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Politik

Corona-Pandemie – Risiken und Nebenwirkungen

Corona-Pandemie – Risiken und Nebenwirkungen

In den Krankenhäusern in Deutschland wird heftig diskutiert, wie die Branche die Coronakrise überstehen kann. Am 12. März 2020 entschieden das Bundeskabinett und die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer, dass die deutschen Krankenhäuser vom 16. März an keine elektiven Aufnahmen, Operationen und Eingriffe – soweit medizinisch vertretbar – durchführen sollten.

Die Kliniken haben also planbare Operationen verschoben, Einnahmen blieben aus. Der angekündigte Rettungsschirm für Krankenhäuser im Rahmen des Ende März 2020 auf den Weg gebrachten COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes (siehe das Krankenhaus 4/2020) sieht für jedes für Covid-19-Fälle frei gehaltene Bett 560 € pro Tag vor, für jeden neuen Intensivplatz mit Beatmungsmöglichkeit gibt es 50 000 € Bonus aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Ungewiss ist aber, ob dies die Verluste durch das eingebrochene Alltagsgeschäft ausgleichen kann. Indes bleiben in vielen Kliniken zahlreiche Betten, die für potenzielle Covid-19-Fälle freigehalten wurden, leer. So auch in Berlin, wo Anfang Mai das Corona-Behandlungszentrum auf dem Messegelände in Berlin-Charlottenburg seine Arbeit aufnehmen soll. Für die Halle 26 im Corona-Behandlungszentrum sind 500 Betten vorgesehen – davon ca. 80 % für die Normalpflege und 20 % für invasive Beatmung (nicht Intensivbetten). Für Halle 25 sind sukzessive 300 Betten geplant.

Derzeit sind fast 50 % der 20 000 Krankenbetten in Berlin leer. In der Hauptstadt stehen laut Auskunft der Senatsverwaltung Gesundheit ca. 1 400 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit zur Verfügung. Davon sind 10 % mit COVID-19-Patienten und 50 % mit Nicht-COVID-19- Patienten belegt: 40 % der Intensivbetten sind also derzeit frei. Die Zahl der Intensivbetten (gesamt) soll kurzfristig auf rund 2 200 aufgestockt werden. Der Anteil der Beatmungsplätze soll dann bei rund 1 800 liegen.

Schritt für Schritt in den „Normalbetrieb“?

Angesichts der bisherigen Erfolge bei der Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus und der aktuell freien Behandlungskapazitäten in den Kliniken sollte es Krankenhäusern ermöglicht werden, ihren Regelbetrieb schrittweise wiederaufzunehmen. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im ARD-Morgenmagazin am 17. April 2020 an.

„Die Rückkehr zum Normalbetrieb sollte allerdings gut vorbereitet und darf nicht überstürzt werden. Es muss sichergestellt sein, dass auch weiterhin ausreichend freie Intensivkapazitäten für die Behandlung von möglichen COVID-19-Patientinnen und Patienten zu Verfügung stehen“, unterstützte die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, die Überlegungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Planbare Operationen und Behandlungen seien Mitte März verschoben worden, um die Kapazitäten in Krankenhäusern für die Versorgung von Personen, die an COVID-19 erkrankt sind, zu erweitern. „Diese Entscheidung war richtig und notwendig. Mit zunehmender Wartezeit nimmt jedoch auch die Belastung vieler Betroffener und ihrer Angehörigen zu. Die gesamtgesellschaftlich in Aussicht gestellten Lockerungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sollten daher auch für den Gesundheitsbereich gelten, um Schritt für Schritt wieder mit einer Regelversorgung zu beginnen.

„Es ist jedoch klar: Die Corona-Pandemie haben wir noch keineswegs überstanden. Das Infektionsgeschehen kann jederzeit wieder zunehmen. Die Krankenhäuser müssen daher genügend Intensivkapazitäten frei halten und darauf vorbereitet sein, ihre Behandlungskapazitäten für mögliche COVID-19-Patienten schnellstmöglich wieder zu erhöhen“, mahnte die Patientenbeauftragte abschließend.

Der eingeschränkte Betrieb der Akutkliniken werde dann mit leichter Verzögerung auch den Rehabilitationskliniken wieder ermöglichen, Patienten aufzunehmen. „Fast unter dem Radar der Öffentlichkeit ist durch die Verschiebung planbarer Operationen in den Rehabilitationseinrichtungen eine Situation entstanden, die sich für viele gefährlich in Richtung Insolvenz entwickelt hat. Hier steht durch die Vollbremsung in den Krankenhäusern inzwischen eine wesentliche Säule unseres Gesundheitssystems auf der Kippe“, so der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Dr. Josef Düllings. Es sei zu überlegen, ob es nicht sinnvoller wäre, die Finanzierungssysteme sowohl der Krankenhäuser als auch der Rehakliniken und Pflegeheime für dieses und nächstes Jahr auszusetzen und für diese Übergangszeit zur Selbstkostenfinanzierung zurückzukehren. So könnten unkalkulierbare Ausfälle im Gesundheitssystem vermieden werden. Es wäre damit auch genug Zeit gewonnen, an einem Neustart des Finanzierungssystems zu arbeiten, das schon vor der Pandemie massiv in die Kritik geraten war, so der VKD-Präsident.

„Notfälle gehören schnellstmöglich in die Notaufnahme!“

Die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) warnt vor dem allseits beobachteten Phänomen, zu spät den Notruf zu wählen und deswegen möglicherweise wertvolle Zeit zu verlieren. In den letzten Wochen sei die Zahl der Patienten in deutschen Notaufnahmen merklich zurückgegangen. Notfallmediziner vermuten, dass derzeit viele Menschen aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus bei Beschwerden lieber zuhause bleiben. Möglicherweise auch bei schweren Symptomen, die auf eine lebensbedrohliche Erkrankung hindeuten können.

„Es geht nicht nur um die jetzt häufig genannten Herzinfarkte und Schlaganfälle, die möglicherweise zu spät erkannt werden. Auch eine Blinddarmentzündung, die anfangs noch einfach zu behandeln ist, kann zu einem lebensbedrohlichen Blinddarmdurchbruch werden, wenn man zu lange wartet“, warnt DGINA-Vorstandsmitglied Dr. Daniel Kiefl, Leiter der Notaufnahme in Offenbach. Die Notaufnahmen seien in der aktuellen Situation bestmöglich vorbereitet: Um Nicht-Infizierte zu schützen, werden positiv auf SARS-CoV-2 Getestete und Verdachtsfälle frühzeitig isoliert und in abgetrennten Bereichen behandelt.

„Es gibt keinen Grund, notwendige Behandlungen aufzuschieben. Der Infektionsschutz in den Krankenhäusern ist gewährleistet, und jeder, der ein Problem hat, sollte unbedingt auch ein Krankenhaus aufsuchen“, mahnt DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß. Wir haben aus Kliniken besorgniserregende Rückmeldungen, dass die Einweisungen wegen Verdachts auf Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich zurückgegangen sind. Und das liegt nicht daran, dass es weniger Verdachtsfälle gibt, sondern, dass Patienten sich aus Angst gar nicht beim Rettungsdienst melden. Auch der Umstand, dass viele niedergelassene Fachärzte ihre Praxen nicht in vollem Umfang betreiben, führt mutmaßlich dazu, dass Erkrankungen verschleppt und zu spät erkannt werden. Wir müssen aber vermeiden, dass Angst vor dem Virus andere Krankheiten und Todesfälle verursacht.“

Auch Prof. Dr. Jürgen Floege, Vorsitzender der DGIM 2019/2020 und Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, rheumatologische und immunologische Erkrankungen an der Uniklinik der RWTH Aachen, ist besorgt über die Situation in den Notaufnahmen: „Wo sich sonst die Menschen drängeln, sitzt nun kaum jemand mehr“, berichtet er. Offenbar sind es aber nicht allein die berüchtigten Bagatellfälle, sondern auch beispielsweise Patienten mit Herzinfarkten, die die Rettungsdienste, die Kliniken und ihre Notfallambulanzen in der Coronakrise meiden. „Alle Kardiologie-Häuser haben diese Beobachtung gemacht“, so Floege. Derzeit sei ein Rückgang an Herzinfarkt-Verdachtsfällen um 20 bis 30 % zu verzeichnen. „Bei den Patienten mit schweren Befunden stellen wir fest, dass sie im Schnitt erst nach vier Tagen nach den ersten typischen Warnsignalen zu uns kommen.“ Angesichts der Pandemie hätten die Patienten die gerade erst erreichte Sensibilisierung für typische Warnsignale wie Brustschmerz verloren.

DGIM: Mindestmengen-Regelung für Nierentransplantationen aussetzen

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. weist in Zusammenhang mit den Verschiebungen planbarer OPs auch auf die schwierige Situation von Menschen mit schwer eingeschränkter Nierenfunktion hin. Viele dieser Patienten warteten auf eine Nierentransplantation, die angesichts des Organmangels oft als Lebendspende erfolgt. Von langer Hand geplant, werden aber solche Nierentransplantationen derzeit verschoben, weil die Zahl der Intensivbetten begrenzt ist und insbesondere die Spender keinem Infektrisiko ausgesetzt werden sollen. Die Versorgungssituation dieser Patienten wird unter großem Einsatz aufrechterhalten, könnte aber über die akute Phase der Covid-19-Pandemie hinaus gefährdet sein, warnt die DGIM.

Gerade die Dialyse hat in Zeiten großer Ansteckungsrisiken Tücken für die Patienten, denn sie lässt sich nur im Rahmen eines ambulanten Praxis- oder Klinikaufenthalts durchführen. Lange und regelmäßige Kontakte zu verschiedenen Ärzten, Pflegepersonal, Mitpatienten und Transportdiensten sind beim mehrere Stunden dauernden Praxis- bzw. Klinikbesuch kaum vermeidbar. „Bei Menschen mit Nierenschädigungen handelt es sich um eine besonders anfällige Patientengruppe – durchschnittlich einmal im Jahr müssen sie stationär aufgenommen werden, weil sich ihr Gesundheitszustand temporär verschlechtert“, so Prof. Dr. Jürgen Floege. Außerdem nähmen viele von ihnen Medikamente, die die Immunabwehr des Körpers schwächen, was sie zusätzlich zu Risikopatienten im Falle einer Ansteckung mit Covid-19 mache.

Auch die derzeit noch gültige Regelung, planbare Eingriffe bis auf weiteres zu verschieben, um Klinikkapazitäten für mögliche Covid-19-Patienten freizuhalten, betrifft Nierenpatienten. Nieren werden vielfach als Lebendspende weitergegeben – der Eingriff bei Spender und Empfänger lässt sich dementsprechend gut planen. „Außerdem kann durch die Dialyse auch schwerkranken Patienten, die kaum mehr über eine Nierenfunktion verfügen, geholfen werden, längere Zeiträume ohne eine Organspende zu überbrücken“, sagt Floege.

„Ein Drittel der deutschen Nierentransplantations-Zentren von Schließung bedroht“

Bedenken hat der Experte mit Blick auf die derzeit noch gültige Mindestmengen-Regelung. Nur, wenn 25 Nierentransplantationen pro Jahr an den jeweiligen Kliniken durchgeführt werden, ist die Finanzierung der Nierentransplantations-Zentren auch im kommenden Jahr gesichert. Was eigentlich die Qualität der Klinik durch ausreichend Erfahrung in speziellen Bereichen belegen soll, könnte nun zum Risiko werden. „Die meisten Transplantationszentren laufen derzeit auf Sparflamme. Sollte die Mindestmengen-Regelung konsequent durchgesetzt werden, befürchte ich, dass etwa ein Drittel der deutschen Nierentransplantations-Zentren von einer dauerhaften Schließung bedroht ist“, so Floege. Der GB-A hat am 27. März 2020 unscharf formuliert, „… der Krankenhausträger kann weitere Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung heranziehen“. Der Experte fordert, die Mindestmengen-Regelung verlässlich bis auf weiteres auszusetzen, um Kapaz

„Bugwelle“ planbarer Operationen

Prof. Dr. Rainer Riedel von der Rheinischen Fachhochschule Köln unterstreicht die Notwendigkeit einer schrittweisen Wiederaufnahme der medizinischen Versorgung von Patienten mit planbaren invasiven Therapiemaßnahmen. „Nach den aktuellen Zahlen des RKI kann aktuell von einer tendenziell zu bewältigenden Corona-Situation in deutschen Krankenhäusern ausgegangen werden. Wir schieben sonst langsam eine Bugwelle von planbaren Operationen vor uns her“, so Prof. Riedel am 20. April.

2018 wurden in Deutschland 16 974 415 Operationen durchgeführt, beispielsweise in den Bereichen der Kardiologie, der Gallengänge, des Hüft- und des Kniegelenks sowie Versorgungen der Wirbelsäule, Leistenbrüche, Metallentfernungen, Füße, Krampfadern, Gebärmutter. Geschätzt ergeben sich somit rund 8,5 Mio. durchgeführte elektive Operationen im Jahr 2018, rechnet Riedel vor. Das entspricht einer durchschnittlichen Zahl von 33 864 elektiven Operationen pro Tag (bei 251 Arbeitstagen).

Hochgerechnet bedeute dies für den Zeitraum vom 16. März bis 20. April 2020, dass rund 1,2 Millionen Patienten mit planbaren invasiven Behandlungsmaßnahmen ihre Therapien, die mit ihren behandelnden Ärzten abgestimmt waren, verschieben mussten. Sollten bis zum 4. Mai 2020 keine „elektiven Patienten“ versorgt werden, werden dann schon 1,6 Millionen Patienten auf eine elektive, invasive Versorgung warten.

Prof. Dr. Rainer Riedel schätzt die Lage so ein: „In Hinblick auf die vom RKI am 19. April veröffentlichten Kennzahlen, zum einen der Corona-Infektions-Reproduktions-Faktor r=0,8 und die Zahl der freien Intensivbetten in Deutschland: 12 665, kann aktuell von einer tendenziell zu bewältigenden Corona-Situation in deutschen Krankenhäusern ausgegangen werden. Wir schieben sonst langsam eine Bugwelle von planbaren Operationen vor uns her. Darüber hinaus ist in Betracht zu ziehen, dass außerhalb der für die Corona-Patienten erforderlichen medizinischen Abteilungen schätzungsweise 150 000 Krankenhausbetten derzeit nicht belegt sind.“ krü

das Krankenhaus Heft 05-2020, Copyright W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

itäten zu erhalten, die die Behandlung nephrologischer Patienten sicherstellen.