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Editorial

Sozialisierung für Sozialgarantie

Sozialisierung für Sozialgarantie

Als sich die Bundesregierung bei der Entwicklung des Konjunktur-und Krisenbewältigungspakets Anfang Juni darauf verständigte, dass zur Vermeidung einer Belastung von Arbeitnehmern und Betrieben die Sozialversicherungsabgaben in den Jahren 2020 und 2021 eine Grenze von 40 % der Löhne und Gehälter nicht überschreiten sollen und dies Sozialgarantie nannten, war noch unklar, was dies für die Finanzierung des Gesundheitswesens bedeuten würde.

Für jedermann klar ist aber, dass die Konjunktur- und Wachstumseinbrüche infolge der Pandemie Mindereinnahmen und Mehrausgaben in den Sozialversicherungssystemen zur Folge haben werden. Da war es gut, dass Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung mit historisch hohen Reserven in das Jahr 2020 gegangen sind, ca. 20 Mrd. € bei den Kassen und 10 Mrd. € im Gesundheitsfonds. Zudem sind Corona-bedingt bei den Kassen Ausgabenrückgänge in beachtlichen Größenordnungen eingetreten. Allein bei den Krankenhausausgaben waren es im ersten Halbjahr ca. 2 Mrd. €. Zudem wurden die ca. 8 Mrd. € Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser aus Bundesmitteln aufgebracht. Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, dass die verminderten Steuer- und Beitragseinnahmen negative Auswirkungen auf die GKV-Finanzen in den Jahren 2021 und 2022 haben werden. Um die finanzielle Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern, wurde mit dem Kabinettbeschluss über den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzen der GKV auf den Weg gebracht, das im Kassenlager für Aufruhr und Entsetzen sorgt. Stein des Anstoßes ist die Ausweitung der Verpflichtung zum Abbau der Finanzreserven bei den Kassen. Vor allem, dass einmalig 8 Mrd. € aus den Reserven der Krankenkassen 2021 dem Gesundheitsfonds zugeführt werden sollen, verärgert die GKV. Damit kommt Minister Spahn auf eines seiner ersten Gesetze zu Beginn seiner Amtszeit zurück. Damals hatte der Minister mit der nachvollziehbaren These „Krankenkassen sind keine Sparkassen“ diese zum Abbau ihrer Reserven durch Minderung der Zusatzbeiträge verpflichtet. Nunmehr wird die Höhe der erlaubten Reserven per Gesetz begrenzt. In der Gesetzesbegründung wird dezent darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber oberhalb einer Grenze für die Mindestreserven das gesamte Vermögen der Krankenkassen vollständig dem Gesundheitsfonds zuführen könnte.

Der Unmut im Kassenlager ist nachvollziehbar. Der gesetzlich verfügte Einsatz der Reserven für die Pandemielasten allerdings auch. Kein Verständnis kann der Argumentation der Kassen entgegen gebracht werden, wenn behauptet wird, dass die Politik mit ihren Reformgesetzen die Schuld an der Finanzierungslücke trägt. Die Finanzreserven oberhalb der vorzuhaltenden Mindestreserven müssen grundsätzlich für die Weiterentwicklung der Versorgung zur Verfügung stehen. Sie sind auch dadurch entstanden, dass Krankenkassen den Krankenhäusern durch überzogene MDK-Prüfungen die Vergütung für erbrachte Leistungen verweigert haben. Jetzt wieder nach Rückabwicklung der Begrenzung der MDK-Prüfungen zu rufen, entlarvt, dass die Kassen ihre Milliarden Kapitalreserven eben doch eher als Sparkassenverwalter denn Versorgungsgestalter bewirtschaften. Aber auch die Strategie der Bundesregierung, Pandemielasten unter allen Umständen über eine starre Obergrenze von 40 % für die Sozialversicherungsbeiträge abzudecken, muss hinterfragt werden.

Die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser bestimmt den Grad der ggf. wieder erforderlichen Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Lebens maßgeblich – hier gibt es eine nicht auflösbare Wechselbeziehung. Von Unternehmen und Bürgern ggf. aufzubringende höhere Beiträge für das Gesundheitswesen dürften allgemeine Zustimmung finden, wenn damit das Wirtschaften gesichert wird. Die 40 %-Grenze darf deshalb kein Tabu sein, wohl aber der Rückfall in die Kostendämpfungsempfehlungen der Krankenkassen. Auch das Sozialgarantieversprechen darf nicht zu Lasten der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens gehen. Die Sozialisierung der Über-Reserven ist das mildere Mittel.

DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum