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Politik

Zu den BMG-Eckpunkten zur Reform der Notfallversorgung

Zu den BMG-Eckpunkten zur Reform der Notfallversorgung

Jedes Jahr suchen rund elf Millionen Menschen die Ambulanzen der Krankenhäuser auf, um Hilfe zu erhalten, die sie im niedergelassenen Bereich offenbar nicht erhalten. Die Probleme der ambulanten Notfallversorgung sind seit Jahren ungelöst und stellen für die Kliniken sowohl eine hohe personelle als auch finanzielle Belastung dar.

Jens Spahn macht Druck: Der Bundesgesundheitsminister will die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform der ambulanten Notfallversorgung bald schon unter Dach und Fach wissen. Er will das System fundamental neu strukturieren – und legte im Dezember 2018 Eckpunkte vor, wie dies organisiert werden sollte. Die vorgestellten Eckpunkte basieren weitgehend auf den Vorschlägen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Ein Referentenentwurf zur Umsetzung der Eckpunkte lag bei Redaktionsschluss zu dieser Ausgabe Ende April 2019 noch nicht vor.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat nun umfassend und detailliert zu dem Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums zur Reform der Notfallversorgung Stellung genommen.

Bundesgesundheitsminister Spahn sieht in den „Eckpunkten“ die Krankenhäuser als die zentralen Örtlichkeiten für die Erbringung der ambulanten Notfallleistungen vor. Die bislang von den ambulanten Bereitschaftspraxen außerhalb der Krankenhäuser erbrachten Leistungen würden damit perspektivisch in die Krankenhäuser zu überführen sein. Diese grundsätzliche Zuordnung wird von den Krankenhäusern begrüßt. Sie entspricht der Realität der bereits heute zu über 50 % in den Krankenhäusern stattfindenden Versorgung.

Mehr als die Hälfte der ca. 20 Millionen in Deutschland betreuten ambulanten Notfälle (etwa 10,5 Mio.) suchen Hilfe in den Krankenhäusern. Die bislang von Bereitschaftspraxen der niedergelassenen Ärzte versorgten Patienten in die Krankenhausambulanzen zu überführen macht den Ausbau entsprechender Kapazitäten erforderlich. Deshalb begrüßen die Krankenhäuser, dass mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz Mittel aus dem Investitionsfonds für den Aufbau von ambulanten Notfallkapazitäten in den Krankenhäusern bereitgestellt werden sollen.

Die mit den Eckpunkten vorgesehene Aufteilung der zukünftigen ambulanten Notfallstrukturen innerhalb des Krankenhauses in einen KV-gesteuerten Leistungsbereich und einen den klassischen Notfallstrukturen der Krankenhäuser zugeordneten Bereich führe jedoch nicht zu einer Verbesserung der Versorgungsstrukturen. Vielmehr werde mit diesem Ansatz eine Zuordnung von Patienten vorgenommen und eine künstliche Trennlinie gezogen, die offensichtlich das Ziel hat, die bislang von niedergelassenen Ärzten versorgten Patienten dem KV-System auch in Zukunft zuzuordnen. Damit würden Doppelstrukturen und Doppelvorhaltungen geschaffen. Patienten, die zu den Schließungszeiten der Praxen in die Krankenhäuser kommen, können und müssen ohne eine künstliche Unterscheidung ambulante, diagnostische und therapeutische Hilfe erhalten. Die Triagierung erfolgt über integrierte Anlaufstellen, die, soweit möglich und vertretbar, auch Zuordnungen auf Vertragspraxen außerhalb des Krankenhauses vornehmen. Die DKG begrüßt, dass eine qualifizierte Ersteinschätzung bereits durch gemeinsame Notfallleitstellen über die Rufnummern 112 und 116 117 vorgesehen ist.

„Regionale Besonderheiten erfordern unterschiedliche Versorgungsmodelle.“

Ausdrücklich wird zudem begrüßt, dass die ambulante Notfallversorgung in Deutschland durch Krankenhäuser und niedergelassene Vertragsärzte unter gemeinsamer Nutzung von Ressourcen aufeinander abgestimmt werden sollen. Regionale Besonderheiten erforderten dabei unterschiedliche Versorgungsmodelle. Daher seien bestehende regionale Kooperationen weiter auszubauen und zu fördern. Von starren (bundeseinheitlichen) Vorgaben zur Ausgestaltung der ambulanten Notfallversorgung ist abzusehen, so die DKG. Die konkrete regionale Ausgestaltung in kooperativer Form sei vor Ort zu regeln. Dafür tragen die KV und die Krankenhäuser gemeinsam die Verantwortung. Die Letztverantwortung für die ambulante Notfallversorgung sollte das Land tragen – und entsprechende Eingriffsmöglichkeiten erhalten, um Versorgungslücken schließen zu können. Wichtig sei, dass die alleinige Organisationshoheit des Krankenhauses über die von ihm verantwortete Versorgungsstruktur unbeschadet bleibt. Aus Sicht der DKG sind INZ freiwillige Kooperationsformen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten, die abgestufte Notfallversorgungsangebote innerhalb des Krankenhauses ermöglichen.

„Die Verpflichtung zum Betrieb von integrierten Notfallzentren in gemeinsamer Trägerschaft mit den KVer ist ein Eingriff in die Organisationshoheit der Krankenhäuser.“

Die Verpflichtung zum Betrieb von integrierten Notfallzentren in gemeinsamer Trägerschaft mit den Kassenärztlichen Vereinigungen sei hingegen ein Eingriff in die Organisationshoheit der Krankenhäuser und als solcher abzulehnen. Die Einführung von INZ als dritter Versorgungsbereich darf zudem nicht auf Patienten erstreckt werden, die letztlich stationär aufgenommen werden. Völlig abwegig sei die Ausweisung von INZ als ein der stationären Versorgung vorgeschalteter Leistungssektor. Für letztlich stationär aufzunehmende Patienten wären hochkomplizierte Kostenverrechnungen erforderlich. Deshalb müssen die ambulanten Notfallleistungen im Krankenhaus über ein eigenständiges Vergütungssystem refinanziert werden.

Die im Konzept des Sachverständigenrates zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, Krankenhäuser würden Patienten aus den Notfallambulanzen ohne medizinische Notwendigkeit der kostenintensiveren stationären Versorgung zuführen, kann als Argument für die Einbeziehung des KV-Systems in die ambulanten Notfallversorgung in den Krankenhäusern nicht akzeptiert werden. Die Installierung von KV-Strukturen in Krankenhäusern quasi als Vorprüfstelle basiere auf einem ungebührlichen Vorwurf, gegen den sich die Krankenhäuser verwahren.

Die Überführung der bislang außerhalb der Krankenhäuser erbrachten ambulanten Notfallleistungen in die Krankenhäuser und damit die Schaffung von Behandlungskapazitäten für ca. acht Millionen Fälle erfordert einen mittelfristig zu projizierenden Umstrukturierungsprozess. Dabei sind die Krankenhäuser wie bereits heute selbstverständlich bereit, leistungswillige niedergelassene Ärzte als Vertragspartner einzubeziehen, heißt es in der Stellungsnahme der DKG.

Allerdings müsse gewährleistet sein, dass an der Notfallversorgung mitwirkende Vertragsärzte die Qualifikationsanforderungen erfüllen. Aus Sicht der DKG gibt es insofern keinen Grund, funktionierende Portalpraxis- bzw. Notdienststrukturen an Krankenhäusern in integrierte Notfallzentren umzuwandeln. Mit dem Konzept der integrierten Notfallzentren sei offensichtlich ein Abbau der dezentral über mehr als 1 000 Krankenhausstandorte heute gegebenen ambulanten Notfallversorgung beabsichtigt. Die Zentrierung auf einige ausgewählte Krankenhäuser würde zu einer räumlichen Ausdünnung der ambulanten Notfallversorgung für die Bevölkerung führen. Dies hätte zudem zur Folge, dass Patienten von nicht zugelassenen Krankenhäusern abgewiesen werden müssten. Dies ist aus haftungsrechtlichen Gründen, aber auch aus versorgungspolitischen Gründen nicht zu rechtfertigen.

Deshalb lehnt die DKG die mit dem Konzept vorgesehene Konzentration der ambulanten Notfallleistungen auf eine begrenzte Zahl von Krankenhausstandorten ab.

Ausdrücklich zu begrüßen ist demnach die in den Eckpunkten vorgesehene eigenständige Vergütung von ambulanten Notfallleistungen an Krankenhäusern bzw. INZ, herausgelöst aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) und von den gesetzlichen Krankenkassen direkt den Krankenhäusern zu vergüten. Dabei können auf Kostenstrukturen von Einzelpraxen ausgerichtete EBM-Vergütungen nicht die Grundlage für die Vergütungsreform sein. Um eine sachgerechte Vergütung zu gewährleisten, ist die Vergütung der Notfallleistungen zweiseitig zwischen der DKG und dem GKV-SV bundeseinheitlich zu vereinbaren. Eine Vermischung von stationären und ambulanten Leistungsbereichen und infolgedessen von DRG-Fallpauschalen mit der Vergütung von ambulanten Leistungen sei zwingend zu vermeiden. Die damit verbundenen komplizierten Verrechnungen, für die es derzeit keine Datenbasis gebe, seien weder wünschenswert noch praktisch umsetzbar. Die im BMG-Konzept vorgesehene Ausgliederung von Finanzierungsanteilen aus der DRG-Vergütung sei daher völlig inakzeptabel.

„Die vorgesehene Ausgliederung von Finanzierungsanteilen aus der DRG-Vergütung ist inakzeptabel.“

Ambulante Behandlungskosten sind in den Fallpauschalen nicht einkalkuliert und können auch nicht ausgegliedert werden. Um den regionalen Anforderungen und Ausprägungen der Kooperationsmodelle von Krankenhäusern und KV-Notdiensten bzw. -Notdienstpraxen Rechnung zu tragen, kann die bundeseinheitliche Notfallvergütung durch zwischen den Krankenhaus-Landesverbänden und den Verbänden der Krankenkassen getroffenen Vereinbarungen ergänzt werden.

Die Krankenhäuser begrüßen, dass das BMG-Konzept die Bundesländer in die Steuerung und Entscheidung ambulanter Notfallstrukturen einbindet. Die Aufgabenzuweisung an die Länder sollte jedoch eine andere Ausrichtung haben, da zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich berechtigte Leistungserbringer sind. Die Aufgabe der Länder muss damit die letztverantwortliche Steuerung der Notfallversorgung sein, sodass diese dort eingreifen, wo eine flächendeckende Notfallversorgung nicht ausreichend gewährleistet ist.

Im Ergebnis stellt die in den Eckpunkten vorgesehene Konzeption zur ambulanten Notfallversorgung

 

– mit INZ als zwingend mit den KVen zu betreibende Einrichtungen in Krankenhäusern (negativer Betrieb-im-Betrieb-Effekte),

 

– mit der Zuordnung der INZ auf eine begrenzte Zahl von Krankenhausstandorten und damit der Ausdünnung der ambulanten Notfallversorgungsmöglichkeiten für die Patienten,

 

– mit der Kürzung von stationären Fallpauschalen-Mitteln zur Refinanzierung der ambulanten INZ-Leistungen

kein Modell dar, das die aktuellen Probleme der ambulanten Notfallversorgung löst, sondern eher noch verschärft. Hohem bürokratischem Aufwand stünden keine Versorgungsverbesserungen gegenüber.

Die Krankenhäuser schlagen demgegenüber eine Weiterentwicklung und Vertiefung des Kooperationsmodells mit der grundlegenden Ausrichtung auf Krankenhäuser als Zentren der ambulanten Notfallversorgung vor.

Regelungen der Eckpunkte im Einzelnen

„KVen und Krankenhäuser erhalten den Auftrag, künftig integrierte Notfallzentren (INZ) in vom Land im Rahmen der Krankenhausplanung bestimmten Krankenhäusern (Notfallversorgungsplanung) einzurichten und zu betreiben. Hierbei haben sie die Anforderungen des G-BA gemäß Beschluss vom 19. April 2018 über das Notfallstufensystem in Krankenhäusern zu berücksichtigen. Die INZ sind erste Anlaufstelle für alle gehfähigen Notfallpatienten sowie Patienten, die dem INZ von der Notfallleitstelle zugewiesen wurden, und können auch direkt vom Rettungsdienst angesteuert werden. Bestehende Bereitschaftsdienst- und Portalpraxen werden sukzessive vollständig in das INZ überführt.“

 Bewertung DKG:

Die Verlagerung der ambulanten Notfallversorgung an die Krankenhäuser wird ausdrücklich begrüßt. Damit wird die Konsequenz aus dem tatsächlichen Inanspruchnahmeverhalten der Patienten gezogen, die in hohem Maße Krankenhäuser im Rahmen der ambulanten Notfallversorgung aufsuchen: So werden pro Jahr zwischen zehn und elf Millionen ambulanter Notfälle an den Krankenhäusern versorgt (MCK/DGINA 2015; DKI 2017). Die Krankenhäuser sind wesentlicher Bestandteil der ambulanten Notfallversorgung.

In den Eckpunkten wird den Ländern eine aktive Rolle in der Planung ambulanter Versorgungsmöglichkeiten zugeordnet. Der Ansatz, dass die Länder zusätzlich zur stationären Versorgungsplanung ambulante Leistungen planen sollen und damit aktiv in die ambulante Versorgung eingreifen können, wird ausdrücklich begrüßt. Jedoch sollte der Fokus der Aufgabenzuweisung eine andere Ausrichtung haben. Wenn regional zwischen einem Krankenhaus und der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Versorgungsstrukturen kooperativ abgestimmt sind, sollten diese regionalen Konzepte aus Versorgungsgesichtspunkten auch beibehalten werden. Erst wenn eine regionale ambulante Notfallversorgung nicht gewährleistet ist bzw. dauerhaft nicht gewährleistet werden kann, sollten die Länder aktiv in die Versorgung eingreifen können. Damit obliegt den Ländern die Letztverantwortung in der Steuerung der Notfallversorgung.

Die vorgesehene Verpflichtung zum Betrieb von INZ in gemeinsamer Trägerschaft mit den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) ist grundsätzlich ein Eingriff in die Organisationshoheit der Krankenhäuser und entschieden abzulehnen. Folge wäre eine Neuzuordnung bislang dem Krankenhausbereich zugehöriger Versorgungsbereiche in eine neue, zu etablierende Organisationsform.

Hinzuweisen ist auch auf die Versorgung nicht gehfähiger, jedoch ambulant behandelbarer Patienten. Die Versorgung immobiler Patienten (etwa in Pflege- bzw. Altenheimen), muss weiterhin durch den fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst erfolgen. Dies bedeutet aber, dass parallel eine entsprechende Versorgung weiterzuführen ist, da der Transport solcher Patienten in die INZ aufwendig, kostenintensiv und aus medizinischen Gesichtspunkten heraus nicht zwingend zweckmäßig wäre.

„In den INZ werden eine zentrale Anlaufstelle („Ein-Tresen-Prinzip“), der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV und die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses integriert.“

 Bewertung DKG:

Die beabsichtigte Regelung greift bereits bestehende Strukturen der Krankenhäuser auf. So erfolgt bereits jetzt eine Zuordnung der Patienten in ein ambulantes oder stationäres Behandlungssetting mittels zentraler Anlaufstelle (Tresenmodell) in den Krankenhäusern, wobei die Anlaufstellen vielfach durch Krankenhauspersonal bedient werden.

Jedoch liegt der Regelungsfokus auf einer Zusammenführung von Krankenhaus und KV-Strukturen in einer dritten Versorgungseinheit. Die vorgesehene Verpflichtung zum Betrieb von INZ in gemeinsamer Trägerschaft mit den Kassenärztlichen Vereinigungen muss jedoch kritisch gesehen werden. So obliegt der KV als Verwaltungseinheit die administrative Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, indem sie die Rahmenbedingungen für die in ihr organisierten Ärzte gestaltet. Durch die verpflichtende Einbeziehung der KV wird diese institutionell in die Versorgung einbezogen und eigenständiger medizinischer Versorgungsträger, mit der Folge, dass damit eine Neuzuordnung bislang dem Krankenhausbereich zugehöriger Versorgungsbereiche in eine neue, zu etablierende Organisationsform erfolgt. Damit erfolgt zunächst nichts weiter als ein fiktiver Aufbau von Versorgungseinheiten, deren grundsätzliche Funktionen bereits jetzt (ohne Zwangseinbindung der KV) in den Krankenhäusern existieren. Denn bestehende Elemente der ambulanten Notfallversorgung (ärztlicher Bereitschaftsdienst sowie zentrale Notaufnahme) sollen lediglich in einer neuen (Rechts-)Form zusammengefasst und um eine zentrale Anlaufstelle ergänzt werden. Weder die Ansiedlung von Notdienstpraxen noch zentrale Anlaufstellen, die in den Notaufnahmen der Krankenhäuser fundierte Ersteinschätzungen vornehmen, sind neu. Neu ist lediglich ein in der praktischen Umsetzung kompliziertes und aufwendiges Konstrukt.

Inwiefern dieser neue Versorgungsbereich Vorteile für die Versorgung mit sich bringt, bleibt unklar. Vielmehr kann von Abgrenzungs- und Umsetzungsproblemen ausgegangen werden. So müssen beispielsweise sachliche und personelle Leistungen des Krankenhauses, die im INZ nicht vorhanden sind, eingekauft werden.

Die Vergütung der INZ-Leistungen erfolgt über ein gesondertes Vergütungssystem, das mit einer uneinheitlichen INZ-Struktur deutschlandweit konfrontiert sein wird. Die Auswirkungen auf die bestehenden Vergütungssysteme (EBM, GOÄ, DRG) sind weitreichend und nicht überschaubar. Nicht vergessen werden sollten Kompetenz- und Ausgleichsregelungen zwischen den Trägern des INZ. Die Folge ist der Aufbau einer (Versorgungs-) Doppelstruktur mit weitreichenden Konsequenzen in der Organisation und Abgrenzung.

Offen ist auch, ob die KV für den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst der INZ dauerhaft entsprechend qualifiziertes Personal stellen kann, denn nicht alle Fachrichtungen sind im Notfall grundsätzlich für die allgemeine Versorgung geeignet. Bislang werden in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser die im Notfall notwendigen Fachrichtungen vorgehalten. Dies muss auch weiterhin gewährleistet werden.

Die Einführung eines dritten Versorgungsbereichs würde zudem eine Vielzahl an unterschiedlichen rechtlichen Problemen nach sich ziehen. So ist unklar, welche Rechtsform für die Träger eines INZ grundsätzlich zulässig ist. Insgesamt birgt eine eigenständige Versorgungs- und Rechtsform (etwa einer gGmbH) aus arbeitsrechtlicher Sicht Probleme, gerade im Hinblick auf die Arbeitnehmerüberlassung. So fungiert das Krankenhaus gleichzeitig als Arbeitgeber bzw. Entleiher und andererseits als Arbeitgeber und Verleiher. Vollkommen offen sind damit tarifvertragliche Fragestellungen, da beim (identischen) Arbeitgeber möglicherweise unterschiedliche (tarifvertragliche) Arbeitsbedingungen und Arbeitsentgelte für dieselben Arbeitnehmer anfallen. Berührt werden hierüber gleichfalls tarifvertragliche Nebenerwerbstätigkeitsregelungen angestellter Krankenhausärzte. Aus diesem Grund sind die INZ nicht als eigenständige Versorgungseinheiten in eigenständiger Rechtsform zu etablieren. Ausreichend ist vielmehr ein schuldrechtlicher Kooperationsvertrag, in welchem die rechtlichen Fragen der Zusammenarbeit geregelt werden können, wie dies bei den bestehenden Kooperationen zwischen Krankenhaus und kassenärztlicher Vereinigung bereits erfolgt.

„Durch die zentrale Anlaufstelle im INZ erfolgt entweder die Überprüfung der 1. Triage der Notfallleitstelle, oder eine erstmalige Triagierung mit Zuweisung des Patienten in die richtige Versorgungsebene. In der Anlaufstelle ist daher zu entscheiden, ob der Patient im Rahmen einer Erstversorgung behandelt werden kann, er einer sofortigen weitergehenden Untersuchung im Krankenhaus bedarf, eine unmittelbare stationäre Behandlung im Krankenhaus erforderlich ist, oder ob der Patient – ggf. nach einer Stabilisierung der gesundheitlichen Situation – an eine Vertragsarztpraxis verwiesen werden kann.

Nach der Triagierung durch die zentrale Anlaufstelle erfolgt dann abhängig vom Behandlungsbedarf entweder eine weitergehende Untersuchung oder Behandlung im Krankenhaus, ggf. mit stationärer Aufnahme oder der Verweis an eine Vertragsarztpraxis.“

 Bewertung DKG:

Dass in der Anlaufstelle, d. h. am Tresen, eine bereits vorgenommene Triage (und damit die Zuordnung zu einer Versorgungsebene) erneut erfolgen sollte, ist nachvollziehbar, da zwischen einer telefonisch getroffenen Einschätzung zur Behandlungsnotwendigkeit und dem Eintreffen im Krankenhaus eine Änderung des Gesundheitszustandes eintreten kann. Liegt noch keine Ersteinschätzung zur Behandlungsnotwendigkeit vor, erfolgt diese erstmals in der Anlaufstelle. Im Ergebnis wird in der Anlaufstelle entschieden, welche Versorgungsschritte folgen. Daraus abgeleitet, ist ärztliche Kompetenz in der Anlaufstelle notwendig. Dies auch vor dem Hintergrund, da in der Anlaufstelle diagnostische Leistungen initiiert werden können. Die Ergebnisse dieser Diagnostik sind dann in der Anlaufstelle Teil der weiteren medizinischen Entscheidung, wobei diese Entscheidung offenbar zunächst keine direkten therapeutischen Maßnahmen nach sich zieht, sondern allein der Zuordnung zur weiteren ambulanten oder stationären Behandlung dient. Die eigentliche Therapie erfolgt in den der Anlaufstelle nachgelagerten Bereichen. Es sollte jedoch jederzeit eine Einzelfallabwägung möglich sein, ob nach erfolgter Erstdiagnostik die vorgesehene Vorstellung in einer Praxis und damit eine doppelte Inanspruchnahme wirtschaftlich und ethisch vertretbar ist, wenn eine kleinere medizinische Maßnahme (zum Beispiel Medikation) den Fall abschließen kann.

Vor dem Hintergrund der personellen Ressourcen ist offen, ob hierfür überhaupt eine ausreichende ärztliche Personalbesetzung einer unabhängigen weiteren (dritten) medizinischen Entscheidungseinheit gewährleistet werden kann oder ob nicht – durch weitgehenden Rückgriff auf das Personal des Krankenhauses – die vorzusehende Strukturierung allein schon aus diesem Grund nicht umsetzbar erscheint. Denn im Krankenhausbereich (auch ohne ärztlichen Bereitschaftsdienst bzw. Portalpraxis) erfolgt bereits nach Triagierung vor Ort entweder eine ambulante Erstversorgung bzw. Stabilisierung des Gesundheitszustandes mit ggf. notwendiger Durchführung sofortiger Untersuchungen oder es wird eine stationäre Aufnahme initiiert. Folglich findet das in den Eckpunkten dargelegte Vorgehen (Triagierung mitsamt Entscheidung der notwendigen Versorgung) in den Krankenhäusern bereits heute schon statt, wie auch dem „Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus“ (MCK/DGINA 2015) entnommen werden kann.

Für die Krankenhäuser findet überdies eine Entlastung dann statt, wenn unkomplizierte Fälle, die die Ressourcen des Krankenhauses nicht benötigen, durch den vertragsärztlichen Bereich versorgt werden können. Die Etablierung eines weiteren Steuerungsbereiches wirkt damit nicht primär entlastend. Dies bedeutet, dass eine Weiterleitung dieser Fallkonstellationen zu den Sprechstundenzeiten notwendigerweise voraussetzt, dass vertragsärztliche Leistungserbringer die Patienten jederzeit behandeln können. Sofern dies durch die niedergelassenen Ärzte nicht gewährleistet werden kann, ist davon auszugehen, dass die Patienten aufgrund ihrer Beschwerden erneut vorstellig werden.

„Steuerung des Patientenzutritts in stationäre Notfalleinrichtungen durch geeignete Instrumente. Soweit möglich sollen Patienten motiviert werden, im Notfall nur solche Krankenhäuser aufzusuchen, an denen INZ eingerichtet sind, da nicht an allen Krankenhäusern INZ eingerichtet werden können und sollen.“

Bewertung DKG:

Die Steuerung des Patienten kann und darf nicht dazu führen, dass Krankenhäuser ohne INZ Patienten abweisen müssten. Denn Patienten müssen jederzeit die Möglichkeit haben, in einer (subjektiv empfundenen) Notfallsituation die Notaufnahme eines Krankenhauses aufzusuchen, um dort untersucht und gegebenenfalls behandelt zu werden. Der Patient kann nicht weggeschickt werden. Eine alleinige Weiterleitung ohne die notwendige Diagnostik in eine andere Versorgungsform kann schon aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erfolgen. Außerdem erwartet der Patient zu Recht, dass er Hilfe in seiner Notfallsituation erhält.

„Zur Vergütung der künftigen Notfallversorgung in den INZ schließen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam Verträge. Die Vergütung der Leistungen der INZ ist orts- und betreiberunabhängig zu gestalten und setzt sich aus einer Grundpauschale und einer Vergütung pro Fall zusammen. Die Leistungen werden dem INZ unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Die Vergütung der INZ erfolgt extrabudgetär. Die Refinanzierung erfolgt durch Bereinigungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung und der Klinikbudgets.“

 Bewertung DKG:

Die Leistungsabrechnung direkt gegenüber den Krankenkassen vorzunehmen und die Vergütung eigenständig zu regeln, ist ausdrücklich zu begrüßen.

Insgesamt ist die Zuordnung der ambulanten Leistungsvergütung zur MGV nicht sachgerecht. Daher sind die ambulanten Notfallleistungen aus der MGV auszugliedern, was in den Eckpunkten auch vorgeschlagen wird.

Um eine sachgerechte Vergütung zu gewährleisten und den grundlegenden methodischen Problemen, die sich aufgrund der bisherigen Integration von Notfallleistungen der Krankenhäuser in den EBM ergeben, zu begegnen, ist die Vergütung der Notfallleistungen der Krankenhäuser nicht mehr dreiseitig im ergänzten Bewertungsausschuss festzulegen, sondern zweiseitig zwischen der DKG und dem GKV-SV zu vereinbaren. Hierfür ist eine eigenständige rechtliche Grundlage notwendig. Die gesetzliche Verankerung einer solchen Regelung kann gesetzestechnisch durch Einführung eines „§ 115e SGB V – Notfallbehandlung im Krankenhaus“ und eine Ergänzung des „§ 39 SGB V – Krankenhausbehandlung“ umgesetzt werden.

Absolut nicht nachvollziehbar und inakzeptabel ist es, aus stationären Vergütungsmitteln nach KHG Vergütungsanteile für ambulante Leistungen auszugliedern. Da das KHG keine ambulante Leistungsvergütung kennt, kann keine Bereinigung der stationären Entgelte erfolgen.

Auch ergeben sich aus der beabsichtigten Regelung einer spezifischen Vergütung von INZ-Leistungen Ungleichheiten, die abzulehnen sind. So können diejenigen Krankenhäuser, die Notfallleistungen ohne INZ erbringen, die auf Landesebene zu vereinbarende Vergütung nicht abrechnen. Daraus folgt, dass diese für dieselben Leistungen andere Vergütungen erhalten als diejenigen Krankenhäuser mit INZ, d. h. für identische Leistungen erfolgt eine unterschiedliche Vergütung. Dies steht dem Grundsatz „gleiches Geld für gleiche Leistungen“ entgegen. Die ambulanten Notfallleistungen an Krankenhäusern sind daher unabhängig davon, ob diese im INZ stattfinden, bundeseinheitlich zu vergüten. Eine den regionalen Besonderheiten Rechnung tragende zusätzliche Vergütungskomponente, die zwischen den Landeskrankenhausgesellschaften und den Landesverbänden der Krankenkassen zu vereinbaren sind, kann ergänzend vorgesehen werden.

das Krankenhaus Heft 5-2019, Copyright W. Kohlhammer GmbH Stuttgart