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Politik

Weichenstellung für eine verbesserte Pflegepersonalausstattung

Anke Wittrich, Elisabeth Burghardt

Pflegepersonalbedarfsbemessung im Krankenhaus stellt aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) eine Perspektive für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegenden dar. Gemäß dem Auftrag aus der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) hat sie mit dem Deutsche Pflegerat (DPR) und ver.di eine Interimslösung - die PPR 2.0 - entwickelt. Auf dieser Basis lässt sich auch eine langfristige Lösung erarbeiten. Dieses Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument (PPBMI) ermöglicht eine am Bedarf der Patienten ausgerichtete Pflegepersonalausstattung der bettenführenden somatischen Bereiche der Krankenhäuser.

Mehr qualifiziertes Pflegepersonal und die damit einhergehende Entlastung sind neben einer höheren Attraktivität der Berufsbilder in der Pflege grundlegende und zusammenhängende Ziele, um die Arbeitssituation in der Pflege im Krankenhaus nachhaltig zu verbessern. Doch dazu gilt es zunächst festzustellen, wie hoch der tatsächliche Personalbedarf vor Ort ist. Dafür bietet sich die Pflegepersonalbedarfsbemessung an. Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden, um diese Ziele baldmöglichst zu erreichen.

Gemeinsam mit dem DPR und ver.di hat die DKG gemäß ihrem Auftrag aus der Konzertierten Aktion Pflege Anfang 2020 dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die PPR 2.0 als Interimsinstrument für die Pflegepersonalbedarfsbemessung im Krankenhaus fristgerecht vorgelegt. Ihre zeitnahe Einführung wird von den Partnern nach wie vor als sinnvolle und kurzfristig umsetzbare Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegenden in den Krankenhäusern angesehen und mit Nachdruck gefordert. Die PPR 2.0 lässt sich darüber hinaus als ein grundlegendes Konzept nutzen, auf das die langfristige Lösung für die Pflegepersonalbedarfsbemessung aufbauen kann.

Zunächst ist jedoch die Frage zu beantworten, warum ein Instrument zur Bestimmung einer bedarfsgerechten Pflegepersonalausstattung im Krankenhaus eher geeignet ist, den aktuellen Herausforderungen in der Pflege gerecht zu werden, als ein Finanzierungsmodell beispielsweise  in Form eines Fallpauschalensystems wie Nursing Related Groups (NRGs).

Pflegebedarf des Patienten vs. Pflegeleistung des Personals

Grundsätzlich zielt die Pflegepersonalbemessung auf die dem Bedarf des Patienten gerechte Ausstattung mit Pflegepersonal ab. Davon abzugrenzen ist die Frage der Finanzierung des pflegerischen Leistungsumfangs.

Ein Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument verfolgt das Ziel, ausgehend vom durchschnittlichen pflegerischen Bedarf der Patienten die gemessene Personalausstattung für ein Krankenhaus zu bestimmen. Ein Finanzierungsmodell fokussiert hingegen ausschließlich auf die Finanzierung eines erbrachten Leistungsumfangs der Pflegenden. Da dieser Leistungsumfang ausschließlich durch das vorhandene Personal erbracht werden kann, wird deutlich, dass somit lediglich der aktuelle Stand an Personalausstattung abgebildet und weiter verfestigt wird. Dieser ist jedoch oftmals unstrittig zu niedrig. Die Forderungen nach Verbesserungen durch mehr Kolleginnen und Kollegen vor Ort zur Entlastung des vorhandenen Personals können aus einer reinen Änderung des Finanzierungsmodells nicht erfüllt werden. Zudem wäre in Vorbereitung auf die Einführung eines derartigen Finanzierungsmodells zunächst eine Festlegung auf eine bundesweit einheitliche Klassifikation für den Bereich der Pflege zwingend erforderlich. Die anschließende Einführung wäre mit erheblichen Aufwand, etwa umfangreichen Schulungen, verbunden. Ein zu diesem neuen pflegespezifischen Finanzierungssystem gehöriges Regelwerk, u. a. bestehend aus Kodier- und Abrechnungsregeln sowie damit einhergehenden Umsetzungsvereinbarungen müssten entwickelt werden. Eine Einbettung ins Datenträgeraustauschverfahren zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern sowie in die Prüfverfahren, etwa die des Medizinischen Dienstes, müsste erfolgen. Die pflegerische Leistung würde im Nachhinein bezüglich ihrer Indikation und ihres Leistungsumfangs geprüft und ggf. als nicht regelkonform erbracht bewertet. Dies könnte zu entsprechend geringerer Vergütung führen, was wiederum einen Abbau von Pflegstellen zur Folge haben könnte, wie die Erfahrung mit ähnlichen Anreizen im DRG-System zeigt. Die umfangreichen Mechanismen (zum Beispiel die jährliche Weiterentwicklung), wie sie auch im Zusammenhang mit dem DRG-System bestehen, würden nun zusätzlich für den Bereich Pflege ausgebaut und weitergeführt.

Bei dem Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument hingegen wird auf Basis von Vergleichszeiträumen die dort gemessene Personalausstattung für die verlässliche Dienstplanung zugrunde gelegt. Diese ist nur mit einem angemessenen zeitlichen Vorlauf möglich. Flankiert von Maßnahmen für unvorhersehbare Schwankungen (etwa Ausfallmanagement, Personalpool) wird die erforderliche Personalausstattung prospektiv bestimmt. Diese Werte werden jährlich fortgeschrieben und tragen so den Entwicklungen in der Pflege Rechnung. Auch die notwendige Anzahl an Auszubildenden lässt sich so bestimmen. Die Systematik fügt sich in die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen (aktuell die des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes) und die vorhandenen pflegerischen Konzepte vor Ort (etwa den Einsatz von Assessmentinstrumenten wie den Barthel-Index) ein. Es ist flexibel anwendbar, so dass es auch durch die Festlegung von Umsetzungsgraden der bemessenen Pflegepersonalausstattung die Pflegepersonaluntergrenzen durch eine sachgerechtere Lösung ersetzen kann, die sich am Pflegebedarf der Patienten orientiert.

Langfristiges Bemessungsinstrument für den Pflegepersonalbedarf

DKG, ver.di und DPR haben für dieses langfristige Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument gemeinsam einen Rahmen entwickelt:

Grundlage des PPBMI stellt demnach der tatsächliche Bedarf der pflegerisch zu versorgenden Patientinnen und Patienten dar, der sich u. a. aus dem Funktionszustand des Patienten einerseits und aus pflegerischen Interventionen im Rahmen der Therapie andererseits ergibt. Dieser Pflegebedarf ist analytisch zu bestimmen, um dann in einen patientenbezogenen Pflegepersonalbedarf transferiert zu werden. Dabei erkennt das Pflegepersonal den Pflegebedarf und handelt eigenverantwortlich.

Der  Betreuungs- und Unterstützungsbedarf sowie die Behandlungserfordernisse werden unter Nutzung bereits vorhandener Bemessungsinstrumente und -verfahren, etablierter validierter und reliabler Assessmentinstrumente (etwa dem Barthel-Index) sowie ausgewählter Tätigkeitsprofile (beispielsweise Aufnahme- und Entlassmanagement, Beratung und Edukation) bestimmt. Hinzu kommen Aufgaben, die nicht aus der Pflegedokumentation abgeleitet werden können, wie etwa die Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder die Ausbildung. Diese werden ergänzend über Pauschalen abgebildet. Die Messung des Pflegepersonalbedarfs leitet sich aus exemplarischen Indikatoren („Attributen“) ab, die typische pflegerische Tätigkeiten repräsentieren. Diese Indikatoren sind mit Zeitwerten zu hinterlegen. Eine Erfassung und Dokumentation von einzelnen pflegerischen Maßnahmen ist nicht erforderlich. Bestimmte Diagnosen nach der International Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD) stellen einen tauglichen Indikator für einen höheren Pflegepersonalbedarf  dar. Eine vorgegebene starre Verknüpfung mit sogenannten „Pflegeinterventionen“ ist hierfür nicht notwendig, Die Etablierung ergänzender pflegespezifischer Operationen- und Prozeduren (OPS) zur Abbildung derartiger „Pflegeinterventionen“ ist ebenso wenig erforderlich, wie auch mehrere Workshops des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI, heute zum Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gehörend) zum Thema zeigten.

Keine Insellösung für die Pflege

Von großer Bedeutung ist, dass sich das PPBMI an internationalen Instrumenten orientiert und eine anschlussfähige Terminologie zur Förderung der berufsgruppenübergreifenden und interprofessionellen Zusammenarbeit nutzt. Es sollte an internationalen Entwicklungen von nicht komplexen Rating- oder Scoring-Systemen zur prospektiven Bemessung der erforderlichen Pflegepersonalausstattung anknüpfen und zentrale Indikatoren für Pflegeaufwand, Pflegebedürftigkeit und Gesundheitszustand berücksichtigen.

In der Entwicklung der PPR 2.0 fanden diese Anforderungen bereits Berücksichtigung. Entsprechende Möglichkeiten für eine zielgerichtete Weiterentwicklung der PPR 2.0 wurden in dieser bereits strukturell – in den überarbeiteten Grund- und Fallwerten – vorbereitet (Nutzung und Erfassung des Barthel-Index, Bewertung komplexer und ergänzender Pflegetätigkeiten wie etwa Tätigkeiten im Zusammenhang mit Umsetzung des Entlassmanagements). Bereits das Interimsinstrument PPR 2.0 ist somit auch kompatibel zur Richtlinie zur Förderung von Vorhaben zur Digitalisierung der Prozesse und Strukturen im Verlauf eines Krankenausaufenthaltes von Patienten nach § 21 Absatz 2 Verordnung zur Verwaltung des Strukturfonds im Krankenhausbereich (KHSFV).

Anwendungsbereich

Anwendung findet das PPBMI in Krankenhäusern im Geltungsbereich des § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Es ist bundesweit einheitlich und verbindlich einzuführen und ermittelt den Pflegepersonalbedarf eines Krankenhauses für die unmittelbare Patientenversorgung in allen bettenführenden somatischen Bereichen und definiert die notwendige Pflegepersonalausstattung für die bettenführenden somatischen Bereiche des gesamten Krankenhauses einschließlich der Pädiatrie und der Intensivmedizin.

Ausgenommen von diesem PPBMI ist insbesondere das Pflegepersonal des Operationsdienstes, der Anästhesie, Endoskopie, Funktionsdiagnostik, Notaufnahme, Dialyse sowie der Ambulanz. Im Bereich der Psychiatrie/Psychosomatik steht mit der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) bereits ein Instrument zur Bemessung des für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personals zur Verfügung. Eine verbindliche Anwendung des PPBMI in Rehabilitationseinrichtungen ist nicht vorgesehen.

Dokumentation und Digitalisierung

Das Instrument muss im Rahmen der voranschreitenden Digitalisierung in die elektronische Datenverarbeitung der Krankenhäuser, vor allem in die Krankenhausinformationssysteme (KIS), eingebunden werden. Die Bedienung des Instruments muss einfach, selbsterklärend und bürokratiearm sein. Insgesamt sollte der Dokumentationsaufwand gering sein und dem Sinn und Zweck einer Pflegepersonalbedarfsbemessung gerecht werden. Das PPBMI dient hingegen nicht als Instrument zur Messung der Prozess- und Ergebnisqualität im Sinne der Qualitätssicherung. Hierfür stehen andere Instrumente zur Verfügung.

 Die Kernanliegen des PPBMI sind die Sicherstellung der bedarfsgerechten Versorgung der Patienten und die Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes. Eine Vermischung bzw. Überfrachtung des PPBMI würde diese Ziele aufweichen oder sogar konterkarieren.

Die Pflege- und Behandlungsdokumentation soll einheitlich, intern bereichsübergreifend und möglichst elektronisch erfolgen und alle am Behandlungsprozess Beteiligten beachten. Ziel muss die interprofessionelle Behandlungsdokumentation sein, zu der alle an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen beisteuern. Der Pflegeprozess stellt nur einen Teil der Pflegedokumentation dar. Diese ist wiederum Bestandteil der berufsgruppenübergreifenden Behandlungsdokumentation (Anamnese, Befund, Diagnose, Therapie). Die interprofessionelle Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen gewinnt für die Patientenversorgung immer mehr an Bedeutung, sodass berufsgruppenspezifische Sonderwege, zum Beispiel eine eigene Nomenklatur oder Pflegefachsprache, abzulehnen sind. Die Integration letzterer in die Aus-, Fort- und Weiterbildung und nicht zuletzt in den Berufsalltag sowie eine daraus abgeleitete, vorgegebene Verknüpfung von Pflegediagnosen mit Pflegeinterventionen steht der dringend erforderlichen zeitnahen Etablierung eines Pflegepersonalbemessungsinstruments entgegen und ist – wie auch das neue Pflegepersonalbemessungsverfahren im Bereich des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) zeigt – nicht notwendig.

Da die PPR (Pflege-Personalregelung) von der überwiegenden Mehrzahl der Krankenhäuser, die sich an der Kalkulation der Fallpauschalen beteiligen, genutzt wird, bieten mindestens fünf der sieben Top-KIS Anbieter derzeit bereits eine digitale Lösung für die PPR an. Ebenso ist bereits heute ein Mapping von LEP (Leistungserfassung in der Pflege) auf PPR realisiert. Das muss bei der Entwicklung des dauerhaften Instruments beachtet werden. Es bietet sich daher an, das PPBMI an das Interimsinstrument PPR 2.0 anschlussfähig zu gestalten, um keine erneuten Schulungs- und Softwareentwicklungsaufwände auszulösen. Übergangsprobleme bei der Einführung des dauerhaften PPBMI können somit vermieden werden.

Entwicklung und Einführung

Ein pflegewissenschaftliches Konsortium oder ein pflegewissenschaftliches Institut wird mit der Entwicklung des PPBMI in enger Anbindung an die Patientenversorgung im Krankenhaus beauftragt; die Durchführung mit lediglich einem Sachverständigen scheint dem Umfang des Auftrags nicht gerecht zu werden. Darüber hinaus muss eine multidisziplinäre Anbindung des Auftragnehmers gewährleistet sein. Die Entwicklung erfolgt unabhängig und transparent. Dazu wird auch zur Begleitung des Institutes bei der Durchführung des Auftrags sowie zur Begleitung der Einführung ein Steuerkreis der Auftraggeber eingerichtet, der um beratende Mitglieder, insbesondere DPR, Vertreter der für Personalfragen der Krankenhäuser maßgeblichen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sowie die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) ergänzt wird. Zur Sicherstellung der Praxisnähe des Instruments werden Krankenhäuser schon von einem frühen Zeitpunkt an in die Entwicklung einbezogen. Vor allem für Machbarkeitstests in Pilotkrankenhäusern und die pflegewissenschaftliche Evaluation in der Pilotphase, die der Einführung voran gestellt werden muss, ist dies notwendig. Dabei ist auf eine repräsentative Auswahl der Krankenhäuser zu achten. Auch Softwarehersteller sind rechtzeitig einzubeziehen.

Die Entwicklungszeit des dauerhaften PBBMI wird voraussichtlich einen Zeitraum bis Ende 2024 umfassen. Um die Zeit bis zur Einführung des dauerhaften Instrumentes für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals zu nutzen, muss das im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege entwickelte und präsentierte Interimsinstrument PPR 2.0 unverzüglich genutzt werden. Es dient gleichzeitig der Vorbereitung auf die verbindliche Einführung des dauerhaften PPBMI, das direkt an die PPR 2.0 anschließt. Dies bewirkt unmittelbar eine erkennbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen für das Personal im Krankenhaus. Eine verbindliche Einführung und Anwendung des dauerhaften PPBMI unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Evaluationsphase für alle Krankenhäuser erfolgt mit einem Übergangszeitraum von zwei Jahren.

Regelmäßige Weiterentwicklung

Das PPBMI ist ein anpassungs- und weiterentwicklungsfähiges Instrument, um aktuellen Entwicklungen im Bereich Pflege gerecht zu werden und zu bleiben und somit dauerhaft die Attraktivität der dort vertretenen Berufsbilder zu gewährleisten. Diese Zukunftsfähigkeit wird über eine regelmäßige Weiterentwicklung des Instrumentes alle zwei bis drei Jahre sichergestellt, um Kontinuität und Planungssicherheit zu gewährleisten. Dabei sind ähnliche Maßgaben wie bei der Entwicklung des Instruments zu beachten. Um dies zu gewährleisten ist eine auskömmliche, nachhaltige Finanzierung der Weiterentwicklung erforderlich.

Umsetzung des ermittelten Pflegepersonalbedarfs

Das Ergebnis der Pflegepersonalbedarfsbemessung lässt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Arbeitsmarktsituation voraussichtlich nicht bereits zur Einführung des Interims- bzw. eines dauerhaften Instruments vollständig durch alle Krankenhäuser umsetzen. Daher ist mit Einführung der PPR 2.0 als Interimsinstruments sowie des PPBMI ein Umsetzungsgrad festzulegen. Durch den festzulegenden Umsetzungsgrad der PPR 2.0/des PPBMI lassen sich Korridorlösungen mit festen unteren und oberen Werten definieren, zwischen denen sich die Personalausstattung des jeweiligen Krankenhauses bei einer gestuften Einführung des Umsetzungsgrades zu einer bestimmten Zeit befinden muss. Hierdurch wird einerseits Raum für flexible Regelungen eröffnet, die sich etwa aus begründeten strukturellen Besonderheiten von Krankenhäusern ergeben können, andererseits werden aber auch die Spannbreiten eingegrenzt, innerhalb derer sich die einzelnen Einrichtungen bei der Besetzung mit Pflegepersonal bewegen können. Über diese gestufte Einführung kann zudem die erforderliche Anzahl der benötigen Pflegekräfte prospektiv bestimmt und die erforderlichen Maßnahmen zur Personalbindung und zur Gewinnung von mehr Menschen für die Pflegeberufe auf diesen Bedarf abgestimmt werden. Um das zum Erreichen des Umsetzungsgrades des Instruments erforderliche Pflegepersonal zu gewinnen und zu halten, muss eine Vielzahl an Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen wirken. Diese müssen entsprechend nachhaltig verfolgt werden. Hier ist insbesondere auf die zukunftsweisenden Aktivitäten aus der KAP hinzuweisen.

Perspektive für die Pflege

Die verschiedenen Phasen bis hin zur flächendeckenden, verbindlichen Einführung eines solchen Instruments benötigen mehrere Jahre – wie auch das vergleichbare Vorhaben im SGB XI-Bereich zeigt. Erforderlich ist deshalb die gesetzliche Verankerung eines Interimsinstruments, wie es aus der KAP durch DPR, ver.di und DKG entwickelt wurde. Dies setzt ein positives Zeichen für die Pflege und kann kurz- und mittelfristig bereits einen wesentlichen Beitrag zur höheren Attraktivität des Pflegeberufes leisten. Die derzeitigen Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) in Kombination mit dem Pflegepersonalquotienten (PPQ) sind dazu nicht geeignet, da sie erhebliche negative Folgen für den Arbeitsalltag mit sich bringen (etwa kurzfristige Dienstplanänderungen und mehr Abrufe aus der arbeitsfreien Zeit (vergleiche Krankenhausbarometer 2020, Seite 47). Diesen negativen Entwicklungen wirkt ein Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument – in dauerhafter Form und zunächst als Interimsinstrument – entgegen und ermöglicht die verlässliche Dienstplanung einige Wochen im Voraus, indem es prospektiv, aufbauend auf Daten aus Vergleichszeiträumen, die Grundlage für Pflegepersonalplanung bildet. Daher müssen die PpUG und der PPQ in ihrer jetzigen Form unverzüglich durch die PPR 2.0 ersetzt werden, die durch das PPBMI perspektivisch abgelöst wird.

Ziel dieses Bemessungsinstruments ist es, attraktive und verlässliche Rahmenbedingungen für die Pflege zu schaffen, eine nachhaltige Ausstattung mit Pflegepersonal zu erzielen und somit eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie bedarfsgerechte Pflege der vollstationär oder teilstationär zu behandelnden Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, die eine Krankenhausbehandlung brauchen. Diese wird den Ansprüchen einer „guten Pflege“, Patientensicherheit sowie einer hohen Qualität gerecht.

Der Erfolg der Einführung der PPR 2.0 und eines davon abgeleiteten langfristigen Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstruments (PPBMI) hängt maßgeblich von den Rahmenbedingungen seiner Anwendung (etwa verbindlichen Umsetzungsgraden) und flankierenden Maßnahmen (u.a. KAP) ab. Nun müssen die Weichen gestellt werden, um die Pflege auf diesen Weg hin zu mehr qualifiziertem Pflegepersonal, Entlastung des Stammpersonals und Steigerung der Attraktivität der Berufsbilder in der Pflege zu bringen.

Literatur

Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (2020): Abschlussbericht

Deutsches Krankenhausinstitut e. V. (2020): 5 Pflegepersonaluntergrenzen, in: Krankenhaus Barometer, Umfrage 2020, Seite 44-48, online: https://www.dki.de/sites/default/files/anylink/Krankenhaus%20Barometer%202020%20-%20final_0.pdf.

Dieser Artikel wurde auch unter Verwendung von (internen) Materialien, die aus der Zusammenarbeit von DKG, DPR und ver.di bislang hervorgingen, erstellt.

Anschrift der Verfasserinnen

Anke Wittrich, Dezernat V –Medizin/Elisabeth Burghardt, Dezernat I - Personalwesen und Krankenhausorganisation, Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V., Wegelystraße 3, 10623 Berlin