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Politik

Ländervergleiche der Krankenhausversorgung undifferenziert

DKI Studie belegt begrenzte Aussagekraft von OECD-Daten zur Krankenhausversorgung

Gern werden von den Kritikern der stationären Versorgung in Deutschland Vergleiche mit anderen Ländern herangezogen, wenn es darum geht, eine vermeintliche Überversorgung und eine mangelnde Qualität in zahlreichen Kliniken zu belegen. Meist werden Vergleiche mit Dänemark oder dem niederländischen Gesundheitssystem bemüht. In einigen Bereichen, etwa zu Mortalität, scheinen die entsprechenden Daten der OECD zu belegen, dass es mit der Versorgung in deutschen Kliniken nicht zum Besten bestellt ist. Kaum eine gesundheitspolitische Diskussion, die nicht auf Strukturvergleiche im Gesundheitswesen auf Basis von OECD-Daten Bezug nimmt.

„Von 100 wegen eines Herzinfarkts stationär eingelieferten Patienten sterben in Deutschland im Durchschnitt fast 8. In Dänemark sind es 4, also nur ungefähr halb so viele“, so beispielweise das Mantra von Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Fakultät Wirtschaft und Management der Technischen Universität Berlin.

Das Deutsche Krankenhausinstitut hat nun die Aussagekraft von Krankenhausstruktur- und Qualitätsvergleichen auf Basis von OECD-Daten eingehend analysiert. Demnach sind Behauptungen über vermeintliche Versorgungs- und Qualitätsprobleme in der deutschen Krankenhauslandschaft im Ländervergleich oftmals falsch oder müssen deutlich relativiert werden. Internationale Vergleiche der Krankenhausversorgung sind vielfach undifferenziert und unkritisch, so das Ergebnis der DKI-Analyse. Die Studie hat ausgewählte Gesundheits- und Versorgungsindikatoren der OECD-Datenbank darauf untersucht, ob diese für Vergleiche geeignet sind. Dabei haben die Ersteller der Studie hinterfragt, ob den Daten einheitliche Datengrundlagen oder Definitionen zugrunde liegen und wie valide diese Daten sind. In einem zweiten Schritt wurden Besonderheiten der jeweiligen Gesundheitssysteme und bevölkerungsspezifischen Merkmale in die Analyse einbezogen, um Unterschiede zu erklären und die Aussagefähigkeit der Statistiken einzuordnen.

Als Vergleichsländer wurden neben Deutschland, Österreich, Frankreich, Dänemark und die Niederlande herangezogen. Dem internationalen Vergleich wurden ausgewählte Mortalitäts-, Morbiditäts- und Versorgungsindikatoren zugrunde gelegt.

Zentrale Ergebnisse

30-Tage-Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität und Krankenhausaufnahmen bei Diabetes

Auf Basis von OECD-Daten zur 30-Tage-Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme wird Deutschland eine im internationalen Vergleich vermeintlich hohe Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallsterblichkeit attestiert, was bei genauerer Betrachtung der Datenlage jedoch nicht bestätigt werden kann.

Die Herzinfarkt- und Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme in Deutschland wird im internationalen Vergleich überschätzt. Die OECD weist in ihrer Datenbank zwei verschiedene Indikatoren zur 30-Tage-Herzinfarkt- bzw. Schlaganfallmortalität nach stationärer Aufnahme aus, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen: einen krankenhausspezifischen Indikator, der ausschließlich die Mortalität im Krankenhaus misst, sowie einen krankenhausübergreifenden 30-Tage-Mortalitätsindikator, der alle Personen berücksichtigt, die nach erfolgter stationärer Aufnahme innerhalb von 30 Tagen im Krankenhaus oder außerhalb des Krankenhauses sterben. Deutschland weist beispielsweise im Vergleich zu Dänemark oder den Niederlanden eine deutlich höhere mittlere Verweildauer bei Herzinfarkt- und Schlaganfallpatientinnen und -patienten auf. Je länger die Verweildauer, desto höher ist tendenziell auch die Wahrscheinlichkeit, dass Patientinnen und Patienten im Krankenhaus sterben. Für Deutschland liegt in den OECD-Daten allerdings nur der krankenhausspezifische Indikator vor.

Deutschland schneidet in Bezug auf relevante Risikofaktoren (insbesondere Alter, Komorbidität und sozioökonomischer Status) systematisch schlechter als die vier ausgewählten Vergleichsländer ab. Die OECD-Kennzahlen zur 30-Tage-Mortalität werden aber keiner umfassenden Risikoadjustierung unterzogen.

Am Beispiel der Krankenhaushäufigkeit von Diabetes mellitus lassen sich bei der Morbidität international ähnliche Einflussfaktoren identifizieren wie bei den genannten Mortalitätsindikatoren. Die hohe Anzahl der Krankenhausaufnahmen bei Diabetes in Deutschland lässt sich einerseits über die im internationalen Vergleich hohe Prävalenz von Diabetes in der Bevölkerung erklären. Andererseits ist das Diabetesmanagement im vorstationären Bereich ausbaufähig, was sich insbesondere im Vergleich mit Dänemark zeigt. Dort existieren telehealth-Konzepte und Angebote ambulanter Diabeteskliniken. Zudem ist die Steuerungsrolle des Hausarztes im Diabetesmanagement sehr ausgeprägt.

Krankenhaus- und Bettendichte, stationäre Fallzahlen und Verweildauern

Im internationalen Vergleich weist Deutschland eine hohe Krankenhaus- und Bettendichte bzw. überdurchschnittliche Fallzahlen und Verweildauern im Krankenhaus auf. Dies belegt ein hohes Versorgungsniveau in Deutschland, das zudem einen spezifischen Bedarf bzw. Besonderheiten des deutschen Gesundheitssystems widerspiegelt.

Aufgrund einer im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Alters- und Morbiditätslast sowie einer größeren sozialen Ungleichheit, besteht in Deutschland ein höherer Bedarf an akutstationären Versorgungskapazitäten.

So ist der Anteil der älteren Menschen über 65 Jahre ist mit 21,5 % höher als in den Vergleichsländern (2018: Dänemark: 19,5 %; Niederlande: 19,2 %, Frankreich: 21,1 %, Österreich: 15,9 %). Bei dieser Gruppe ist der Anteil mit mehr als zwei chronischen Erkrankungen (darunter Diabetes, Alzheimer, Parkinson, Herzinfarkt und Schlaganfall) mit 24 % doppelt so hoch wie in den Niederlanden und Dänemark mit je 12 %. Auch die Armutsgefährdung ist in Deutschland mit 18,2 % vor allem für die über 65-jährigen deutlich höher als in den Vergleichsländern (9 %; 10,8 %; 8,3 %; 8,4 %):

Besonderheiten der prä- und poststationären Versorgung hierzulande, vor allem die mangelnde sektorenübergreifende Integration und Kooperation von Leistungsangeboten und unzureichende Nachsorgeangebote, führen dazu, dass der Krankenhausbereich Versorgungsdefizite in anderen Leistungssektoren kompensieren muss. Eine isolierte Betrachtung der stationären Kapazitäten und Fallzahlen erscheint daher aufgrund der zentralen Rolle der Krankenhäuser in der Versorgungslandschaft nicht angemessen.

Auch die im internationalen Vergleich längeren Krankenhausverweildauern in Deutschland lassen sich maßgeblich durch den höheren Anteil der älteren Bevölkerung und der damit einhergehenden größeren Krankheitsschwere sowie durch bessere Nachsorgeangebote im Ausland erklären. So werden in Dänemark Kommunen finanziell sanktioniert, wenn sie unzureichende Nachsorgeangebote anbieten.

Es gibt viele länderspezifische Besonderheiten in der Datenverfügbarkeit, beim Datenumfang und der Datenauswertung. So werden bei Krankenhausverweildauern in Dänemark nur Fälle in somatischen Krankenhäusern mit einer Verweildauer unter 18 Tagen berücksichtigt. Auch der Datenumfang bei der Kennzahl zu Krankenhausbetten ist höchst unterschiedlich. In einigen Ländern werden psychiatrische Betten in der Kennzahl berücksichtigt, in anderen nicht.

Insgesamt zeigten die Analysen die begrenzte Aussagekraft der ausgewählten Gesundheits- und Versorgungsindikatoren der OECD-Datenbank für internationale Vergleiche, so die Wissenschaftler des DKI. Methodisch sei die Vergleichbarkeit vor allem aufgrund der mangelhaften Risikoadjustierung und Altersstandardisierung, abweichender Definitionen und Datengrundlagen zwischen den Ländern, einer dadurch begrenzten Datenvalidität sowie länderinternen und -übergreifenden Unplausibilitäten in den Daten erheblich eingeschränkt. Unterschiede in der Soziodemografie, der Morbidität und dem Risikoverhalten der Bevölkerung sowie in den Gesundheitssystemen und Versorgungstrukturen fänden bei internationalen Vergleichen kaum Berücksichtigung.

So gelingt es den Experten des DKI, vermeintliche Versorgungs- und Qualitätsprobleme der deutschen Krankenhausversorgung im Ländervergleich nicht nur deutlich zu relativieren oder zu widerlegen. Die Analysen belegen, dass internationale Vergleiche der Krankenhausversorgung hierzulande vielfach undifferenziert und unkritisch erfolgen. „Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf die Weiterentwicklung der deutschen Krankenhausstrukturen eine sachliche, problem- und lösungsorientierte Auseinandersetzung mit internationalen Vergleichen dringend angezeigt“, heißt es zusammenfassend in der DKI-Studie.

Die vollständige Analyse mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse steht auf der Website des DKI (www.dki.de) bereit. krü