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Bombensichere Relikte des Kalten Krieges


Zur Ausstattung der erdversenkten Anlage in Ulm gehört auch ein Sterilisator. Fotos: Astrid Köpke


In der Klinik unter Tage auf dem Oberen Eselsberg in Ulm sind auch auch zwei Operationssäle.

Brauchen wir heute noch bombensichere Bunker-Hospitale? Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine macht deutlich, dass solche Überlegungen zu Katastrophenszenarien nicht völlig abwegig sind. Erst Ende Februar 2023 vermeldete die Europäische Union (EU), dass sie weitere Vorräte gegen nukleare und chemische Gefahren einrichten werde. Zur Vorbereitung auf chemische, biologische, radiologische und nukleare (CBRN) Gefahren richtet die Behörde in Brüssel in drei weiteren Ländern Reserven mit Medikamenten und Ausrüstung ein. Zu den bereits bestehenden Vorräten in Finnland kämen nun welche in Frankreich, Polen und Kroatien hinzu, teilte die EU-Kommission mit. Dort sollten unter anderem Antibiotika, Impfstoffe, Detektoren und persönliche Schutzausrüstungen gelagert werden.

In der einst geteilten Stadt Berlin haben die Briten zur Zeit des Kalten Krieges gleich zwei Krankenhäuser gebaut: das Militärkrankenhaus in Berlin-Westend – British-Military Hospital (BMH), Einweihung war im Jahr 1967 – und einen Bunker direkt unter dem britischen Militärkrankenhaus als zweite Klinik mit der gleichen Bettenkapazität wie die überirdische Klinik darüber. Im Kriegsfall sollte die gesamte Klinik mit ihren heute 148 Betten auch unterirdisch betrieben werden können. Die Klinik unter Tage wurde mit allem ausgestattet, was eine Klinik braucht: Operationssäle, Versorgung mit Strom, Wasser, Heizung, Waschräume, Patientenzimmer, Leichenräume, Lagerräume. 14 Tage hatten die Alliierten das unterirdische Hospital in Betrieb genommen, um zu testen, ob im Ernstfall alles reibungslos läuft, weiß Ralph Ladage, Technischer Leiter und Leiter Einkauf der Paulinenkrankenhaus gGmbH, wie die Klinik darüber heute heißt.

Noch heute ist die Bunker-Klinik im Berliner Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf vorhanden. Die Operationslampen sind noch original aus den 60er-Jahren. An den Wänden weisen Hinweisschilder in englischer Sprache den Weg zum Labor oder zur Küche. Dicke Stahltüren sollten vor Bombenangriffen und Eindringlingen schützen. Sogar einem nuklearen Angriff soll der Bunker angeblich standhalten. In diesem Relikt, ein verborgener Zeitzeuge deutscher Nachkriegsgeschichte, stapeln sich derzeit viele Betten, Raumbelüfter, Stühle und Kartons. Als Krankenhaus wird die Bunker-Klinik nicht mehr genutzt. „Heute dient der Bunker vor allem als Lagerraum“, erzählt Ralph Ladage.

Das Paulinenkrankenhaus ist heute spezialisiert auf die Versorgung von herz-, thorax- und gefäßchirurgischen Patienten. „Theoretisch könnte man die Bunker-Klinik mit finanziellem und technischem Aufwand wie[1]der in Betrieb nehmen“, sagt Ladage.

Erdversenkte Anlage für 1 000 Betten

Ein ähnliches Überbleibsel aus dem Kalten Krieg ist die sogenannte erdversenkte Anlage (EVA) unter dem Bundeswehrkrankenhaus (BwKrh) in Ulm in Baden-Württemberg. Unter dem BwKrh, das im Januar 1980 den stationären Betrieb aufgenommen hatte, wurde ein 1 000-Betten-Reservelazarett gebaut. Im Kalten Krieg waren solche Einrichtungen über die ganze Republik verteilt. Auch diese unterirdische Klinik wurde mehrfach beübt. In den vergangenen Jahren spielte sie in den jüngeren sanitätsdienstlichen Einsatzplanungen indes keine Rolle mehr, sodass man mit dem Rückbau einzelner Technikeinrichtungen begonnen hatte. Im Rahmen einer erneuten Priorisierung der Bündnis- und Landesverteidigung rückt die EVA jedoch mal wieder in den Fokus.

Militärischer Bereich – Zutritt nur für Berechtigte“ steht am Eingang zum Bunker, der nur über ein Sicherheitssystem zu erreichen ist. Über 270 Räume, darunter zwei Operationssäle, verfügt die zweistöckige Klinik in der Erde, in der im Ernstfall bis zu 2 000 Menschen 90 Tage lang überleben könnten. Strom ist noch vorhanden. „Aber heute ist die Anlage nicht mehr in Betrieb“, betont Presseoffizier Oberstleutnant Peter Scheck.

Fast 80 Mio. D-Mark kostete der unterirdische Bau einst. Noch heute zu sehen sind gestapelte Pritschen, Operationssäle, Entgiftungsgeräte, Desinfektionsschleusen, Behandlungsräume, Notstromaggregate. Anderthalb Millionen Liter Wasser sollten für drei Monate reichen. Sie sind noch verfügbar und dienen als Löschwasser. Geplant war die unterirdische Anlage, um radiologisch-nuklear (RN)-exponierte Soldaten in militärischen Konflikten zu versorgen, ebenso wie Strahlenunfall-Patienten nach einem terroristischen Anschlag („dirty bomb“) oder auch im Fall eines zivilen Unfallszenarios.

Tanja Kotlorz