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Einzige Akutklinik auf Norderney insolvent


Das Krankenhaus Norderney ist baulich schon in die Jahre gekommen. Foto: Sabine Sykora


Aus akutem Anlass: Stippvisite einer Delegation aus Klinikvertretern, dem Bürgermeister der Stadt Norderney Frank Ulrichs und SPD-Fraktionsmitgliedern beim Landesgesundheitsminister Dr. Andreas Philippi in Hannover. Foto: Stadt Norderney

Neun von zehn Kliniken in Niedersachsen sind perspektivisch gefährdet. Jedes vierte Krankenhaus plant, sein Versorgungsangebot zu reduzieren. Für 2025 wird sogar eine noch schlechtere wirtschaftliche Entwicklung erwartet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) hervor. „Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in Niedersachsen ist dramatisch und verschärft sich infolge fehlender Stabilisierungsmaßnahmen der Politik zusehends. Das sind denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine geordnete Reform“, kommentierte Rainer Rempe, Vorstandsvorsitzender der NKG, das Umfrageergebnis. Ohne konkrete Hilfe sei die Versorgung in Gefahr.

Betroffen ist auch die einzige Akutklinik auf der ostfriesischen Urlaubsinsel Norderney. Am 14. Oktober stellte der Geschäftsführer des Krankenhauses Norderney, Uwe Peters beim Amtsgericht Aurich den Antrag zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Das Amtsgericht Aurich hat Rechtsanwalt Axel Gerbers, Partner in der Kanzlei Johlke Niethammer, zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Seither befindet sich das Krankenhaus im Regelinsolvenzverfahren. Das Krankenhaus Norderney ist das einzige Akutversorgungskrankenhaus auf der Insel, auf der bis zu 50 000 Menschen Urlaub machen. In der Klinik werden von 75 Mitarbeitern jährlich 6 000 Patienten behandelt.

„Es ist uns bewusst, dass diese Nachricht für unsere Mitarbeitenden, Patienten und die gesamte Insel Norderney eine große Herausforderung darstellt. Die Entscheidung zur Insolvenzantragstellung war notwendig, um die Zukunft des Krankenhauses zu sichern und eine geordnete Restrukturierung einzuleiten“, erklärte Peters im Oktober.

Das Krankenhaus Norderney habe in den vergangenen Jahren mit verschiedenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, die durch die Auswirkungen der Coronapandemie, den Ukrainekrieg und die stark steigenden Betriebskosten verstärkt worden seien. Von dem drohenden Aus der Klinik waren sowohl die Stadt Norderney als auch das Land Niedersachsen alarmiert.

Anlässlich einer Mitarbeiterversammlung hatte der Bürgermeister der Stadt Norderney, Frank Ulrichs, das Krankenhaus Norderney besucht und sich klar zum Insel-Krankenhaus bekannt. Ulrichs würdigte die Bedeutung der Klinik für die Stadt Norderney sowie das medizinische, therapeutische und pflegerische Engagement. Dem gesamten Team von 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherte er Solidarität mit der Einrichtung sowie die Unterstützung der Stadt im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu.

Die Klinik ist ein Sicherstellungskrankenhaus und erhält seit Jahren vom Land einen jährlichen Zuschuss von 400.000 €. 

Inzwischen kann die Klinik sogar schon „Licht am Horizont“ vermelden. Am 7. November 2024 reiste eine kleine Delegation von Norderney nach Hannover, um mit dem Niedersächsischen Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) über die Zukunft des Norderneyer Krankenhauses zu sprechen. Dieser Termin kam auf Initiative des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Harms und der SPD-Landtagsabgeordneten Karin Emken zustande, die Norderney in ihrem Wahlbezirk vertritt. Neben den weiteren Fraktionsmitgliedern Thomas Blömer und Axel Stange waren auch Bürgermeister Frank Ulrichs sowie Krankenhausgeschäftsführer Uwe Peters und die Betriebsratsvorsitzende Andrea Heckelmann dabei. 

Gesundheitsminister Philippi betonte, dass vordringlich daran gearbeitet werden müsse, das Insolvenzverfahren zu überwinden, die Gründe für die Insolvenz auch langfristig zu beseitigen und Perspektiven zu erarbeiten. Positiv hob der Minister hervor, dass das Norderneyer Krankenhaus als „Sicherstellungshaus“ eingestuft sei und somit einen gewissen Schutz genieße. Diese Häuser gelten als unerlässlich und sollen durch die geplante Gesundheitsstrukturreform gestärkt werden. Auch wenn konkrete Auswirkungen derzeit noch hypothetisch seien, weil noch keine Auswirkungsanalyse der Gesundheitsreform des Bundes verfügbar ist, könnten sich daraus auch Chancen für das Krankenhaus ergeben.

Für langfristige Planungen sei es ebenso wichtig, die künftige Trägerschaft zu klären. Wie auch schon auf Norderney seit Längerem diskutiert, wird eine solide Trägerschaft auch in der Landeshauptstadt als wichtige Voraussetzung angesehen. Derzeit ist die Allergie- und Hautklinik Norderney gGmbH Träger der Klinik. Künftig könnte die Stadt Norderney als Träger in Frage kommen, wenn dafür ein verlässlicher und wirtschaftlich tragfähiger Rahmen erarbeitet werde. Somit würde das Krankenhaus, das einstmals in kommunaler Hand war, möglicherweise rekommunalisiert. „Wenn wir das Haus im Stich lassen, geht es unter“, sagt Bürgermeister Frank Ulrichs und betont zugleich, dass die Klinik unverzichtbar für Norderney sei. Eine Schließung des Krankenhauses wäre eine „Vollkatastrophe“ für die 6 000 Einwohner und die vielen Urlauber der Insel. Auch eine Akutversorgung müsse zwingend erhalten bleiben. Durch die Insellage sei es je nach Wetterlage gar nicht immer möglich, das Festland zu erreichen. Ziel müsse es sein, das Krankenhaus wieder auf stabile und solide Beine zu stellen. Gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter werde derzeit an einem Zukunftskonzept gearbeitet. 

Die Betten der Grund- und Regelversorgung der chirurgischen und inneren Abteilung, zurzeit 19, werden als grundsätzlich notwendig und unproblematisch betrachtet. Die insgesamt 65 Betten des Hauses müssten aber bei einer Auslastung der dermatologischen Abteilung zwischen 30 und 40 % hinterfragt werden, was auch von den Norderneyer Fachleuten so gesehen wird. An einer deutlichen Bettenreduzierung und damit an einer Anpassung an die realen Verhältnisse käme man nicht vorbei.

Auch die baulichen Gegebenheiten des Krankenhauses wurden in Hannover beim Besuch beim Landesgesundheitsminister diskutiert. Das Gebäude aus den sechziger Jahren entspreche nicht mehr den Anforderungen eines modernen, wirtschaftlichen Betriebs. Ein bloßer Neubau ohne strukturelle Neuausrichtung würde allerdings kaum die gewünschten Effekte erzielen. Daher sei eine grundlegende Umstrukturierung notwendig, um langfristig eine tragfähige Lösung zu schaffen.

Unter diesen Voraussetzungen könne sich das Land vorstellen, den Bau eines neuen, bedarfsgerechten Krankenhauses auf Norderney finanziell maßgeblich zu fördern – ein Vorschlag, der bei den Vertretern der Insel auf große Zustimmung stieß. Die Vertreter des Ministeriums bekräftigten ihre Bereitschaft, das Krankenhaus gemeinsam mit der Insel in eine sichere Zukunft zu führen.

Mit diesen erfreulichen Aussichten sind die Insel-Vertreter dann per Wassertaxi gegen 22 Uhr wieder nach Norderney zurückgekehrt. Die Arbeitsagentur zahlt noch bis Ende des Jahres die Gehälter der Klinikmitarbeiter. Norderneys Bürgermeister Frank Ulrichs wünscht sich, dass nun schnell ein tragfähiges Konzept erarbeitet wird.

Tanja Kotlorz