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Politik

Krankenhäuser fordern finanzielle Sicherheit 

Die täglich vermeldeten Corona-Infektionen in Deutschland gehen zurück. Auch die Zahl der Intensivpatienten in den Kliniken sinkt derzeit. Von Entspannung kann jedoch in den Krankenhäusern keine Rede sein. Die Zahl der Covid-19-Patienten in stationärer Behandlung ist nach wie vor hoch, ebenso die Belastung der Klinikmitarbeiter, die seit bald einem Jahr unter Pandemiebedingungen höchsten Einsatz bringen.

Bis Ende des vergangenen Jahres konnten die Krankenhäuser auf einen Gesamtjahresausgleich von Erlösen und Kosten vertrauen, doch dieses Instrument ist nun ausgelaufen. Seit dem Jahreswechsel gibt es keinen intakten Rettungsschirm mehr.

Der aktuelle Rettungsschirm schützt nur wenige Krankenhäuser: Obwohl alle Kliniken Erlösausfälle und Mehrkosten haben, erhalten maximal die Hälfte der Krankenhäuser Hilfe. Kliniken ohne stationäre Notfallstufe gehen leer aus, psychiatrische Kliniken ebenso. Häuser der Notfallstufe 1 erhalten nur in Ausnahmefällen Hilfe, auch Kliniken der Notfallstufen 2 und 3 erhalten Zahlungen nur bei hoher Auslastung der regionalen Intensivkapazitäten und hohen Inzidenzen.

„Wir brauchen kurzfristige Finanzhilfen als Liquiditätssicherung, die wirtschaftliche Absicherung für das gesamte zweite Jahr der Pandemie und nachhaltige Reformen, die Herausforderungen für die Zeit nach Corona aufgreifen“, so der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum.

Dabei haben die deutschen Kliniken die Pandemie bisher hervorragend bewältigt. Sie spielen bei der Bekämpfung der Pandemie eine zentrale Rolle und haben durch ihre Leistungsfähigkeit maßgeblich zum Schutz der Bevölkerung beigetragen, betonte Georg Baum auf einer Pressekonferenz am 26. Januar 2021 zur Situation der Kliniken im zweiten Pandemiejahr. „Krankenhäuser sind ein zentraler und unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge. Wie wesentlich das ist, zeigt uns die Pandemie. Ein gut funktionierendes Krankenhaussystem sichert nicht nur Lebensqualität und Gesundheit. Es ist auch unverzichtbar für die Wirtschaft insgesamt: Die ausreichenden Kapazitäten in den Krankenhäusern haben dafür gesorgt, dass der wirtschaftliche Lockdown in Deutschland milder ausfallen konnte als in vielen anderen Ländern“, so Baum weiter.

Die Pandemie werde die Krankenhäuser weiterhin stark belasten und die Refinanzierung aus dem Regelsystem teilweise außer Kraft setzen. Deshalb müssten politisch auf drei Ebenen die wesentlichen Weichen gestellt werden, „Wir brauchen kurzfristige Finanzhilfen als Liquiditätssicherung, die wirtschaftliche Absicherung für das gesamte zweite Jahr der Pandemie und nachhaltige Reformen, die Herausforderungen für die Zeit nach Corona aufgreifen“, so der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) auf seiner vermutlich letzten Pressekonferenz vor dem Eintritt in den Ruhestand.

„Die bisher für 2021 geltende Regelung ist kompliziert, kleinteilig und völlig unzureichend“, ergänzte sein designierter Nachfolger Dr. Gerald Gaß: „Sie erfasst auch nur maximal 50 % der Krankenhäuser. Die zuletzt beschlossenen Verbesserungen helfen hier nur einigen wenigen Krankenhäusern zusätzlich. Darüber hinaus läuft diese begrenzte Unterstützung bis Ende Februar aus. Deshalb fordern wir Liquiditätshilfen für alle Krankenhäuser bis mindestens Mitte 2021, die dann Ende 2021 mit den sonstigen Erlösen verrechnet werden“, so Gaß.

Mit dieser Forderung werden die Vertreter der DKG in die Verhandlung des am 2. Februar tagenden Expertenrats gehen, der bereits im vergangenen Jahr mehrmals die Regelungen zum Rettungsschirm nachjustiert hatte. Im Gegensatz zu Regelungen des vergangenen Jahres sollen sich jetzt jedoch alle Kliniken für 2021 zu einem Ganzjahresausgleich verpflichten.

Kurzfristige Liquiditätshilfen, langfristige Konzepte

Seit Beginn der Pandemie haben die deutschen Krankenhäuser rund 150 000 Menschen mit einer Corona-Infektion behandelt. Die Zahlen verdeutlichen, dass gerade die zweite Welle für die Krankenhäuser extrem belastend war und ist. „Die meisten Neuaufnahmen haben die Krankenhäuser Mitte Dezember verzeichnet, und seit Wochen liegt die Anzahl der Intensiv-Patienten über oder um 5 000. Aber anders als in der ersten Welle bleibt die finanzielle Absicherung der Krankenhäuser aktuell lückenhaft und für das gesamte Jahr 2021 ungeklärt“, so Georg Baum. Hatte sich die Politik im Frühjahr 2020 noch durch klare politische Aussagen ausgezeichnet, etwa verschiebbare Leistungen auszusetzen und die dadurch entstandenen finanziellen Ausfälle zu kompensieren, zeige sich die wirtschaftliche Absicherung der Kliniken in der zweiten Welle unsicher und unzureichend. Die Krankenhäuser benötigten kurzfristig Liquiditätshilfen, weil sie ihr Leistungsgeschehen zurückfahren müssen. Die Refinanzierung aus dem Regelsystem sei parallel dazu abgesunken – und das bei gleichen oder auch vielfach steigenden Kosten.

Alle Krankenhäuser hatten in der zweiten Welle extreme Erlösausfälle zu verzeichnen. Niedergelassene Ärzte hatten deutlich weniger Patienten in die Kliniken eingewiesen. Viele Patienten verzichten derzeit auf einen planbaren Krankenhausaufenthalt. Die Kliniken selber haben diese Behandlungen zurückgefahren, um ihr Personal auf die Behandlung von Covid-19-Erkrankten zu konzentrieren oder um Personalausfälle zu kompensieren. Zudem wird aus den Zahlen der ersten Welle deutlich, dass es nicht nur Maximalversorger oder Krankenhäuser der Notfallstufen 2 und 3 sind, die in der Covid-Versorgung tätig waren. „Ein Blick in das Intensivregister zeigt, dass 65 % der dort meldenden Standorte keine Schwerpunkt- oder Maximalversorger sind. Diese Krankenhäuser versorgen 41 % der Covid-Intensiv- und 37 % der Beatmungspatienten. Wenn der Rettungsschirm diese Kliniken, aber auch alle Fachkrankenhäuser mit Einbußen in der Regelversorgung nicht mit abdeckt, bringen wir sie in extreme Liquiditätsengpässe“, mahnten die DKG-Vertreter.

Vorwürfe, dass gerade der erste Rettungsschirm eine deutliche Überfinanzierung hervorgerufen hätte, weist die DKG zurück. Es sei richtig, dass rund 9 Mrd. € für Freihaltepauschalen gezahlt worden seien. Man müsse diese Zahlungen aber in einen entsprechenden Kontext setzen, so Gaß: „Zum einen müssen wir einen Belegungsrückgang von rund 12 % der Fälle und rund 10 % der Belegungstage kalkulieren. Dies gilt für somatische und psychiatrische Kliniken gleichermaßen. Schon daraus errechnen sich Erlösverluste von rund 8,5 Mrd. €.“ Noch nicht abschließend könnten die Verluste bei der ambulanten Behandlung und bei Wahlleistungen der Kliniken kalkuliert werden. Aktuelle Schätzungen liegen hier bei rund 1 Mrd. €. „Wir gehen davon aus, dass sich die Erlösverluste und die Kompensationszahlungen im Jahr 2020 in etwa ausgleichen. Was bleibt, sind aber nicht vollständig refinanzierte Mehrkosten für den höheren Infektionsschutz und die persönliche Schutzausrüstung, die sich auf mehrere hundert Millionen Euro belaufen“, so Dr. Gaß. „Wir brauchen für das gesamte Jahr 2021 wirtschaftliche Stabilität für die Krankenhäuser. Das ist nur gewährleistet, wenn nicht alle zwei Wochen per Verordnung etwas verlängert wird, sondern ein Konzept zur finanziellen Sicherung bis zum Jahresende vorliegt“, forderte der designierte Hauptgeschäftsführer.

Personaluntergrenzen weiter aussetzen, MD-Prüfquote 5 %

Zudem benötigten die Kliniken dringend wieder Entscheidungen zur Entbürokratisierung wie in der ersten Welle. So wurden im Frühjahr 2020 die Pflegepersonaluntergrenzen ausgesetzt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass diese Untergrenzen zum 1. Februar 2021 mit neuen Vorgaben für die Bereiche Innere und Chirurgie sogar noch verschärft werden. Die Ausweitung auf innere und chirurgische Abteilungen werde zu einer weiteren, künstlich hervorgerufenen Personalverknappung führen. „Zu diesem Zeitpunkt, mitten in der Pandemie, sind solche Verschärfungen völlig unverständlich“, so Gaß. Und wie in der ersten Welle muss die Prüfquote des Medizinischen Dienstes wieder auf 5 % festgesetzt werden. Pflegekräfte und Ärzte müssten von überflüssiger Bürokratie befreit werden, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit abhält. Zusätzlich seien langfristige Weichenstellungen notwendig.

Den „kalten Strukturwandel“ beenden, das Finanzierungssystem reformieren

Vor allem aber müsse die Politik Konsequenzen aus der Pandemie ziehen. Die deutschen Kliniken haben die Pandemie bisher hervorragend bewältigt und den Schutz der Bevölkerung gewährleistet. Der volkswirtschaftliche Schaden der Pandemie ist in Deutschland wesentlich geringer als in anderen europäischen Ländern. „Dies liegt auch daran, dass sich das gestufte System aus Kliniken der Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung bewährt hat. Es darf nicht aufgegeben werden. Die Bundesländer müssen aber durch eine aktive Krankenhausplanung die Versorgung sektorübergreifend gestalten und endlich den kalten Strukturwandel beenden“, forderte Dr. Gaß.

Als gewaltiges Problem habe sich das rein leistungsbezogene Finanzierungssystem der Krankenhäuser im zurückliegenden Jahr erwiesen. „Schon vor der Pandemie haben wir den Reformbedarf der Finanzierung aufgezeigt. Wir brauchen dringend neue Instrumente, die die Erlöslage der Krankenhäuser bei schwankenden Fallzahlen stabilisieren und eine Basisfinanzierung für Vorhaltekosten wie 24/7-Bereitschaft und die Notfallversorgung absichern“, betonte Dr. Gaß.

Die Pandemie habe aber auch gezeigt, dass die Potenziale der Digitalisierung bisher nicht ausgeschöpft werden konnten. Die Zusammenarbeit und der Austausch der Kliniken untereinander und auch mit anderen Partnern war ein analoger und auch digitaler Kraftakt, ohne den die Versorgung nicht gelungen wäre. Dass die Potenziale nicht ausgeschöpft worden sind, liege maßgeblich an der unzureichenden Investitionsfinanzierung. Das Krankenhauszukunftsgesetz könne einen enormen Schub verleihen, der aber durch Investitionsmittel der Länder verstetigt werden müsse.

Zentral bleibt das Thema des Fachkräftemangels. Gerade in der Pflege ist er in der Pandemie als der wesentliche Engpass deutlich geworden. An vielen Standorten muss deshalb die Regelversorgung zusätzlich deutlich eingeschränkt werden. „Wir brauchen für die Pflegerinnen und Pfleger ein klares politisches Signal und klare Unterstützung, um die Trendumkehr zu schaffen. Nur so können mehr Menschen für die Pflege begeistert werden. Deshalb muss der Gesetzgeber noch vor der Bundestagswahl dringend aktiv werden und Standards für die Personalbemessung im Krankenhaus festlegen. Verdi, der Deutsche Pflegerat und die DKG haben dazu die notwendigen Vorarbeiten geleistet. Es ist an der Zeit, dass diese endlich umgesetzt wird“, forderten Gerald Gaß und Georg Baum unisono.

Katrin Rüter

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Das Konzept der DKG für 2021: Auf sicherer wirtschaftlicher Basis durch die Krise

Liquiditätssicherung, Mindererlösausgleich und Mehrkostenerstattung

Erlösausfälle im Regelsystem und Mehrkosten der Covid-Pandemie dürfen die Krankenhäuser nicht in die Insolvenz treiben.

Die DKG fordert zunächst befristet bis Mitte 2021:

• Eine sofortige Liquiditätshilfe für alle Krankenhäuser zum Ausgleich der pandemiebedingten Mindererlöse (Referenzjahr 2019) finanziert durch die Einsparungen der Krankenkassen (gestufte Zahlungen 261 – 684 €).

• Einen ausreichenden Mehrkostenzuschlag.

• Die Fortsetzung der Mindestvergütung der Pflege pro Belegungstag bei 185 €.

• Alle Krankenhäuser verpflichten sich zum Ganzjahresausgleich.

Ergänzend fordern die Krankenhäuser

• Das Aussetzen der Pflegpersonaluntergrenzen im Pandemiejahr 2021.

• Zur Reduzierung der bürokratischen Lasten muss die Prüfquote des Medizinischen Dienstes auch für das Jahr 2021 auf maximal 5 % beschränkt werden.

• Das 5-Tage-Zahlungsziel der Krankenkassen für die Begleichung von Krankenhausrechnungen ist dauerhaft beizubehalten.

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