Der Deutsche Verein für Krankenhaus-Controlling e.V. (DVKC) hat nun zunächst ein Ertragsschema geschaffen, das auf der Krankenhausbuchführungsverordnung (KHBV) aufbauend mit dem Wert „Nachhaltiger EBITDA“ und entsprechenden Zwischensalden ausgehend vom Betriebsergebnis die notwendigen Informationen zur Ertragslage eines Hauses oder eines Verbundes objektiviert, analysiert und berichtet. Neben diesem Standard S 001 des DVKC befindet sich ein Standard S 002 zur mehrstufigen Bereichsergebnisrechnung in Vorbereitung. Durch die Veröffentlichung und Anwendung dieser Standards können am Ende Entwicklungs- und Beratungskosten gesenkt werden, und es besteht die Basis für eine Zertifizierung des Systems beim DVKC. Außerdem ist es dann auch möglich, einheitlich erzeugte Analyseergebnisse dazu zu nutzen, um ein tragfähiges Benchmarking mit anderen Einrichtungen durchzuführen.

Kommunikation

Das Thema Kommunikation nimmt eine Schlüsselrolle in der Controllingorganisation der Zukunft ein. Dabei wird die Kommunikation, nach der Automatisierung vieler Datensammlungs-, -auswertungs- und -aufbereitungsprozesse, zur Kernkompetenz des Controllers der Zukunft. Ziel wäre dabei eine zweistufige Controllingorganisation mit einem entsprechenden Kernteam als zentrale Einheit. Dieses Kernteam ist für den Aufbau und die Pflege der Systeme und Methodiken verantwortlich und koordiniert alle Prozesse der Datensammlung und bereitet die weiteren Prozessschritte vor. Eine wichtige Aufgabe ist dabei auch die Zusammenarbeit mit dem IT-Management sowie dem Beschaffungsmanagement etwa für Medizintechnik, um bei Neuanschaffungen immer auch die entsprechenden Softwaresysteme, die zu einer automatisierten Steuerung notwendig sind, zu berücksichtigen. Ein weiterer Kommunikationskanal wäre zwischen der zentralen Einheit – die hier als eine Art Servicecenter fungiert – zu den dezentralen Verantwortlichen für die Steuerungsunterstützung.

Diese dezentral Verantwortlichen spielen in Zukunft eine Schlüsselrolle in der Steuerung der Organisation. Sie können durchaus eine fachspezifische Ausbildung in den Feldern besitzen, in denen sie eingesetzt sind: Dies kann im medizinischen, pflegerischen oder therapeutischen Bereich sein, da es ja darum geht, die Informationen zu einer zielgerichteten Steuerung der Patientenströme und zur Erreichung einer qualitativ hochwertigen und Zufriedenheit erzeugenden Behandlung zu nutzen. Dies kann aber auch genauso im Personal- oder Beschaffungsmanagement erfolgen. Nicht nur weil dies die Grundlage für die entsprechenden im Zentrum stehenden Kernprozesse ist, sondern weil die Mitarbeiterzufriedenheit eine ebenso wichtige Rolle spielt wie der ökonomische Erfolg und die Patientenzufriedenheit.

Diese Weiterentwicklung drückt sich auch inhaltlich aus: Sowohl die im Personalmanagement als auch die in den Versorgungsbereichen eingesetzten dezentralen Steuerungsverantwortlichen müssen nicht nur ökonomische Größen steuern und im Blick haben, sondern eben auch die Zufriedenheits- und Qualitätsziele, die für diese Bereiche relevant sind. Dies macht das Gesamtsteuerungssystem der Kliniken multidimensional und damit komplexer, aber auf der anderen Seite auch erfolgsorientierter und nachhaltiger.

Die Kommunikation darf sich dabei nicht in eine Weiterleitung bzw. Weitergabe von Informationen erschöpfen, sondern muss zu einem echten Austausch werden, der sowohl pro- als auch reaktiv zwischen den für die Steuerungsinformationen Verantwortlichen als auch mit den Führungs- und Fachkräften geführt wird. Dies ist mehr als eine Weiterleitung von automatisiert kommentierten Berichten und in einem relativ standardisierten Rahmen abgehaltene Besprechungen in einem bestimmten Rhythmus. Dazu ist eine Öffnung auf beiden Seiten – Informationssender und Informationsempfänger – notwendig und vor allem die Einigkeit darüber, dass die Informationen beiderseits die Arbeitsprozesse unterstützen.

Agilität

Die letzte Anforderung, die sich an das Controlling der Zukunft ergibt, ist die Agilität. Dieser zum „Buzzword“ gewordene Begriff soll signalisieren, dass sich die Management- und damit die inhaltlichen Controllinganforderungen in einer digitalisierten Gesundheitswirtschaft sehr schnell verändern. Dieser Dynamik muss und kann das Controlling der Zukunft nachkommen, allerdings nur wenn die zuvor beschriebenen Anforderungen erfüllt sind. Denn nur auf der Basis von Integrität, Integration, Standardisierung und Kommunikation kann die notwendige Agilität im Controlling entstehen. Integrität und Standardisierung sorgen für automatisierte und qualitätsgesicherte Controllingprozesse. Integration und Kommunikation sorgen dafür, die notwendigen agilen Anforderungen auch aufbau- und ablauforganisatorisch zu erfüllen.

In einer agilen Umwelt muss das Controlling nämlich sowohl zu den Adressaten als auch zu den Infrastrukturbereichen eine stabile Kommunikationsbeziehung besitzen, um schnell – ggf. auch ad hoc – auf neue, veränderte Anforderungen reagieren zu können. Die agile Steuerung soll dann die schnelle Anpassung bei allen sich dynamisch verändernden Versorgungsprozessen ermöglichen, auf der anderen Seite werden damit auch die Sourcingprozesse dynamisiert. Das kann unter anderem die Materialbeschaffung (zum Beispiel 3-D-Drucker, Drohnenlogistik) oder auch die Personalbeschaffung (zum Beispiel veränderte Anforderungen der potenziellen Mitarbeiter) betreffen.

Fazit

Das Controlling der Zukunft in Gesundheitseinrichtungen und insbesondere Krankenhäusern definiert völlig neue Anforderungen an die Methodik, die eingesetzte Technik und die Mitarbeiter. Indem eine entsprechende Controllinggovernance etabliert und das dafür benötigte Personal geschult und entwickelt wird, entsteht eine funktionelle Steuerungslandschaft, die eine dauerhafte Existenzsicherung für die Einrichtungen ermöglicht. Dazu ist es notwendig, ein weiter entwickeltes Controlling- und Controller-Leitbild in der Gesundheitswirtschaft umzusetzen.

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Björn Maier, Vorstandsvorsitzender DVKC e. V. – Management und Controlling in der Gesundheitswirtschaft, Alt-Moabit 91, 10559 Berlin/Studiendekan Gesundheitsmanagement, Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim (DHBW)