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Bundesrat lässt KHVVG passieren


Foto: Bundesrat

Der Bundesrat hat das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) gebilligt. Damit tritt die umstrittene Krankenhausreform in Kraft.

Ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses fand in der Bundesratsitzung am 22. November 2024 keine Mehrheit. Der Bundesrat ließ das umstrittene Gesetz zur Krankenhausreform passieren. Die Mehrheit der Länderkammer hat die Überweisung in den Vermittlungsausschuss abgelehnt. Mindestens 35 Stimmen hätte es gebraucht, um den Antrag Bayerns auf Anrufung des Vermittlungsausschusses durchzubringen. Der Bundestag hatte die Klinikreform im Oktober beschlossen.

„Der Bundesrat hat heute im Interesse der Patientinnen und Patienten entschieden. Mit der Krankenhausreform wird ihre Behandlung in Kliniken besser“, kommentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Eklat im Bundesrat

Die Entscheidung war von dramatischen Verwerfungen begleitet: So entließ Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) am Morgen vor der Bundesratssitzung. Sie habe ihre schriftliche Entlassung im Flur des Bundesrats erhalten. Woidke wollte so offenbar verhindern, dass Nonnenmacher im Bundesrat gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses zur Krankenhausreform spricht. Die scheidende rot-schwarz-grüne Koalition hatte vereinbart, sich bei der Abstimmung zu enthalten, wenn es keine Einigung in der Landesregierung gibt. Vor der Sitzung im Bundesrat hat in der Koalitionsrunde in Potsdam offenbar einen Konflikt über das Abstimmungsverhalten gegeben. Die Ministerin hatte angekündigt, sich bei der Abstimmung für Brandenburg zu enthalten. Damit wäre die Stimme des Bundeslands nicht gezählt worden. So geschah es mit den Stimmen Thüringens: das Bundesland stimmte uneinheitlich und damit ungültig ab.

Wie Hessen mit seiner CDU/SPD-Landesregierung abstimmen würde, war bis zuletzt offen. Hessens Minister für Wissenschaft und Forschung, Timon Gemmels (SPD), hob im Bundesrat die Stärkung der Schlüsselrolle der Universitätskliniken durch die Krankenhausreform hervor und erklärte, Hessen würde sich enthalten. Auch Schleswig-Holstein, das die Reform bislang ablehnend begleitet hatte, enthielt sich überraschend.

„Der Vermittlungsausschuss wäre das Ende der Krankenhausreform gewesen. Das konnte verhindert werden“, sagte Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD). Nun gibt es Planungssicherheit und nicht zuletzt auch mehr Geld für die Krankenhäuser.

Auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen hatte dafür geworben, einige Verbesserungen am Gesetz im Vermittlungsausschuss nochmals zu verhandeln. Die Ziele der Krankenhausreform – etwa mehr Qualität und Entbürokratisierung – seien zwar richtig, so Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU): „Sie werden allerdings mit dem KHVVG in seiner jetzigen Form nicht erreicht.“ Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte vor einer Verschärfung der Versorgungsungleichheiten zwischen Ost und West.

Bund und Länder hatten zuvor jahrelang heftig um das Gesetz gerungen. Viele Länder befürchten eine Schwächung der stationären Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen – entgegen dem erklärten Ziel, die Krankenhäuser „in der Fläche“ mit der Reform zu stärken. Auch der große Eingriff des Bundes auf die Krankenhausplanung wurde moniert: Das sei Ländersache und ein Recht von Verfassungsrang. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte das Gesetz der Zustimmungspflicht durch die Länder entzogen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte bis zuletzt an die Länder appelliert, das Klinikgesetz an den Vermittlungsausschuss zu überweisen.

Bundesrat: Pragmatische Lösungen gefordert

In einer begleitenden Entschließung, die auf einen gemeinsamen Antrag der Länder Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zurückgeht, fordert der Bundesrat pragmatische Lösungen zur Umsetzung der Krankenhausreform.

Hierzu seien der Bürokratieabbau fortzusetzen und Doppelregelungen zu vermeiden. Die im Gesetz vorgesehene Entbürokratisierung von Verfahrensabläufen diene nicht nur einem verbesserten Organisationsablauf in der Patientenversorgung. Sie sei auch ein geeignetes Instrument, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Es bedürfe jedoch weiterer Schritte:

So seien Doppelarbeiten in Krankenhäusern abzubauen und verzichtbare Regelungen aufzuheben. Um Bürokratiefolgekosten besser abschätzen zu können, bedürfe es einheitlicher Prüfregelungen. Außerdem sollten Digitalisierungsprozesse vorangetrieben werden. Der Bundesrat fordert zudem für das Umsetzen der Reform angesichts des sehr hohen Aufwands realistische Fristen. Schließlich sollten alle Verfahren regelmäßig hinsichtlich des Zweckes, der Aktualität und der Wirkung überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Der Bundesrat bemängelt die zu hohen Anforderungen des Gesetzes an den Facharztstandard. Der Fachkräftemangel sei bereits Realität und führe zur Abmeldung von Fachabteilungen im Krankenhaus. Dies dürfe die Reform nicht noch verschärfen. In einigen Bereichen sei jetzt schon klar, dass die Facharztzahlen derzeit nicht erreichbar seien, insbesondere in der Notfallversorgung und Kinderchirurgie. Es bedürfe einer Anpassungszeit. In anderen Bereichen zeichne sich ab, dass die Anforderungen an den Facharztstandard überprüft werden müssten. Diese bedürften daher einer Rückführung und einer zeitlich gestaffelten Einführung.

Der Bundesrat kritisiert auch, dass die Vorhaltevergütung in der aktuellen Form noch leistungsmengenabhängig sei. Man wisse nur in Teilen, welche Auswirkungen dies auf die Struktur der Krankenhauslandschaft habe. Bei für die flächendeckende Versorgung notwendigen Standorten müsse die Finanzierung so abgesichert sein, dass die Vergütung für ein Leistungsvolumen erfolge, das für den wirtschaftlichen Betrieb notwendig sei. Es sei fraglich, ob die Maßnahmen dafür ausreichen. Schließlich bemängelt die Länderkammer, das Bundesministerium für Gesundheit habe die finanziellen Auswirkungen der Reform ab dem Jahr 2025 nicht ausreichend dargelegt. Es müsse nochmal intensiv geprüft werden, welche Möglichkeiten einer Überfinanzierung noch bestehen könnten.

DKG: Reformziele verfehlt, Versorgung gefährdet

„Mit ihrem Beschluss haben die Bundesländer die letzte Chance auf eine gute parteiübergreifend konsentierte Krankenhausreform in dieser Legislaturperiode verpasst“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß: „Versorgung wird sich in Deutschland nicht verbessern, sondern vielfach verschlechtern und in einigen Regionen sogar ganz wegbrechen.“ Mit dem Beschluss bleibe die wirtschaftliche Notlage und die Unsicherheit für die Kliniken bestehen.

Die erklärten Ziele der Reform würden mit diesem Gesetz eklatant verfehlt, so Gaß weiter. Statt einer „Entökonomisierung“ erleben die Krankenhäuser schon heute den härtesten ökonomischen Druck seit Jahrzehnten. Viele Krankenhäuser stehen am Rand der Insolvenz und werden durch das KHVVG keine spürbare Entlastung erfahren. Anstelle der versprochenen „Versorgungsverbesserung“ würden die Bürgerinnen und Bürger erleben, dass notwendige Versorgungsangebote auch bei Notfällen in ihren Heimatregionen wegbrechen. „Auch die Länder, die sich im Bundesrat letztlich nicht mehr für eine schnelle Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage der Kliniken eingesetzt haben, tragen dafür die Verantwortung“, so Gaß.

Katrin Rüter

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Ziele des Reformpakets

Leistungen sollen in spezialisierten Kliniken konzentriert werden. Damit will die Bundesregierung die Qualität der Behandlungen steigern. Zudem sollen ambulante und stationäre Sektoren enger verzahnt werden.

Einführung von Vorhaltepauschalen

Die Krankenhausabrechnung erfolgt zukünftig weniger durch Fallpauschalen, sondern zu einem großen Teil über eine Vorhaltevergütung. Anders als bisher richtet sich die Finanzierung der Kliniken somit nicht ausschließlich nach der Anzahl der Behandlungen, sondern nach den Leistungen, die sie grundsätzlich vorhalten. Hierzu sind 65 Leistungsgruppen vorgesehen, die mit Qualitätskriterien und Mindestvorhaltezahlen verknüpft werden. Um die Behandlungsqualität zu verbessern, sollen Kliniken Fachbehandlungen in jedem Stadium nur noch dann vornehmen, wenn sie über das dafür notwendige Personal und die entsprechende Ausstattung verfügen. Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt.

Versorgung in ländlichen Regionen

Das Gesetz sieht eine Annäherung von ambulanter und stationärer Behandlung vor. Besonders in ländlichen Gebieten stünden Patientinnen und Patienten oft vor dem Problem, keine Fachärztin oder keinen Facharzt zu finden und für Spezialuntersuchungen weite Wege fahren zu müssen, so die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Gesetz. In Regionen mit Fachärztemangel sollen daher bestimmte Kliniken (sogenannte Level 1i-Krankenhäuser) auch fachärztliche Leistungen anbieten, so dass sich Patienten statt beim niedergelassenen Facharzt auch ambulant im Krankhaus untersuchen und behandeln lassen können. Bei Hausärztemangel können Kliniken, die als sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen gelten, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Zudem soll die ambulante Versorgung schwerkranker Kinder und Jugendlicher erleichtert werden.

Personalbemessung und Entbürokratisierung

Das Gesetz führt eine ärztliche Personalbemessung ein. Damit möchte die Bundesregierung die Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte steigern und die Behandlungsqualität fördern. Hierzu soll in Abstimmung mit der Bundesärztekammer zunächst ein Personalbemessungsinstrument wissenschaftlich erprobt werden. Zudem soll geprüft werden, ob dies auch für weitere Berufsgruppen wie Hebammen oder Physiotherapeuten erforderlich ist. Das Gesetz sieht zudem Maßnahmen zur Entbürokratisierung vor.

Finanzierung

Die Strukturreform soll über einen Zeitraum von zehn Jahren durch einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro finanziert werden, dessen Kosten zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Ländern getragen werden.

Inkrafttreten

Das Gesetz kann nun ausgefertigt und verkündet werden. Es tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.