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Editorial

Ambulant vor stationär - aber richtig!

Eines der großen gesundheitspolitischen Ziele ist der Vorrang ambulanter Behandlung als Alternative zu einem Krankenhausaufenthalt. Mit seiner Initiative zum Katalog ambulanter Operationen hat der Gesetzgeber diesem Ziel nochmals Nachdruck verliehen und den Versuch unternommen, die praktische Umsetzung zu befördern. Niemand, auch nicht die Deutsche Krankenhausgesellschaft, würde diesem grundsätzlich richtigen Anspruch widersprechen. Selbstverständlich ist es in aller Regel auch im Interesse der Patientinnen und Patienten, wenn notwendige Behandlungen, soweit medizinisch vertretbar, ambulant erfolgen.

Die Wirklichkeit in Deutschland ist weit entfernt von diesem Ziel: Die strikte Sektorentrennung führt leider nicht dazu, dass die Patienten jeweils am idealen Ort behandelt werden können. Die ambulante Behandlung am Krankenhaus ist in Deutschland eher die Ausnahme als die Regel. Krankenhäuser müssen den Weg über die Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen suchen, um fachärztliche ambulante Versorgung anbieten zu können. Und selbst dort, wo im niedergelassenen Bereich große Lücken existieren, verweigern diese Zulassungsausschüsse den Kliniken in aller Regel die Mitarbeit im ambulanten Bereich.

Wenn es um ambulante Leistungen der Krankenhäuser geht, müssen wir differenzieren: Dort, wo es Unterversorgung im niedergelassenen Bereich gibt, können Kliniken diese Aufgabe dauerhaft übernehmen und mit ihren Ressourcen diese Defizite ausgleichen. Schon jetzt ist absehbar, dass die niedergelassenen Praxen perspektivisch an ihre Grenzen stoßen werden. Aktuell sind in vielen Regionen erhebliche Versorgungslücken zu beobachten, weil es den Praxisinhabern schwerfällt, eine Nachfolge zu finden. Die aber deutlich größere Aufgabe stellt sich bei der Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Behandlungsleistungen. Dort müssen die Kliniken die Angebote aufbauen, denn hier handelt es sich um Patienten, die aufgrund der Komplexität oder des Schweregrads in den klassischen Strukturen der Facharztpraxis keine Versorgung finden und deshalb ja auch eben durch diese niedergelassenen Fachärzte in die Krankenhäuser überwiesen wurden. Für diesen Behandlungsbedarf an der Schnittstelle zwischen ambulant und stationär gibt es in Deutschland bisher keine flächendeckenden ambulant klinischen Behandlungsangebote. Wie es garantiert nicht funktioniert, die hochwertigen Ressourcen der Kliniken für die komplexe ambulante Versorgung zu nutzen, kann man über mehrere Seiten im SGB V unter dem § 116b nachlesen. An dieser Stelle sollte eigentlich die Zulassung von Krankenhäusern zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung ermöglicht werden. Tatsächlich ist aber aus diesem Ansatz ein echter Verhinderungsparagraph geworden.

Es fehlt eine schlüssige Gesamtkonzeption zur Definition, Zulassung und Finanzierung dieses Leistungsbereichs. Die jetzt vom Gesetzgeber neu definierte Übergangspflege im Krankenhaus könnte man in der Zukunft auch nutzen, um im Anschluss an ambulante klinische Behandlungen eine krankenhausnahe Anschlussversorgung, insbesondere im Bereich der Kurzzeitpflege, zu realisieren.

Auch das Vergütungssystem setzt praktisch keine Anreize für die Kliniken, ambulante Versorgungsstrukturen aufzubauen. Ambulante Versorgung im Krankenhaus unterscheidet sich von dem, was die niedergelassenen Fachärzte in aller Regel bieten können. Wir verfügen rund um die Uhr über alle erforderlichen diagnostischen Maßnahmen und können die Kompetenz der ganzen Bandbreite unserer Gesundheitsfachberufe für die ambulante klinische Behandlung einsetzen. Wenn es die Krankenkassen ernst meinen mit ihrem Anspruch, Versorgung im Interesse ihrer Versicherten zu gestalten, dann müssen sie zugestehen, dass die Krankenhäuser ambulante klinische Versorgung zum Preis einer niedergelassenen Facharztpraxis nicht realisieren können.

Die Politik sollte den Mut haben, neu zu denken. Die Bundesländer müssen sektorenübergreifend planen und dann die entsprechenden Aufgaben den Krankenhäusern zuweisen, ohne erneut den Umweg über den G-BA zu gehen. Die Krankenkassen sollten die Ambulantisierung nicht nur fordern, sondern auch finanziell absichern. Dann wird das Ziel „ambulant vor stationär“ von den Krankenhäusern mit großem Engagement vorangetrieben.

DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß