Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziel, während andere uns helfen diese Website und ihre Erfahrung zu verbessern.

Aktuelles

News

Die Zukunft des Gesundheitswesens


Hauptstadtkongress 2024 vom 26. bis 28. Juni in Berlin. Foto: Kotlorz

Wie sieht die Zukunft des Gesundheitswesens aus? Und wo steht der deutsche Healthcare-Markt jetzt? Wie unterschiedlich die Antworten der Experten aus Politik, Verbänden, Wissenschaft, Medizin und Pflege auf diese Fragen ausfallen zeigte der erste Kongresstag des Hauptstadtkongresses (HSK) in Berlin am 26. Juni 2024. Bei dem jährlichen Get-together der Fachbranche formulierte Kongresspräsident Prof. Dr. Karl Max Einhäupl fünf Thesen: Die Krankenhauslandschaft werde sich weit weniger verändern als von manchen befürchtet oder von anderen erwünscht. Angesichts des Fachkräftemangel werde es in den Kliniken „nie wieder so gut werden, wie es war“. Eine Kostenexplosion werde es nicht geben, aber die Chronifizierung von Krankheiten führe zu Kostensteigerungen. Die Künstliche Intelligenz (KI) werde nicht in 20, sondern schon in vier bis fünf Jahren mit einem Siegeszug auch in der Medizin Einzug halten. Deutschland könne zwar bei der Grundlagenforschung international an der Spitze mithalten, hinke aber beim Transfer in den Markt meilenweit zurück.

Für die deutsche Klinikbranche steht jedoch erstmal die umstrittene Klinikreform mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) quasi vor der Kliniktür. Am Donnerstag, den 27. Juni, wird der Gesetzentwurf in erster Lesung im Bundestag beraten. Sollte die Zukunftsvision des Parlamentarischen Staatssekretär im BMG, Prof. Dr. Edgar Franke, Realität werden, dann tritt das KHVVG am 1. Januar 2025 in Kraft. „Voraussichtlich“, wie er selbst mehrmals betonte. Denn es hagelt Kritik am KHVVG von fast allen Seiten, von den Ländern, von den Kliniken und von den Kassen. Die Konvergenzphase soll bis 2026 andauern, in der Zeit finde die Finanzierung noch über die Fallpauschalen statt. Ab 2027 sei die Systemumstellung auf Vorhaltefinanzierung inklusive Pflegebudget plus DRGs und ab 2029 soll die Reform dann vollständig greifen. Bei dem 50-Mrd.-Euro-Transformationsfonds zum Umbau der Kliniklandschaft, der innerhalb von zehn Jahren ausgezahlt werden soll und bisher zur Hälfte von den Ländern und zur anderen Hälfte ausschließlich von der GKV finanziert werden soll, signalisierte Franke nun vage, dass „der Bund vielleicht noch helfen werde.“ Zu groß war offenbar die Kritik auch hier, in dem Fall vor allem aus dem Kassenlager.

Wenig bis gar nicht vertreten sieht sich die Pflege, immerhin die größte Berufsgruppe in den Kliniken, bei der Klinikreform, monierte Vera Lux, Wissenschaftliche Leiterin des Pflegemanagementkongresses des HSK. Dr. Matthias Bracht, Wissenschaftlicher Leiter des Gesundheitsmanagementkongresses des HSK, kritisierte angesichts von Klinikinsolvenzen einen „ungesteuerten Prozess in der Versorgungslandschaft“ und „keine ausreichende Finanzierung“ der Kliniken. Daran ändere auch das KHVVG nichts. „Die Kliniken haben einen Anspruch auf die Finanzierung ihrer Kosten“, betonte auch Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Der Landesbasisfallwert müsse um 4 % angehoben werden, damit die Kliniken die inflationsbedingten Kosten kompensieren könnten. Nach wie vor vermisst der DKG-Vorstandsvorsitzende vom BMG eine Auswirkungsanalyse des KHVVG.

Enthusiastischere Ausblicke in die Zukunft könnte die Künstliche Intelligenz (KI) liefern. Alexander Britz, Leiter des Geschäftsbereichs Öffentlicher Sektor bei dem IT-Riesen Microsoft Deutschland GmbH, ist sich sicher, dass die KI in der Medizin und der Pflege für bessere Abläufe sorgen wird. Die größten Fortschritte gebe es bei der Spracherkennung und dem Sprachverständnis. „Prozesse werden effizienter Informationsverluste verringert und die Qualität wird verbessert“. Staunend hat das Kongresspublikum den Erfolgsweg der Hamburger Gründerin und Juristin Elisabeth L’Orange, CCO und Co-Founder von Oxolo GmbH, verfolgt. Das Startup erstellt KI-generierte Avatar-Trainingsvideos und Marketing-Filme in 80 verschiedenen Sprachen für mittlerweile 600.000 Kunden, so die Co-Gründerin. Inzwischen habe Oxolo 13 Mio. Euro Venture Kapital generieren können. Aber bis dahin war es eine „harte, fiese Arbeit“, sagt L’Orange.1200-mal habe Oxolo in Pitches sein innovatives KI-Produkt angeboten – zunächst ohne Erfolg.

 Herausforderungen ganz anderer Art meistern derzeit Mediziner in den Kriegsgebieten in der Ukraine und in Israel. Der Mediziner Dr. Yitzhak Brzezinski Sinai wechselte in Israel von der Klinik auf das Schlachtfeld. Innerhalb von kurzer Zeit mussten 600 Verletzte versorgt werden. Mehr als 70% der Verwundeten würden wegen der massiven Blutverluste sterben, daher sei eine der wichtigsten Maßnahmen Vollblut an der Front zur Verfügung zu haben. Mit professionellen mobilen Hubschrauber-Intensiv-Einheiten würden Kriegsverletzte innerhalb kürzester Zeit ausgeflogen.

Der Transport der Kriegsverletzten gestaltet sich indessen in der Ukraine ungleich schwerer, wie Dr. Hnat Herych, Mediziner vom Notfallklinikum in Lviv, beschrieb. Die Patienten müssten in Evakuierungszügen von der Front wegtransportiert werden, doch auch diese Transportmittel und -wege würden von den angreifenden russischen Soldaten attackiert. Die Patienten litten unter großen Weichteilverletzungen und hätten oftmals bereits infizierte Wunden, bevor sie in einer Klinik ankämen. Die plastische Chirurgie war vor dem Krieg in der Ukraine noch unterentwickelt, da es solche dramatischen Verletzungsmuster bis dahin dort nicht gegeben habe.

Mit einem eindringlichen Appell wandte sich Prof. Dr. Ronni Gamzu vom Tel Aviv Sourasky Medical Center an die Manager deutscher Kliniken. Um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein müssten Kliniken fünf Mal (!) im Jahr einen Massenanfall von Verletzten (MANV) trainieren. „Wir sind weit weg in Deutschland von ihren Empfehlungen“, räumte Moderator und Mediziner Prof. Dr. Christian Karagiannidis ein.tak