Die Klinikreform der Bundesregierung und deren potenzielle Auswirkungen standen auch bei der 31. Herbsttagung des Verbandes der Krankenhausdirektoren (VKD) der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern in Rostock am 10. Oktober im Mittelpunkt. Obgleich die Ampelfraktionen der Bundesregierung zwei Tage zuvor das bei den Bundesländern und den Kliniken in vielen Punkten umstrittene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) noch nachgebessert hatten, hagelte es bei den Klinikdirektoren nach wie vor Kritik an dem Reformwerk. „Wird das Reformpaket von Bundesgesundheitsminister Lauterbach ohne Änderungen durch den Bundestag beschlossen, dann wird sich die stationäre Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern verschlechtern“, sagte VKD-Landesvorsitzende Jana Breitsprecher gleich zum Auftakt der Jahrestagung der Klinikführungskräfte voraus. Sie befürchte, die beabsichtigte Zentralisierung der Kliniken werde dazu führen, dass viele wichtige Behandlungen nur noch durch zu wenige Krankenhäuser erbracht werden dürfen bzw. können. Die Folge wären zu lange Wege und Wartezeiten. „Wir haben – auf unsere Fläche bezogen – bereits die niedrigste Anzahl an Einrichtungen im Vergleich zu allen anderen Bundesländern. Hinzu kommt, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei uns weiter steigt und dadurch die Behandlungshäufigkeit zunimmt. Deshalb brauchen wir Ausnahmereglungen, denn nur vor Ort kennt man die Versorgungssituation am besten“, forderte Breitsprecher.
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) wertete es als einen Erfolg der Bundesländer, dass es der Bundesregierung nicht gelungen sei, den Ländern die Krankenhausplanung komplett zu entziehen. „Das haben wir entschlossen verhindert. Krankenhausplanung bleibt Ländersache.“
Allerdings kündigte Drese auch „schmerzhafte Veränderungen“ für die Kliniklandschaft in Mecklenburg-Vorpommern an. „Nicht jeder wird alle Leistungsgruppen bekommen, die er haben möchte.“ Als Erfolg wertete sie, dass sie sich als Vertreterin der ostdeutschen Bundesländer bei den Verhandlungen zum KHVVG für die Belange der Krankenhäuser im ländlichen Raum einsetzen konnte. „Kern unserer Reform wird eine wohnortnahe Grundversorgung und eine bedarfsnotwendige Notfallversorgung sein.“ Deshalb sei auch jeder der 37 Krankenhausstandorte in Mecklenburg-Vorpommern von Bedeutung und unverzichtbar.
Auf der Basis des KHVVG werde Mecklenburg-Vorpommern nun sein Landeskrankenhausgesetz komplett überarbeiten und einen neuen Landeskrankenhausplan aufstellen. Nach dem Brandenburger-Modell sollen die Kliniken zudem in Mecklenburg-Vorpommern künftig feste pauschale Investitionsförderungen von der Landesregierung erhalten.
Zu welchen gravierenden Veränderungen der Kliniklandschaft bereits die weitgehend konsentierte Landeskrankenhausreform in NRW führt, schilderte Dr. Mark Lönnies, Geschäftsführer der Christophorus Trägergesellschaft mbH Coesfeld und Vorsitzender der VKD-LG NRW in seinem Erfahrungsbericht. Die vier Kliniken der Christophorus Trägergesellschaft im ländlichen Raum mit 780 Betten müssten im Rahmen der Zentralisierung von Leistungen mit einem Verlust von 118 Fallzahlen und einem Minus beim Case-Mix-Punkt (CMP) von 1,8 % rechnen. Seine Kliniken müssten künftig auf die Adipositas-Chirurgie verzichten, da diese Spezialleistung an anderen Kliniken konzentriert wird.
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ausgerufene „Revolution“ werde indes nicht gut ausgehen, prophezeite Dr. Detlef Troppens, Vorsitzender der Krankenhausgesellschaft Brandenburg. Es werde zu einer „Rationierung von Gesundheitsleistungen“ kommen.
Ähnlich war die Einschätzung von Uwe Borchmann, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern e. V. (KGMV). Er sieht die flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern aus mehreren Gründen in Gefahr. Wenn es nicht gelinge, die G-BA-Notfallstufen von der Zuweisung von Leistungsgruppen und der Erfüllung der Strukturqualität zu entkoppeln, drohten die für die Versorgung dringend notwendigen Sicherstellungskrankenhäuser wegzufallen.
Als kontraproduktiv erweisen sich auch die neuen hohen Strukturvoraussetzungen, die hohe personelle Ressourcen vorschreiben. Beispielsweise müssten die Unikliniken und Maximalversorger für sehr seltene Erkrankungen nun ggf. sechs Fachärzte vorhalten, damit ihnen diese Leistungsgruppe zugewiesen wird. Diese sechs Ärzte, sofern sie überhaupt vorhanden sind, sind voraussichtlich nicht mit der spezialisierten Aufgabe ausgelastet, so Borchmann. Dadurch seien die Unikliniken und Maximalversorger zum Beispiel gezwungen, auch andere chirurgische Eingriffe anzubieten. „Sie müssen auch einfache Patientenfälle operieren, um überhaupt ihre Arbeitszeit zu füllen.“ Dafür gebe es aber im bevölkerungsarmen Mecklenburg-Vorpommern zu wenig Patienten. Somit gehe diese Veränderung zu Lasten anderer Klinikstandorte und zu Lasten der Erreichbarkeit der Grundversorgung. „Dieses Dilemma zu lösen, ist unsere Herausforderung“ meint Borchmann.
Tanja Kotlorz