Prof. Dr. Volkmar Falk, Prof. Dr. Heyo Kroemer, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sowie dessen Pressesprecher Hanno Kautz bei der Pressekonferenz im Deutschen Herzzentrum der Charité. Foto: Kotlorz
DKG sagt, Grouper liegt noch nicht vor. Kliniken bangen um ihre Existenz
Die umstrittene Krankenhausreform soll jetzt scharf gestellt werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) teilte am 28. Januar bei einer Pressekonferenz im Deutschen Herzzentrum Berlin der Charité mit, dass nun „das Herzstück der Reform“ fertig sei, der sogenannte „Grouper“. Die bereits für September 2024 angekündigte Software sei inzwischen vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) fertiggestellt und stehe den Kliniken in Kürze zur Verfügung. Jeder Behandlungsfall könne dann den insgesamt 65 Leistungsgruppen zugeordnet werden. Dieser Darstellung Lauterbachs widerspricht indes der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß. „Die Information, die der Minister in der Öffentlichkeit streut, ist nicht korrekt. Der Grouper ist noch nicht im Umlauf. Er befindet sich nach wie vor in der finalen Phase der Zertifizierung bei den entsprechenden Softwarehäusern. Der Grouper steht also zurzeit weder den einzelnen Krankenhäusern noch uns oder auch dem Ministerium selbst zur Verfügung.“
Die DKG geht davon aus, dass diese Zertifizierung noch bis Ende nächster Woche dauert. Erst dann werde es möglich sein, sich die Ergebnisse näher anzuschauen. „Das wird also wahrscheinlich noch mindestens 14 Tage dauern“, so Gaß.
Der SPD-Politiker Lauterbach lobte indessen am Dienstag den angeblich vorliegenden Grouper. „Damit wird sichtbar, welche Klinik künftig noch welche Leistungen anbieten kann und abrechnen darf.“ Der Grouper sorge dafür, so der Minister, dass die Spezialisierung nicht nur auf dem Papier stattfinde, sondern auch in der Praxis. Das neue Handbuch umfasse 12 000 Seiten und enthalte als Onlinekatalog alle Behandlungsarten, welche die deutschen Krankenhäuser künftig abrechnen dürften. Jede Klinik könnte nun nachprüfen, ob sie alle Kriterien für die einzelnen Leistungsgruppen erfülle. Je nach Erfahrung, je nach technischer und personeller Ausstattung weisen die Bundesländer den Krankenhäusern in ihren neuen Krankenhausplanungen dann die bundeseinheitlich definierten Leistungsgruppen zu. Anbieten und abrechnen dürften die Kliniken dann nur noch solche Therapien und Eingriffe, die ihre Leistungsgruppen umfassen.
Die Einteilung der Leistungsgruppen werde dazu führen, so Lauterbach, dass nur noch erfahrene Spezialkliniken die komplizierten Fälle versorgten. Sie müssten zugleich mit kleineren Kliniken kooperieren, in denen die Vor- und Nachbehandlungen stattfänden und die die leichteren Fälle übernähmen.
Ein neuer Leistungsgruppenausschuss von Bund, Ländern, G-BA, Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG), Bundesärztekammer (BÄK), deutscher Hochschulmedizin, Berufsorganisationen der Pflegeberufe sowie GKV-Spitzenverband soll die Leistungsgruppen weiterentwickeln. Er konstituiert sich am kommenden Montag, den 3. Februar.
Zur Umsetzung der Reform bereitet Lauterbach auch eine Verordnung vor, die Bedingungen für Fördermittel festlegen soll. Aus dem sogenannten „Transformationsfonds“ sollen ab dem Jahr 2026 innerhalb von zehn Jahren bis zu 25 Mrd. € fließen - sofern sich Länder in gleicher Höhe daran beteiligen. Kommen soll das Geld aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen und - entsprechend ihrem Anteil an den Behandlungen - auch von den privaten Krankenversicherungen. Die gesetzlichen Kassen wehren sich dagegen, der Sozialverband VdK hat eine Klage angekündigt, da der Fonds Beitragsgelder für gesamtgesellschaftliche Aufgaben zweckentfremde. „Der Gesetzgeber bedient sich an den Beitragszahlungen, um die Neuordnung der Krankenhauslandschaft zu finanzieren. Das ist verfassungswidrig“, teilte der VdK mit.
Derweil beklagen die Kliniken eine dramatische Finanzlage und drohende weitere Einschnitte. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte vor größeren Finanznöten vieler Standorte und Einschnitten bei der Versorgung. „Die Kliniken schleppen die Folgen der hohen Inflation bis heute mit“, sagte Verbandschef Gerald Gaß der „Augsburger Allgemeinen“. Rücklagen der Krankenhausträger seien längst weggeschmolzen, Kreditlinien überschritten. Inzwischen steckten 80 % der Häuser in den roten Zahlen. Daher würden Abteilungen geschlossen, Personal eingespart und Standorte aufgegeben, bevor sie in Insolvenz geraten.
Das Deutsche Rote Kreuz meldete, fast jedes sechste seiner Häuser sei insolvent.
„Lauterbachs Krankenhausreform versinkt in Technokratie und bedroht eine sinnvolle regionale Leistungsabstimmung der Krankenhäuser“, kritisiert indessen die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) die 12 000-Seiten-Grouper-Ankündigung des Ministers.
„Weder die Kliniken selbst als unmittelbar Betroffene, noch die Planungsbehörden der Länder kennen diese Software, die nun aber offenbar alles bestimmen soll. Wir können nur wieder einmal den Kopf schütteln über das fehlende Miteinander und dem fehlenden Respekt gegenüber den vielen tausend Beschäftigten, die sich das ganze Jahr über rund um die Uhr Millionen Patientinnen und Patienten versorgen,“ sagt die Vorsitzende der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Landrätin Tamara Bischof.
„Nun wird das gesamte Dilemma der viel zu technokratischen Umsetzung der Krankenhausreform deutlich“, sagte BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen. Anstelle einer bedarfsgerechten regionalen Versorgungsplanung soll eine unbekannte Software nach Ministeraussage die Kliniken zur Spezialisierung zwingen. Ein unfassbar komplexer Algorithmus aus dem Maschinenraum des Instituts, welches bisher für die Fallpauschalen-Finanzierung der Krankenhäuser zuständig ist, soll nun ohne Auswirkungsanalyse die künftigen Leistungen eines Krankenhauses bestimmen, ganz unabhängig davon, was für die regionale Versorgungssicherheit sinnvoll und erforderlich ist. 12 000 Seiten Handbuch helfen niemandem.“
Tanja Kotlorz