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Politik

Einigung ohne Konsens

Das DRG-System für 2020 steht. Aus knapp 1 300 Fallpauschalen sind die Pflegekostenanteile ausgegliedert worden. Das Casemix-Volumen des DRG-Systems ist von 20,5 Mio. € auf 16,2 Mio. € gemindert worden. Damit entfallen von den ca. 75 Mrd. € Erlösen über das DRG-System ca. 15 Mrd. € auf die Pflege am Bett. Der Fallpauschalenkatalog hat einen Trabanten bekommen, den Pflegeerlöskatalog. Jeder Fallpauschale werden Pflegebewertungsrelationen zugeordnet, die zu tagesgleichen Abzahlungen der Pflegekostenanteile führen. Angesichts der vielen hochkomplexen Regelungserfordernisse und der extrem kurzen Zeitvorgabe hat die gemeinsame DRG-Selbstverwaltung gezeigt, dass sie handlungsfähig ist. Für die Krankenhäuser beginnt allerdings eine Phase größter Anstrengungen im Rahmen der Umstellung – leider auch verbunden mit Unsicherheiten.

Umso wichtiger ist, dass Vorteile des neuen Systems nun auch spürbar werden. Die Finanzierung der Kosten für die am Bett eingesetzten Pflegekräfte erfolgt unabhängig von der Zahl der Patienten und der Art und Schwere der Behandlungen. Der hausindividuelle Personaleinsatz und die hausindividuellen Pflegepersonalkosten bestimmen das Pflegebudget. Der Anspruch auf die hundertprozentige Auszahlung kann auch nicht durch MDK-Kürzungen in Frage gestellt werden. Sämtliche Tarifkostensteigerungen werden finanziert. Bei der Pflege ist damit der Deckel weg – die Grundlohnrate bildet keine Obergrenze mehr – alles gut? Nicht nur.

Der zentrale Nachteil des Systems ist die vergütungstechnische Sektoralisierung innerhalb des Krankenhausbetriebes. Die zu führenden Nachweise über die Verwendung der Pflegeerlöse für die vordefinierten Pflegeaufwendungen schränken innerbetriebliche Dispositionsfreiheiten ein. Von vornherein Probleme haben diejenigen Krankenhäuser, die auf die Pflegekräfteknappheit mit dem Einsatz von Unterstützungspersonal und Investitionen reagiert haben. Die drei Prozent des Pflegebudgets, die für solche Aktivitäten zusätzlich geltend gemacht werden können, reichen nicht aus. Sie werden hoffentlich noch erhöht.

Ein systemisches Risiko besteht bei Inkongruenz. Sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach können Pflegekostenanteile aus den Fallpauschalen ausgegliedert worden sein, die vor Ort in den Verhandlungen mit den Kassen nicht in die Budgets eingebracht werden können. Bei der Zuordnung auf die Pflege am Bett und bei den anrechenbaren Mitarbeitergruppen gibt es Ermessensspielräume und damit Potenzial für Streitfälle. Vor allem in den neuen Bundesländern könnte das Lohngefälle dazu führen, dass die hausindividuellen Kosten geringer sind als die über die Landesbasisfallwerte erzielten Erlöse für die Pflege. Es wird Krankenhäuer geben, die von der 2 % Absenkungsschutzklausel Gebrauch machen müssen. Auch hier ist eine gesetzliche Begrenzung auf 1 % weiter zu fordern.

Neben systematischen Risiken gibt es politische Anfälligkeiten. Schon wird die versprochene volle Refinanzierung der Pflegeaufwendungen vom Gesetzgeber selbst wieder eingeschränkt. Leiharbeitskräfte in der Pflege sollen nur bis zur Höhe der Tarifkosten von Festangestellten im Pflegebudget berücksichtigt werden. Aus den Fallpauschalen wurden sie in voller Höhe ausgegliedert. Fair wäre die Rückbuchung der Bewertungsrelation. Größter politischer Makel des neuen DRG-Kataloges sind die völlig zu Unrecht ausgegliederten 200 Mio. € durch die Sachkostenkorrektur. Weil die Neuausrichtung der Pflegekostenfinanzierung als zentrales Element der Pflegestärkungsstrategie mit einem positiven Signal der Krankenhäuser gestartet werden soll, hat die DKG die Vereinbarungen für 2020 trotz dieser faktischen Kürzung mit dem Spitzenverband geschlossen. Damit verbunden wird die Erwartung, dass sich auch die Politik einer Nachkorrektur der zu hoch ausgegliederten Positionen im DRG-Katalog 2021 nicht verweigert. Die Kostenträger haben sich in diesem Punkt als nicht belastbare Partner gezeigt. Sie halten ohnehin nichts von der Neuausrichtung der Pflegekostenfinanzierung. Insofern konnte in der Selbstverwaltung über die umfassenste Reform des DRG-Systems seit dessen Einführung zwar eine Einigung, nicht aber Konsens erreicht werden.

Georg Baum

Hauptgeschäftsführer der DKG