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Politik

Lehren aus der Pandemie für gute Krankenhauspolitik

DKG-Positionen zu Krankenhausreformen nach Corona

Die Corona-Pandemie sei die „größte Herausforderung unserer Zeit“, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum anlässlich einer Pressekonferenz der Deutschen Krankenhausgesellschaft Anfang Juli. Auch das Gesundheitswesen in Deutschland, insbesondere die Kliniken, sehen sich mit Anforderungen, Problemen und Ungewissheiten konfrontiert, die noch zu Beginn des Jahres nahezu unvorstellbar waren. Doch sind es vor allem die Krankenhäuser in Deutschland, die bei der Bewältigung der Krise eine zentrale Rolle spielen.

Nach Beschluss einer Krisen-Gipfelrunde im Kanzleramt wurde am 13. März 2020 die Regelversorgung in den Kliniken abgebrochen. Erst am 23. März wurde der „Rettungsschirm“ in Aussicht gestellt: Zehn Tage, in denen die Krankenhäuser und Ihre Mitarbeiter im Interesse der Patienten auf die Behandlung von COVID-19-Patienten fokussierten – ohne Sicherheit über die finanziellen Folgen.

Der Rettungsschirm kam, bürokratische Regularien für die Kliniken wurden ausgesetzt. „Die Krankenhäuser sind verantwortungsvoll mit diesem Vertrauen umgegangen. Wir erwarten, dass wir auf dieses Vertrauen auch weiterhin bauen können“, sagte DKG-Präsident Gerald Gaß. Er stellte Anfang Juli ein Positionspapier vor, das die Deutsche Krankenhausgesellschaft trägerübergreifend zu den wesentlichen Lehren aus der Pandemie für gute Krankenhauspolitik verabschiedet hat. „Wir haben nach diesen Monaten mit enormen Herausforderungen ein Resümee gezogen“, erklärte Gaß. Die DKG habe kurzfristigen Handlungsbedarf definiert und zugleich auch Lehren für die langfristigen Strukturdebatten gezogen: „Damit verbinden wir auch die Erwartung einer sachlichen Evaluation des wohl schwierigsten Jahres für das Gesundheitswesen in Deutschland“, so der DKG-Präsident.

„Die Kliniken sind der zentrale Ankerpunkt der gesundheitsbezogenen Daseinsvorsorge“

Die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten in den vergangenen Monaten den Kern der systemsichernden Infrastruktur für Deutschland gebildet. „Rund 30 000 COVID-19-Patienten wurden in den Kliniken stationär behandelt und fast die Hälfte davon intensivmedizinisch versorgt. Auch haben die Kliniken viele Patienten in den Ambulanzen betreut. Durch die Ausweitung der Intensivkapazitäten und Isoliereinheiten, Verschiebung planbarer Leistungen und OPs um 30 bis 50 %, Qualifizierung und Personalrekrutierung innerhalb der Häuser und Mitwirkung bei Diagnose und Testung haben die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter maßgeblich dazu beigetragen, dass Deutschland bis dato so gut durch die Krise gekommen ist“, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

„Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ zügig umsetzen

Diese Erkenntnisse müssen nunmehr auch Ausgangspunkt für kurz- und langfristige Reformbemühungen sein. „Die Krise ist nicht vorbei. Deshalb wird auch die schnelle Rückkehr in den Regelbetrieb nicht vollständig möglich sein. Wir haben weiterhin reduzierte Behandlungskapazitäten. Im Intensivbereich sind Freihaltequoten einzuhalten. Wegen der Infektionsprävention ist die Unterbringung in Mehrbettzimmern nur begrenzt möglich. Und viele weitere epidemiebedingte Beeinträchtigungen haben Einfluss auf die tägliche Arbeit. Deshalb brauchen wir Schutzschirmkomponenten über den 30. September 2020 hinaus. Corona-bedingt werden die Kosten für die Regelversorgung deutlich höher sein. Deshalb ist ein Pandemiezuschlag für diesen Mehraufwand notwendig. Auch werden weiterhin Freihaltepauschalen erforderlich bleiben“, forderte Gaß.

Zudem fordert die DKG, dass das 3 Mrd. € umfassende „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ zügig umgesetzt wird. Die zusätzlichen Investitionsmittel müssten zeitnah ausgezahlt werden und dürften weder an bürokratischen Antragsverfahren noch am Widerstand der Krankenkassen scheitern. Ungeachtet des Sonderprogramms sei die Investitionsmisere dringend nachhaltig und dauerhaft zu lösen. Die im Zukunftsprogramm vorgesehenen 3 Mrd. € seien ein erster Schritt, um die Investitionslage in den Kliniken zu verbessern. Die Krankenhäuser bräuchten jährlich rund 7 Mrd. € Investitionsvolumen zuzüglich des Investitionsmittelbedarfes der Hochschulmedizin und der steigenden IT-Bedarfe.

Der besonderen Lage durch die Corona-Pandemie müsse auch im Bereich des Personals Rechnung getragen werden. Die Aussetzung der Pflegepersonaluntergrenzen war ein wichtiger Schritt. „Die Politik muss die Überregulierung stoppen und den Arbeitgebern wieder Vertrauen schenken. Das von der DKG mit dem Deutschen Pflegerat und Ver.di erarbeitete Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument (PPR 2.0) müsse endlich gesetzlich verankert werden. „Hier warten wir noch immer auf die Antwort, die der Gesundheitsminister in der „Konzertierten Aktion“ zugesagt hat. Der Wertschätzung für unsere Beschäftigten in der Krise müssen jetzt Taten folgen“, fordert Gaß.

Auch aktuelle Studien von Krankenkassen belegen den höchst verantwortlichen Umgang der Krankenhäuser in der Krise. Weniger dringliche Behandlungen wurden konsequent reduziert, gleichzeitig die unbedingt notwendige Versorgung aufrechterhalten. „2020 kann kein Referenzjahr für die Zukunft sein“, sagt DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum: „Die Leistungsrückgänge dürfen nicht dazu führen, dass Krankenhäuser im nächsten Jahr beim Nachholen der Leistungen durch Abschläge bei der Vergütung bestraft werden. Hier sind gesetzliche Anpassungen rechtzeitig für 2021 erforderlich.“

In ihrem Positionspapier skizziert die DKG konkrete Verbesserungsmöglichkeiten, um bei einer fortgesetzten oder zukünftigen Pandemie besser gewappnet zu sein. „Wichtig ist, dass von Anfang an umfassende Tests in Krankenhäusern möglich sind. Hier ist rückblickend festzustellen, dass die Finanzierung zu lange unsicher war“, so Baum. Zur Vorsorge auf den Katastrophenfall müssten in allen Bundesländern zentrale Lagerbestände für erforderliche Schutzausrüstung aufgebaut werden.

Die Erkenntnisse der vergangenen Monate müssten auch in die Strukturdebatten einfließen. „Die Deutsche Krankenhausgesellschaft steht zu ihrem Wort, die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung verantwortlich mitzugestalten. Der Abbau von nachweisbar nicht bedarfsnotwendigen Kapazitäten, Standortzusammenführungen und im konkreten Einzelfall auch Standortschließungen sind ebenso Teil dieser Strukturentwicklungen wie der Erhalt, die Stärkung und die sektorenübergreifende Weiterentwicklung von Standorten in Regionen mit Versorgungsdefiziten. Wir müssen die richtige Balance bei den Zielen Qualität, Wirtschaftlichkeit und Versorgungsicherheit finden. Der Aspekt der Versorgungssicherheit ist nach dieser Pandemie sicher neu zu gewichten. Die dezentralen, nach Versorgungsaufgaben gestuften Krankenhausstrukturen haben sich in der Krise als flexibel und leistungsfähig erwiesen. Darauf wollen wir aufbauen. Unser Leitbild sind regionale, sektorenübergreifende Versorgungsnetzwerke mit den Krankenhäusern als Fixpunkte auch für die ambulante Notfallversorgung. Zudem hat sich die föderale Verantwortung als Vorteil auch im Bereich der Gesundheitsversorgung erwiesen und sollte dem Zentralismus vorgezogen werden. Wir benötigen eine bedarfsgerechte Personalausstattung, eine nachhaltige Investitionsfinanzierung, die Weiterentwicklung der Vergütungssysteme und das Ausschöpfen der Potenziale der Digitalisierung“, erklärt DKG-Präsident Gaß.

Lehren aus der Pandemie für gute Krankenhauspolitik 

Eckpunkte für eine grundlegende Reform der medizinischen Versorgung

1. Aktuelle Lage und erste Schlussfolgerungen

Die COVID-19-Pandemie ist ein historisch bislang einmaliges Ereignis. Mit ihrem besonderen Engagement haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser maßgeblich dazu beigetragen, dass das deutsche Gesundheitswesen die Pandemie im internationalen Vergleich bis heute gut bewältigt hat. Dennoch ist unbestritten, dass auch Deutschland auf eine Krise dieses Ausmaßes nicht vollumfänglich vorbereitet war (und sein konnte). Die Pandemie hat das Gesundheitswesen daher vor große Herausforderungen gestellt. 

Die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bildeten in den vergangenen Monaten den Kern der systemsichernden Infrastruktur für das ganze Land. Rund 30.000 COVID-19-Erkrankte wurden von den Krankenhäusern stationär aufgenommen. Fast die Hälfte von ihnen bedurfte einer intensivmedizinischen Behandlung. Die Patientinnen und Patienten erhielten in den Krankenhäusern eine medizinische Versorgung auf höchstem Qualitätsniveau. Das Potenzial der Krankenhäuser zur Bewältigung eines hohen intensivmedizinischen Versorgungsbedarfes bestimmte und bestimmt maßgeblich die Erfordernisse des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lockdowns zur Bekämpfung der Pandemie. Mit beispiellosem Engagement haben sich alle Krankenhäuser auf diese Lage eingestellt und leisten im Zusammenspiel mit der Politik und dem öffentlichen Gesundheitsdienst einen ganz wesentlichen Beitrag dafür, dass die konkreten Auswirkungen der Pandemie in Deutschland gegenüber den meisten Staaten weniger gravierend verlaufen. 

Vor diesem Hintergrund lassen sich bislang die folgenden Lehren aus der Corona-Krise ziehen:

  • Die Bundesländer, die regionalen Krisenstäbe und die örtlichen Gesundheitsämter mussten gezielt auf das Pandemiegeschehen vor Ort reagieren und dabei die Besonderheiten der regionalen Versorgungsgegebenheiten berücksichtigen. Der aus dem Subsidiaritätsprinzip abgeleitete, föderale Aufbau des Gesundheitswesens ermöglichte ihnen dies und gewährleistete einen zielgenauen Einsatz der begrenzt verfügbaren Ressourcen. Bei einer bundeseinheitlichen Steuerung der Versorgung wäre dies nicht möglich gewesen.
  • Korrespondierend dazu hat sich die flächendeckende, nicht auf die Ballungsräume beschränkte Vorhaltung von Krankenhauskapazitäten als besonderer Vorteil des deutschen Gesundheitswesens erwiesen. Die versorgungsstufenübergreifende, enge Zusammenarbeit der Krankenhäuser war der Garant für eine wohnortnahe Versorgung auf höchstem Qualitätsniveau.
  • Die Krankenhäuser haben sich als sehr flexibel erwiesen. Schon zu einem frühen Zeitpunkt, zu dem die finanziellen Begleitmaßnahmen der Politik nicht bekannt waren, haben die Krankenhäuser unabhängig von Trägerschaft und Versorgungsstufe ihre Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung unter Beweis gestellt und ihren Versorgungsauftrag der aktuellen Herausforderung angepasst.  
  • Ohne die bereits vorhandenen und in der Krise nochmals aufgestockten ambulanten Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser (Fieberambulanzen usw.) wäre die ambulante vertragsärztliche Versorgung schnell an ihre Grenzen gestoßen. Die Refinanzierung des Aufbaus zusätzlicher ambulanter und stationärer Kapazitäten durch die Krankenhäuser war vielerorts zunächst unzureichend geklärt, so dass die Krankenhäuser zum Teil gezwungen waren, auf Eigenmittel zurückzugreifen und damit in finanzielle Vorlage zu treten.
  • Die vielen, den Krankenhäusern in den letzten Jahren auferlegten Strukturvorhaltevorgaben, insbesondere die Personalbesetzungsvorgaben, waren schon vor der Pandemie ein Hemmnis und Hindernis für die Freisetzung maximaler medizinischer und organisatorischer Leistungsfähigkeit. Als Reaktion auf die Krise hat der Gesetzgeber ausgewählte Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen sowie Strukturvorgaben zeitlich befristet ausgesetzt. Die Krankenhäuser sind mit den so gewonnenen Freiräumen verantwortungsvoll umgegangen. Dies zeigt, dass ein Großteil dieser Verpflichtungen auch dauerhaft verzichtbar ist, ohne dass damit die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigt wird. Angesichts des Fachkräftemangels, insbesondere im Bereich der Pflege, hätten die Krankenhäuser die Krise ohne die Aussetzung der unzähligen Vorgaben (einschließlich der Dokumentations-, Nachweis- und Rechtfertigungserfordernisse) kaum so erfolgreich bewältigen können.
  • Die kurzfristig wirkenden gesetzlichen Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität der Krankenhäuser waren zwingend notwendig. Die Ausgleichszahlungen und die Verkürzung des Zahlungsziels für die Begleichung der Krankenhausrechnungen haben wesentlich zur wirtschaftlichen Sicherung der Kliniken beigetragen.
  • Äußerst schwierig gestaltete sich in den ersten Wochen der Krise insbesondere die Beschaffung der persönlichen Schutzausrüstungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern, Vertragsarztpraxen, Gesundheitsämtern und auch für die übrige Bevölkerung. Zur Vorbereitung auf zukünftige Pandemien müssen geeignete Versorgungs- und Beschaffungskonzepte entwickelt werden. Gleiches gilt für die bereits vor der Pandemie aufgetretene Problematik der Arzneimittellieferengpässe.
  • Als kritisch erwies sich, insbesondere zu Beginn der Krise, auch die nur schwach ausgeprägte Bereitschaft der Kostenträger zur niederschwelligen Indikationsstellung und Finanzierung von Tests bei Patientinnen und Patienten sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser. Die zwischenzeitlich erfolgten Erweiterungen der Testmöglichkeiten und die Finanzierungsregelungen sind ein wesentlicher Beitrag zur effektiven Bekämpfung der Ausbreitung des Virus und zum Schutz der Patientinnen und Patienten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Krankenhäuser.

2. Handlungsbedarf 2020

Die Krise ist noch nicht vorbei. Aufgrund der zusätzlichen Hygieneanforderungen an die Krankenhäuser zum Infektionsschutz vor dem Corona-Virus können die Krankenhäuser ihren Regelbetrieb auch weiterhin nicht in dem Umfang wie vor der Corona-Pandemie wieder vollumfänglich aufnehmen. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung von Zwei-Bett-Zimmern in Ein-Bett-Zimmer. Die Umwandlung vermindert das Infektionsrisiko deutlich, reduziert zugleich aber auch die Behandlungskapazitäten entsprechend. Verschiedenste Regelungen sind zudem für die Aufnahme von nicht infizierten Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen. So können etwa anamnestische Angaben (Symptome, Kontakte, Risikogruppe) eine Isolierung erforderlich machen. Auch bei neu auftretenden Symptomen während des Aufenthaltes ist es zwingend notwendig, die Patientinnen und Patienten zu isolieren, bis getestet wurde, ob es ein „Covid-19-Fall“ ist oder nicht.

 Der staatliche Rettungsschirm zur Abfederung der finanziellen Belastungen der Krankenhäuser hat sich – bezogen auf den stationären Bereich – in der Gesamtbetrachtung für die meisten Kliniken bewährt. Insbesondere für die Kliniken der Maximalversorgung und weitere Kliniken, die von der Pandemie in besonderem Maße gefordert wurden, sind jedoch über den stationären Bereich hinaus ergänzende Regelungen zu treffen, die die dort entstandenen Corona-bedingten Defizite ausgleichen. Große Sorge bereitet den Krankenhäusern, dass die im Rettungsschirm vorgesehenen Ausgleichszahlungen für die Freihaltung von Behandlungskapazitäten und für die pandemie-bedingten Mehrkosten bislang bis zum 30. September 2020 befristet sind. Für erhebliche Unsicherheit sorgt zudem die Frage, unter welchen gesetzlichen Rahmenbedingungen die Budgetverhandlungen für die Jahre 2020 und 2021 erfolgen sollen. Das von der Bundesregierung im Rahmen ihres Konjunkturpaketes angekündigte „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ wird von den Krankenhäusern uneingeschränkt begrüßt, muss aber verstetigt werden.

Kurzfristigen Handlungsbedarf sehen die Krankenhäuser darüber hinaus im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehene Weiterentwicklung und Ausweitung der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG). Die Pandemie hat bestätigt, dass ein flexibler und bedarfsgerechter Personaleinsatz mit den bestehenden leistungsbezogenen Personalstrukturvorgaben, insbesondere den Pflegepersonaluntergrenzen, nicht erreicht werden kann bzw. massiv behindert wird. Ein Festhalten an den PPUG und deren geplanter Ausweitung wäre daher problematisch.

Vor diesem Hintergrund erachten die Krankenhäuser folgende Maßnahmen als unabdingbar: 

1. Weitergeltung der Ausgleichszahlungen über den Oktober 2020 hinaus

  Der Belegungsrückgang in den Krankenhäusern wird aufgrund der veränderten Anforderungen an die Versorgung und des Verhaltens der Bevölkerung absehbar bis zum Ende der Pandemie anhalten. Es ist daher zwingend notwendig, dass Ausgleichszahlungen für Belegungsrückgänge in der bisherigen oder in einer anderen Form auch über den 01. Oktober 2020 hinaus geleistet werden. Dies gilt gleichermaßen auch für den Bereich der Bundespflegesatzverordnung (insbesondere psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen sowie Besondere Einrichtungen). In diesem Rahmen ist auch eine Erhöhung der Freihaltepauschalen für den Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Erwägung zu ziehen.

2. „Pandemiezuschlag“ für Corona-bedingten Mehraufwand

Sollte die bisherige Mehrkostenpauschale nicht über den 30. September 2020 hinaus verlängert werden, sprechen sich die Krankenhäuser für die Einführung eines „Pandemiezuschlags“ aus. Der bis zur Bewältigung der Pandemie befristete Zuschlag soll den nicht über die DRG-Vergütung gedeckten Mehraufwand der Pandemie umfassen. Ebenfalls noch für 2021 sind Refinanzierungsregelungen für erweiterte Bevorratungen von Arzneimitteln und persönlichen Schutzausstattungen erforderlich. Eine Refinanzierung über die Vergütungssystematik des DRG-System und der gedeckelten Landesbasisfallwerte ist hier nicht möglich.

3. Zuschläge für steigende IT-Kosten

Dringender Handlungsbedarf noch in dieser Legislaturperiode und für das Budgetjahr 2021 besteht bei der Finanzierung der Betriebskosten der IT-Systeme und insbesondere der Kosten für die Cyber-Sicherung. Dazu ist ein pauschaler Budgetzuschlag von zwei Prozent pro Krankenhaus erforderlich.

4. Aussetzen des Fixkostendegressionsabschlags bis zum (Wieder-)Erreichen des Leistungsniveaus 2019

Die in 2020 stattfindenden Leistungsrückgänge dürfen nicht dazu führen, dass Krankenhäuser in den Folgejahren Abschläge auf ihr Leistungsspektrum hinnehmen müssen, solange dieses unter dem Niveau des Jahres 2019 liegt. Dies wäre eine deutliche Schlechterstellung gegenüber der Situation in 2019, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Ein Fixkostendegressionsabschlag (FDA) kann daher erst zur Anwendung kommen, wenn das vereinbarte Leistungsniveau des Krankenhauses über dem des Jahres 2019 liegt. Dazu ist eine weitere gesetzliche Anpassung, idealerweise in Form einer Verlängerung der Aussetzung des FDA, erforderlich. 

5. Leistungsniveau 2019 als optionale Startgröße

Unabhängig davon sollte das Krankenhaus einen gesetzlichen Anspruch darauf haben, das Leistungsniveau des Jahres 2020 in der für das Jahr 2019 vereinbarten Höhe vereinbaren zu können, wenn das Krankenhaus einseitig diese Option wählt.

6. Dauerhafte Verkürzung des Zahlungsziels für die Begleichung von Krankenhausrechnungen

Die gesetzliche Festlegung des Zahlungsziels für die Begleichung der Krankenhausrechnungen auf fünf Tage sollte dauerhaft gelten. Zudem sollten die Kostenträger gesetzlich dazu verpflichtet werden, die Rechnungen der Krankenhäuser innerhalb dieser Frist in voller Höhe zu begleichen und damit ein einseitiges Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen werden. Das Recht der Kostenträger, die Rechnungen im Rahmen der geltenden Regeln zu prüfen, bleibt unbenommen.

7. „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ bürokratiearm umsetzen und verstetigen

Das „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ muss zügig umgesetzt werden. Die Auszahlung der zusätzlichen Investitionsmittel muss zeitnah erfolgen und darf weder an zu bürokratisch ausgestalteten Antragsverfahren noch am Widerstand der Krankenkassen scheitern. Eine nachhaltige und dauerhafte Lösung der Investitionsmisere bleibt ungeachtet des Sonderprogrammes dringend erforderlich. Die im Zukunftsprogramm vorgesehenen 3 Mrd. € sind ein dringend notwendiger erster Schritt, um die Investitionslage in den Kliniken zu verbessern. Ungeachtet dessen erachten die Krankenhäuser eine dauerhafte Investitionsförderung mit einem Volumen von jährlich rund 7 Mrd. € zuzüglich des Investitionsmittelbedarfes der Hochschulmedizin als notwendig. Nur so kann die Investitionsmisere der Krankenhäuser nachhaltig und dauerhaft gelöst werden.

8. PPR 2.0 statt PPUG

Eine vollständige Aussetzung der bestehenden Personalbesetzungsvorgaben sollte per Gesetz für das laufende Jahr und für das Konsolidierungsjahr 2021 erfolgen. Zudem müssen noch in dieser Legislaturperiode die gesetzlichen Voraussetzungen für das von der DKG mit dem Deutschen Pflegerat und Ver.di erarbeitete Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument (PPR 2.0) geschaffen werden. Eine Erstreckung der Pflegeuntergrenzen auf weitere große Leistungsbereiche ab 2021 ist in der Praxis nicht umsetzbar und wird von den Krankenhäusern daher abgelehnt. 

9. Finanzierung aller tariflichen Personalkostensteigerungen

Dringlich ist für alle Personalgruppen des Krankenhauses, dass die tariflichen Personalkostensteigerungen bei den Vergütungsanpassungen vollständig berücksichtigt werden. Wie nunmehr im Rehabilitationsförderungsgesetz für die Rehabilitationskliniken vorgesehen, muss auch für die Krankenhäuser die Grundlohnrate als Obergrenze für die tariflichen Personalkostensteigerungen gänzlich aufgehoben werden.

10. Vorkehrungen für zukünftige Pandemien

Dank der besonderen Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser und dem beispiellosen Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das deutsche Gesundheitswesen die Krise im internationalen Vergleich bislang gut bewältigt. Um für zukünftige Krisen noch besser vorbereitet zu sein, appellieren die Krankenhäuser an den Gesetzgeber, zeitnah die folgenden Vorkehrungen zu treffen:

  • Vorhaltung eines aktuellen, erregerunabhängigen Pandemieplans der Länder unter Beteiligung der Krankenhäuser
  • Finanzielle Sicherstellung pandemierelevanter Krankenhauskapazitäten (Notfallreserve)
  • Ausreichende Kapazitäten zur Produktion von Arzneimitteln, Impfstoffen und Schutzausrüstungen durch Förderung der Produktion in der Europäischen Union
  • Ausbau der bilateralen, grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den Grenzregionen
  • Ausbau und Förderung ausreichender Laborkapazitäten mit Berücksichtigung im Pandemieplan
  • Errichtung einer Landesreserve für Schutzausrüstung
  • Dauerhafte Etablierung einer datenschutzrechtlich abgesicherten, digitalen Tracking-Lösungen mit kurzfristigen Aktivierungsmöglichkeiten (analog der Corona-Warn-App)
  • Zum Schutz der Patientinnen und Patienten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser müssen die Indikationsstellung und die Finanzierung der Covid-Tests auch in Zukunft unbefristet, niedrigschwellig und kostendeckend ausgestaltet sein.

In diesem Kontext müssen auch die bisherigen Preisbildungsmechanismen insbesondere im Bereich der Medizinprodukte und Arzneimittel einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Fokussierung auf Niedrigstpreise hat den Aspekt der dauerhaften Beschaffungssicherheit sträflich außer Acht gelassen und die zu Beginn der Krise aufgetretenen Lieferengpässe massiv befördert.

4. Eckpunkte für eine grundlegende Reform der medizinischen Versorgung 

Politik, Wissenschaft, Kostenträger, Ärzte und Krankenhäuser waren sich schon vor der Corona-Pandemie grundsätzlich darüber einig, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen der medizinischen Versorgung in Deutschland einer grundlegenden Überarbeitung bedürfen. Deutschlands Krankenhausträger haben die Politik im Bund und in den Ländern daher bereits im Herbst 2019 aufgefordert, einen Nationalen Gipfel zur geordneten Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung einzuberufen. Die Corona-Pandemie vermindert den skizzierten Handlungsbedarf nicht, verändert aber zweifellos den Blick auf die prioritären Zielsetzungen einer leistungsfähigen Krankenhausstruktur.

Die Krankenhäuser halten es für dringend geboten, die Erkenntnisse aus der Pandemie in die bereits bestehenden Strukturüberlegungen einfließen zu lassen und jetzt die Weichen für die zukünftige Ausgestaltung der medizinischen Versorgung in Deutschland zu stellen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und ihre Mitgliedsverbände sind ausdrücklich dazu bereit, sich auch in schwierige Strukturdiskussionen einzubringen und damit die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung im Rahmen ihrer Möglichkeiten verantwortlich mit zu gestalten. Der Abbau von nachweisbar nicht bedarfsnotwendigen Kapazitäten, Standortzusammenführungen und im konkreten Einzelfall auch Standortschließungen sind ebenso Teil dieser Strukturentwicklungen wie der Erhalt, die Stärkung und inhaltliche auch sektorenübergreifende Weiterentwicklung von Standorten in Regionen mit Versorgungsdefiziten zur Sicherung der sozialen  Daseinsvorsorge und bundesweit gleichwertiger Lebensverhältnisse.

Woran muss sich die Reform messen lassen?

Die Weiterentwicklung und zukünftige Ausgestaltung der medizinischen Versorgung muss sich am objektiven Versorgungsbedarf in den Regionen und an den berechtigten Erwartungen der Patienten und Versicherten messen lassen. Dies heißt konkret:

  • Qualitativ hochwertige und sichere Versorgung: Die Patienten müssen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, dass sie eine qualitativ hochwertige und sichere medizinische Versorgung erhalten.
  • Flächendeckende, sektorenübergreifende Versorgung: Die Patienten möchten wohnortnah behandelt werden und sich umfassend über die Behandlungsmöglichkeiten und die Qualität der Leistungen informieren können. Darüber hinaus erwarten die Patienten, dass das Zusammenspiel von stationärer und ambulanter Versorgung, Rehabilitation und Pflege reibungslos funktioniert.
  • Effiziente Versorgung („Gebot der Wirtschaftlichkeit“): Die für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung stehenden Mittel sind begrenzt. Die Versicherten erwarten daher einen bedarfsgerechten (wirtschaftlichen) Einsatz der Mittel und die Vermeidung von Fehlallokation (keine Ressourcenverschwendung zum Beispiel durch Bürokratie).

 Was schlagen die Krankenhäuser vor?

  • Regionale Versorgungsnetzwerke als zentrales Leitbild: In einem föderal organisierten Gesundheitssystem können die Versorgungsqualität und die Erwartungen der Patientinnen und Patienten an die medizinische Versorgung durch die Förderung und Etablierung regionaler krankenhauszentrierter Versorgungsnetzwerke verwirklicht werden. Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass gestufte und sektorenübergreifende regionale Versorgungsangebote leistungsfähig und flexibel auf die Herausforderung der Pandemie reagieren können. Die Krankenhäuser übernehmen in den regionalen Versorgungsnetzwerken die Sicherstellung der voll- und teilstationären Versorgung. Darüber hinaus bieten sie weitere ambulante und stationsäquivalente Behandlungsmöglichkeiten (einschließlich ambulante spezialfachärztliche Versorgung, Institutsermächtigungen usw.). Im Bereich der ambulanten Notfallversorgung sind bestehende regionale Kooperationen weiter auszubauen und zu fördern. Von starren (bundeseinheitlichen) Vorgaben zur Ausgestaltung der ambulanten Notfallversorgung ist abzusehen. Die Zusammenarbeit der Krankenhäuser erfolgt versorgungsstufenübergreifend und umfasst sektorenübergreifend auch den engen Austausch mit Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Heilmittelerbringern, Pflege- und Reha-Einrichtungen.
  • Föderale Verantwortung vor Zentralismus: Die Länder müssen auch in Zukunft für die Gewährleistung der flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung verantwortlich sein (Krankenhausplanung einschließlich Investitionsförderung). Um integrierte sektorenübergreifende Behandlungen etablieren zu können, muss sich diese Zuständigkeit nicht nur wie bisher auf den klassisch stationären Bereich, sondern auch auf die Planung bzw. Zulassung im ambulanten Bereich erstrecken. Aus Krankenhausplanung muss sektorenübergreifende Versorgungsplanung werden.
  • Bedarfsgerechte Personalausstattung: Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, insbesondere in der Pflege, droht in den kommenden Jahren der entscheidende limitierende Faktor in der Versorgung zu werden. Die Personalsituation zu verbessern sollte daher im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Überlegungen stehen. Die Fokussierung auf einzelne Berufsgruppen kann die Problematik nicht lösen. Stärkere Beachtung sollte ein angemessener Qualifikationsmix in den Krankenhäusern finden, um die Versorgung auf qualitativ hohem Niveau aufrechterhalten zu können. Ebenso dringend erforderlich, um die Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft zu verbessern, sind die Gewinnung von mehr Menschen für den Pflegeberuf, die Nutzung der Mehrwerte der Digitalisierung und dadurch die Entlastung der Pflegekräfte. In ihrer jetzigen Form sind die Pflegepersonaluntergrenzen durch das von der DKG, dem Deutschen Pflegerat und ver.di konzipierte Pflegepersonalbedarfsbemessungsinstrument (PPR 2.0) zu ersetzen.
  • Nachhaltige Investitionsfinanzierung: Die Verantwortung der Länder für eine auskömmliche Investitionsfinanzierung ergibt sich unmittelbar aus ihrer Verantwortung für eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung (s. o.). Mindestwert für das Volumen der Investitionsförderung sollte der aus den Berechnungen des InEK ableitbare, jährliche Investitionsbedarf der Krankenhäuser in Höhe von derzeit rund 7 Mrd. €, erweitert um den Investitionsbedarf für die Digitalisierung und den gesonderten Investitionsbedarf der Universitätskliniken, sein.
  • Weiterentwicklung der Vergütungssysteme: Die Reform der ambulanten und stationären Vergütungssysteme ist eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Reform der medizinischen Versorgung. Die Pandemie hat gezeigt, dass die Daseinsvorsorgefunktion der Krankenhäuser über die von der Fallzahl und der Fallschwere abhängige Finanzierung der Krankenhausleistungen alleine nicht gewährleistet werden kann. Die Krankenhäuser haben bereits in den vergangenen Jahren auf grundsätzlichen Reformbedarf des bestehenden Vergütungssystems hingewiesen. Erforderlich ist eine Finanzierungsreform, die Vorhalteleistungen für Krankenhäuser besser berücksichtigt und die Umsetzung des Versorgungsleitbildes der kooperativen Netzwerkstrukturen innerhalb des stationären Versorgungsspektrums auf Grundlage einer umfassenden Digitalisierung ermöglicht.
  • Ausschöpfen der Potentiale der Digitalisierung: Nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in fast allen anderen Gesellschaftsbereichen hat die Pandemie der Digitalisierung einen deutlichen Schub gegeben. Gleichzeitig wurde offenkundig, dass das immense Potential der Digitalisierung bislang nur ansatzweise ausgeschöpft werden konnte. Zur Förderung der Digitalisierung ist ein breites Bündel an Maßnahmen zwingend erforderlich. Eine Digitalisierung, die sektorenübergreifende Versorgungsprozesse unterstützen soll, setzt nicht nur auskömmliche Finanzierung der erforderlichen Investitions- und Betriebskosten, sondern insbesondere auch eine sektorenübergreifende Standardisierung voraus, verbunden mit einer digitalen Unterstützung der kommunikativen Vernetzung von Versorgung und Organisation sowie dem Ausbau digitaler Kompetenzen mit einer zwingenden Orientierung an den Nutzerbedürfnissen von Patienten und Mitarbeitern.
  • Abbau von Bürokratielasten: Die befristete Befreiung der Krankenhäuser von zahlreichen Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen (einschließlich der damit verbundenen Kontroll- und Sanktionsmechanismen) während der Pandemie hat das Personal spürbar entlastet und muss entfristet werden. Um die Bürokratielasten der Krankenhäuser dauerhaft und nachhaltig auf das notwendige Minimalmaß zu  beschränken, bedarf es aus Sicht der Krankenhäuser einer breit angelegten, konzertierten Aktion von Politik, Kostenträgern und Krankenhäusern.